Forschung zum Ob und Wie von technologieneutralen Ausschreibungen
Mit dem EEG 2017 ist ein Systemwechsel bei der Förderung erneuerbarer Energien erfolgt: von der gesetzlich festgelegten Marktprämie für Jedermann zu Ausschreibungen als Zugangsvoraussetzung und Preisermittlungsverfahren. Dieser Wechsel ist allerdings noch nicht mit Leben gefüllt und der Einstieg in den nächsten Veränderungsschritt steht kurz bevor. Das neue EEG 2017 sieht ab Mai 2018 Pilotverfahren für gemeinsame Ausschreibungen für Solar- und Windenergieanlagen sowie für sogenannte Innovationsausschreibungen vor (§§ 39i und j sowie §§ 88c und d im EEG 2017). Während bei der gemeinsamen Ausschreibung potenzielle Betreiber von Windenergieanlagen und PV-Anlagen gegeneinander um die Förderung konkurrieren, geht es bei den Innovationsausschreibungen darum, verschiedene Technologien so zu verbinden, dass besonders netz- oder systemdienliche Konzepte entstehen. Über beide Ansätze kommt eine technologieneutrale Komponente ins EEG, das seit jeher auf eine technologiespezifische Förderung setzte – auch noch jüngst bei der Einführung der Ausschreibungen, die nach Wind an Land, Wind auf See, Photovoltaik und Biomasse differenzieren.
Ursprung für technologieneutrale Ausschreibungen liegt im europäischen Beihilferecht
Rechtlicher Ursprung dieser Entwicklung sind die Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (UEBLL) der EU-Kommission. Danach sind technologieneutrale Ausschreibungen der Regelfall, Abweichungen davon müssen begründet und letztlich von der EU-Kommission genehmigt werden (Rn. 126 UEBLL). „Ein Blick in die beihilferechtliche Genehmigung des EEG 2017 zeigt dieses Spannungsverhältnis deutlich“, erläutert Dr. Markus Kahles, Projektleiter bei der Stiftung Umweltenergierecht. „Die separaten Ausschreibungen für die einzelnen Technologien akzeptiert die EU-Kommission nur, wenn dem Mitgliedstaat für jede Technologie im Vergleich zu den anderen Technologien der Nachweis gelingt, dass eine Ausschreibung in einem gemeinsamen Topf zu einem ‚suboptimalen Ergebnis‘ führen würde“. Dies könne insbesondere der Fall sein, wenn sich einerseits aufgrund struktureller Unterschiede und Kostenstrukturen im Vergleich der jeweiligen Erzeugungstechnologien immer dieselbe Technologie durchsetzen würde, andererseits aber der Mitgliedstaat, etwa aus Gründen der Diversifizierung oder wegen Netzeinschränkungen und der Netzstabilität, auf eine ausgewogene Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien angewiesen sei. Diese Argumente müssten bei sich verändernden Markt- und Netzsituationen beständig auf ihre Durchschlagskraft überprüft und angepasst werden, um technologiespezifische Ausschreibungen auch künftig vor der EU-Kommission begründen zu können.
Aufbauend auf den vielfältigen Arbeiten der Stiftung zu den beihilferechtlichen Vorgaben der EU bilden die Entwicklungen zu technologieneutralen Elementen im Ausschreibungsdesign des EEG zukünftig einen Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten der Stiftung. „Diese Entwicklungslinie betrifft vielfältige Grundstrukturen der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland – so z. B. der Versuch, die Akteursvielfalt zu bewahren und eine regionale Verteilung des Ausbaus mittels des Referenzertragsmodells zu erreichen“, fasst Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, die Bedeutung zusammen. „Letztlich geht es darum, inwieweit der Staat den Ausbau und damit sein Energieversorgungssystem steuern und einen passenden Mix verschiedener erneuerbarer Energien erreichen kann.“
Erfahrungsaustausch bei Tagung der Stiftung zu Ausschreibungen
Der Grundsatz der Technologieneutralität findet sich zumindest mittelbar auch im Vorschlag der EU-Kommission für die künftige Erneuerbaren-Richtlinie wieder. Dort wird in Art. 4 Abs. 3 formuliert, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien u. a. in einer wettbewerblichen, diskriminierungsfreien und kosteneffizienten Weise gewährt wird. Daneben gelten weiterhin die Vorgaben der UEBLL, die mittelfristig auch novelliert werden sollen. Welche Spielräume verbleiben dann dem deutschen Gesetzgeber? Ist eine Standortdifferenzierung überhaupt noch möglich und wenn ja, anhand welcher Kriterien? Wie könnten die beiden Pilotvorhaben ab 2018 aussehen und welche Erkenntnisse lassen sich daraus für das künftige Förderdesign gewinnen?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der nächsten Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht am 23. Mai in Berlin. Bei der Tagung werden auch Erfahrungen aus Ländern innerhalb und außerhalb der EU eingebunden, die in ihrem Förderdesign schon mit technologieneutralen Elementen operieren. „Es ist wichtig, diese Erfahrungen auszuwerten, um lernen zu können und möglicherweise vermeidbare Fehler nicht zu wiederholen“, umschreibt Dr. Hartmut Kahl, LL.M. (Duke), Leiter des Forschungsgebiets „Recht der erneuerbaren Energien und Energiewirtschaft“, die Intention der Tagung.