Das Regelungsdickicht lichten: Mit Neuordnung Energierecht das (über-)komplexe Energierecht besser gestalten

Das Energierecht wird immer undurchsichtiger und komplexer und droht, die Energiewende auszubremsen. Die Branche hadert mit Regelungslücken, inkonsistenter Rechtssetzung und Detailregelungen. In ihrem Pioniervorhaben „Neuordnung Energierecht“ stellt sich die Stiftung Umweltenergierecht dieser Herausforderung. Das Ziel: Ein Energierecht, das anwenderfreundlich ist und den Energiewendeprozess verlässlich trägt. 

„Regelungsdickicht“, „Normenflut“ – an Metaphern für den Zustand des Energierechts fehlt es nicht. Fakt ist: Die Energiewirtschaft ist komplex. Dies muss und wird die Regulierung immer prägen. Dennoch ist das heute geltende Energierecht in vielen Teilen unnötig kompliziert. Dadurch nehmen Rechtsunsicherheit und Bürokratieaufwand für den Rechtsanwender zu – das Energierecht droht, mehr und mehr zu einem Investitionshemmnis zu werden. Aber auch für den Rechtssetzer wird die Komplexität des Energierechts zunehmend zu einer Herausforderung, etwa, wenn zur Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben ins komplizierte Regelungsdickicht eingegriffen werden muss. So wird auch die Steuerung der Energiewende immer stärker erschwert.

Die Stiftung Umweltenergierecht will dazu beitragen, die Komplexität des Energierechts zu reduzieren und die Energiewende wieder besser steuerbar zu machen.

Das Energierecht vereinfachen:  Eine dringliche Aufgabe für die neue Legislaturperiode

„Das Energierecht zu vereinfachen, ist eine Mammutaufgabe. Um diese sollte sich der Gesetzgeber besser früher als später kümmern“, erklärt Daniela Fietze, die im Projekt mitarbeitet. Denn: Die verschärften deutschen Klimaschutzziele und die anstehende Umsetzung des Fit-for-55-Pakets der EU zwingen ohnehin zu einer grundlegenden Überarbeitung des deutschen Energierechts. Auch die Netzregulierung sowie die dazugehörige Behördenarchitektur muss nach dem EuGH-Urteil zur Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde auf neue Füße gestellt werden.

„Neuordnung Energierecht“: Wir entwickeln Schritte zu einem übersichtlicheren Energierecht

Wie das Energierecht transparent, widerspruchsfrei und zukunftsoffen gestaltet werden kann, dafür haben wir im intensiven Austausch mit Wissenschaft und Praxis ein Konzept erarbeitet.

Im ersten Schritt haben wir untersucht, was eigentlich „Energierecht“ ist und welche Regelungen dazu zählen. „Dabei galt: Nicht alle Regelungen, die für energiewirtschaftliche Sachverhalte relevant sind, können auch dem Energierecht zugeordnet werden. Wir mussten also klären, welche Regelungen „Energierecht“ sind – und welche nicht“, erklärt Anna Papke, die ebenfalls im Projekt forscht. Zur Abgrenzung haben wir mehrere Kriterien entwickelt. Eines davon ist die Frage nach der „Leitungsgebundenheit“ der regulierten Materie.

Im zweiten Schritt haben wir Prinzipien entwickelt, mit denen sich der Normbestand neu anordnen und so zu einem einheitlichen Regelungsgefüge zusammenführen lässt. Dabei haben sich zwei Prinzipien als erfolgversprechend erwiesen. Eine Neuordnung entlang der Wertschöpfungsketten: Von der Erzeugung über den Transport und den Vertrieb der Energie bis zum (Letzt-)Verbrauch. Auch eine Neuordnung anhand der mit den Normen verfolgten Ziele (Wettbewerb, Klimaschutz, Verbraucherschutz) wäre denkbar.

Im dritten Schritt wollen wir diese Kriterien auf das „Energierecht“ anwenden, welches wir in Schritt 1 identifiziert haben . Ein solchermaßen neu (an-)geordnetes Energierecht würde schon an sich komplexitätsreduzierend wirken. Der Rechtsanwender könnte Regelungskomplexe besser nachvollziehen und die einschlägigen Vorgaben leichter auffinden. Allerdings dürften nach wie vor Widersprüche in der Regulierung bestehen bleiben. Diese müssten durch das Angleichen von Tatbestandsmerkmalen und/oder Rechtsfolgen abgebaut werden. Dies wäre der finale Schritt auf dem Weg zu einem wohlgeordneten Energierecht (Schritt 4).

Die neue Bundesregierung ist am Zug

„Die Rechtswissenschaft kann und sollte hier wichtige Impulse setzen, gerade beim Herausarbeiten und Aufzeigen von Redundanzen und Widersprüchen“, sagt Hartmut Kahl als zuständiger Forschungsgebietsleiter und ergänzt: „Die Rechtswissenschaft allein kann dies allerdings nicht leisten. Deshalb freuen wir uns nach wie vor über Unterstützung, mit der wir die weiteren Arbeiten vorantreiben können, sehen aber auch die neue Bundesregierung in der Rolle, hier aktiv zu werden und einen Neuordnungsprozess einzuleiten und zu fördern.“