„Je mehr Photovoltaik, desto günstiger die Energiewende in Deutschland“
Bernhard Beck ist Gründer der BELECTRIC-Firmengruppe, mit der er weltweit knapp 2GW Photovoltaikanlagen installiert hat, welche heute über 1Mio Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.
Seit Anfang 2019 widmet er sich mit seiner BOB-Holding GmbH neuen Technologien der Netzintegration und der Ladeinfrastruktur, sowie Start-ups und Unternehmen aus dem Bereich innovativer und nachhaltiger Energieversorgung.
Herr Beck, welche Rolle spielt die Photovoltaik und Solarkraft beim Gelingen der Energiewende?
Beck: Die Energie der Sonne, die von uns Menschen durch die Photovoltaik genutzt wird, spielt DIE Rolle in der globalen Energiewende. Wir haben eine unerschöpfliche Energiequelle, deren Nutzung inzwischen extrem günstig ist. Keine andere Energiequelle im Neuzubau kann heute mit den niedrigen Kosten der Photovoltaik mithalten. Interessant ist, dass heute diese Investitionsentscheidungen wirtschaftlich getroffen werden und wir in Deutschland historisch bedingt immer noch von hohen Kosten ausgehen, während andere Länder sich diesen Kostenvorteil für Ihre Volkswirtschaften zu Nutze machen. Deutschland hat es durch das EEG und die damit verbundenen Ausgaben geschafft, die Produktion von Photovoltaik zu industrialisieren, ist dann aber fast aus der Photovoltaik ausgestiegen. Auch heute noch sind viele Politiker der Meinung, Solarstrom wäre teuer und der Zubau müsste daher „gedeckelt“ werden, um die Energiewende bezahlbar zu machen.
Gerade bei privaten und gewerblichen Photovoltaikanlagen ist der Schutzschirm des Staates wichtig, um die gewünschte Mengenwirkung zu erzielen. Die Bürger benötigen bei Investitionen, die zwei Jahrzehnte überdauern sollen, stabile politische Entscheidungen. Das EEG dient dazu, eine solche Stabilität zwischen Politik und den Bürgern herzustellen. Wenn man sich aber die Kurswechsel der Politik in Sachen Klima- und Energiepolitik der letzten 10 Jahre ansieht, dann ist da leider wenig Verlässlichkeit zu sehen.
Einhergehend damit fehlt es in Deutschland an einer Industriepolitik, welche die Energiewende berücksichtigt. Mehr als 100.000 Arbeitsplätze wurden in der Produktion von Windkraftanlagen und Solaranlagen abgebaut.
Die deutsche Energiewende kann nur gelingen, wenn wir Photovoltaik und Speichersysteme konsequent ausbauen. Energiewende bedeutet Abschied nehmen von fossilen Energieträgern. Der Energieverbrauch ist bekannt und wird sich in den kommenden Jahrzehnten nur unwesentlich verändern. Es ist ein Leichtes, die benötigten Energiemengen zu berechnen, die – wenn sie günstig sein sollen – aus Photovoltaik kommen müssen. Im Resultat ist es ein Vielfaches von dem, was wir heute per Gesetz im Zubau limitieren. Damit werden die Kosten hochgehalten. Je mehr Photovoltaik, desto günstiger die Energiewende in Deutschland. Wie gesagt, eine rein wirtschaftliche Entscheidung.
Das Thema Klimaschutz wird momentan von der Corona-Pandemie verdrängt. Welche Herausforderungen für die EE-Branche sehen Sie in Corona-Zeiten?
Beck: Die Corona-Pandemie stellt die EE-Branche und alle anderen Industriezweige vor große Herausforderungen. Kundenabsatz bricht weg, Lieferketten stocken, Nachfragen in anderen Bereichen können nicht bedient werden. Wir erleben eine neue Form der Globalisierung. Da die ganze Welt betroffen ist, erleben wir eine Krise globaler Dimension. Wir sehen aber auch, dass globales Handeln möglich ist, wenn der Druck groß genug ist. Das lässt sich übertragen: Ich denke, wir müssen ebenso konsequent wie global das Problem der Klimaerwärmung angehen, denn es betrifft alle Länder gleichermaßen. Auch wenn die mediale Präsenz der Klimaerwärmung in den letzten Monaten stark abgenommen hat, so sieht man inzwischen durchaus, dass die Bürger ihr Handeln anpassen. Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden im Aufbau der Wirtschaft post Corona eine bedeutendere Rolle spielen als vorher. Wir sehen, dass z.B. die Nachfrage nach kleinen Elektroautos steigt und sich der Zubau von Photovoltaik trotz Corona und Lieferschwierigkeiten auf einem konstanten Niveau befindet. Die Herausforderung für die Branche wird darin liegen, den eigentlich notwendigen Ausbau von Photovoltaik mit der globalen Liefersituation in Einklang zu bringen.
Welche Veränderungen des aktuellen Energierechts halten Sie für eine erfolgreiche Energiewende für dringend notwendig?
Beck: In den letzten Jahrzehnten haben wir das Energierecht in eine ungeahnte Bürokratie geführt. Im Jahr 1998 galt es 19 Paragraphen zu berücksichtigen, heute sind es über 800. Das entschleunigt die Energiewende massiv und die Komplexität dieser Gesetzgebung kann selbst von den Fachleuten nicht mehr umfassend nachvollzogen werden. Wir begreifen heute Energie als das Element zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Eine umfassende Gesetzgebung existiert hier noch nicht und es häufen sich Regulierungen, welche die Energiewende blockieren anstatt sie zu fördern. Ziel müsste es sein, dies „aufzuräumen“ und die Komplexität massiv zu reduzieren. So schalten wir z.B. bei schlechtem Wetter Windräder wegen Netzüberlastung ab, zahlen diesen einen Ausgleich und verbrennen in den umgebenden Ortschaften Öl und Gas, um die Häuser zu heizen. Gebiete mit Netzüberlastung werden ausgebaut und die Bürger vor Ort müssen dies über die Netznutzungsentgelte bezahlen. Sie haben also keinen Nutzen und sie tragen die Kosten. Das ist volkswirtschaftlicher Irrsinn. Würde man den überschüssigen Strom zielgerichtet lokal nutzen, anstatt Öl und Gas zu „verheizen“, würde man weniger CO2 emittieren, die Windräder können produzieren, man würde sich den finanziellen Ausgleich sparen und der Netzausbau wäre vielleicht gar nicht mehr nötig.
Dieses einfache Beispiel zeigt, wie widersinnig das aktuelle Energierecht aufgebaut ist. Das Energierecht muss daher neu geordnet werden. Das Thema Stromnetze ist im Speziellen ein Problemfall. Die seit über 10 Jahren verfügbaren digitalen Innovationen, um Netzausbau einzusparen, werden bis heute nicht angewendet, weil die Bundesnetzagentur ausschließlich den Bau neuer Leitungen fördert. Netzbetreiber, die auf Netzdigitalisierung, also die Erfassung von Netzdaten aller Verteilnetzebenen, setzen und darauf aufbauend eine moderne Netzbetriebsführung mit Blindleistungssteuerung einsetzen wollen, mit der sich die Kapazität der vorhandenen Verteilnetze erhöhen lässt, werden aktuell massiv finanziell benachteiligt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Wir investieren gerade in Infrastruktur, die wir so vielleicht nicht benötigen, anstatt mit den Technologien der heutigen Zeit effizient zu wirtschaften.
Was hat Sie überzeugt, die Forschungsarbeit der Stiftung Umweltenergierecht zu unterstützen?
Beck: Ich unterstütze die Stiftung Umweltenergierecht seit Frühjahr 2011, weil ihre Mitarbeiter die erhebliche Leistung erbringen, die Komplexität der Gesetzgebung mit der Komplexität der Energiewende an sich in Einklang zu bringen. Die von der Stiftung Umweltenergierecht aufgezeigten Fragestellungen und Lösungsansätze sind richtungsweisend und ich würde mir wünschen, dass dieser in der Bundesrepublik einmalige Sachverstand viel stärker in die politischen Entscheidungsprozesse eingebunden wird. Nur so kann die Energiewende gelingen und die Vision der Bürger von einer nachhaltigen Energiezukunft Realität werden.