Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

der Streit um das Ziel der Koalition, dass „jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden (soll)“ und das Gesetzgebungsverfahren zur Neuausrichtung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) hat die Klimaschutzpolitik in den letzten Monaten dominiert. Offen und verdeckt wurde mit harten Bandagen und allen erdenklichen Mitteln gekämpft. Dass dabei auch breite Bevölkerungskreise massiv verunsichert werden könnten (und wurden) und die öffentliche Meinung zum Klimaschutz sich negativ verändert haben könnte (und scheinbar hat), wurde vielfach billigend in Kauf genommen. Die gesamten Auswirkungen dieses Disputes werden wir aber erst in einigen Jahren bewerten können.

Fest steht schon jetzt, dass bei diesem Gesetzgebungsverfahren Rechtsgeschichte geschrieben wurde. Erstmalig hat das Bundesverfassungsgericht eine geplante Gesetzesverabschiedung im Bundestag vorübergehend untersagt. Damit ist aber keine Aussage über einen möglichen Verfassungsverstoß verbunden. Das Gericht hat lediglich befunden, dass eine mögliche Verletzung des Teilhaberechts der Bundestagsabgeordneten an der parlamentarischen Willensbildung verfassungsrechtlich schwerwiegender sei als ein Eingriff in die Verfahrensautonomie des Bundestages durch eine zeitliche Verzögerung – ob tatsächlich eine Verletzung des Teilhaberechts vorlag, wurde aber gar nicht geprüft.

Diese Entscheidung wird kontrovers diskutiert, denn zu Beratung und Beschlussfassung des Bundestages, also der politischen Sphäre, gibt das Grundgesetz nur rudimentäre Vorgaben. Die Debatte um das GEG zeigt uns daher auch, wie schwierig das Zusammenwirken von Recht und Politik zu greifen ist. Zu sehen ist dies auch bei der Diskussion rund um die laufende Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Dabei handelt es sich um atypisches Recht, das lediglich einen prozeduralen Rahmen für politische Abläufe setzt, diese aber weder umfassend vorprägen noch ersetzen kann. Die rechtlichen Wirkungen enden am Übergang der beiden Sphären Recht und Politik. In der politischen Sphäre ist allein die Mehrheit entscheidend. Kann eine solche nicht organisiert werden, kann sie nicht durch Recht ersetzt werden.

Dafür ist wiederrum das Gesetzgebungsverfahren zum GEG ein anschauliches Beispiel. Eigentlich haben die spezifischen Sektorziele des Klimaschutzgesetzes den Handlungsrahmen der Politik vorgegeben. Doch bei der Diskussion zum Gebäudeenergiegesetz waren diese Vorgaben nicht handlungsleitend: Es gab keine Ausrichtung anhand der Jahresemissionswerte, keine Optionen für alternative Instrumente und auch keine Suche nach zusätzlichen Maßnahmen als Reaktion auf Abschwächungen. Für einen an den gesetzlichen Klimaschutzzielen ausgerichteten Kompromiss fehlte schlicht die politische Mehrheit.

Eine Versachlichung der politischen Diskussionen und Gesetzgebungsverfahren, die den erforderlichen gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Diskussionen ausreichend Raum bietet, wäre äußerst wünschenswert. Dafür müssen wir gesellschaftlich streiten, Recht und Rechtswissenschaft können dabei leider nur begrenzt helfen.

Herzliche Grüße

Thorsten Müller