Wie der europäische Green Deal die deutsche Energiewende beeinflusst

13 Vorschläge für neue und überarbeitete EU-Rechtsakte beinhaltet der erste Teil des „Fit for 55“-Pakets der EU-Kommission. Nach Einigung auf ein neues EU-Klimagesetz soll der vorgeschlagene Rechtsrahmen das Erreichen der EU-Energie- und Klimaziele bis 2030 ermöglichen. Zudem stehen weitere Reformvorschläge in den Bereichen Gas, Wasserstoff und Gebäudeeffizienz sowie wichtige Entscheidungen zum zukünftigen Beihilferahmen an. Die Stiftung Umweltenergierecht begleitet diese Prozesse in vielfältiger Weise und zeigt insbesondere deren Bedeutung für die deutsche Energiewende auf.

Die Erleichterung war groß, als sich EU-Parlament, Rat und die EU-Kommission im Juni 2021 im informellen Trilog auf ein neues EU-Klimagesetz einigen konnten. Zum ersten Mal wurde gesetzlich die Verpflichtung der EU festgelegt, die Emission von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent zu verringern und Klimaneutralität bis 2050 anzustreben. Aus diesen Zielen ergeben sich auch neue Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten. Diese müssen wirksame nationale Beiträge für die Verringerung ihres Treibhausgasausstoßes leisten. Durch ein neues System aus regelmäßigen Plänen und Berichten soll die Erfüllung dieser Pflichten überprüft werden.

Welche Bedeutung hat das „Fit-for-55“-Paket für die deutsche Energiewende? Einen Überblick gibt die Stiftung Umweltenergierecht zum Beispiel in ihrem monatlichen Webinar „Green Deal erklärt“.

„Fit for 55“-Paket: Neue Ziele, Instrumente und Maßnahmen bis 2030

Bereits der schiere Umfang des Pakets, das die EU-Kommission am 14. Juli 2021 vorstellte, beeindruckt: 13 Vorschläge für neue und überarbeitete EU-Rechtsakte, mehrere tausend Seiten mit Rechtstexten, Folgenabschätzungen, Strategien und wissenschaftlichen Studien. Bei der Vorstellung hob die EU-Kommission hervor, dass sie sich sehr bemüht habe, einen in sich stimmigen Gesamtentwurf vorzulegen. Denn die einzelnen Teile des Pakets zu CO2-Bepreisung, sauberer Energie und Verkehr hängen eng miteinander zusammen.

Der Green Deal soll den Umbau der EU zu einer klimafreundlichen Wirtschaftszone vorantreiben.

Die Stiftung Umweltenergierecht hat sich daher zunächst zur Hauptaufgabe gemacht, einen Überblick über die Neuerungen zu geben und die einzelnen Wechselwirkungen aufzuzeigen. Großen Zuspruch findet dabei die bereits im Vorjahr gestartete Online-Seminarreihe „Green Deal erklärt“. Sie ist eines der Formate des von der Stiftung Mercator geförderten Vorhabens „agree.d“. Auch mit Berichten und Studien werden wir in den nächsten Jahren die einzelnen Gesetzgebungsverfahren allgemeinverständlich aufbereiten und den Diskurs mit eigenen Ideen bereichern.

Eine erste Gesamtbewertung des Legislativpakets „Fit for 55“ konnten wir im Rahmen der von der Deutschen Energie-Agentur erstellten „dena Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität“ vornehmen. In unserem Gutachten „Wirtschaft und Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität – Der Green Deal der EU und seine Bedeutung für Deutschlands Energiewende“ haben wir nach einem intensiven Dialogprozess eine systematisierte Einordnung zum Stand des Instrumentenmixes vorgenommen.

CO2-Bepreisung sticht durch besonders markante Reformpläne hervor

Große und durchaus umstrittene Neuerungen hat die EU-Kommission für den Bereich der CO2-Bepreisung vorgesehen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Gedanke, ein eigenes Emissionshandelssystem für Gebäude und Straßenverkehr einzuführen. Die Stiftung analysiert hier vielfältige Fragestellungen, die für das Verhältnis zwischen der EU-Ebene und den Handlungsspielräumen der Mitgliedstaaten als Ganzes entscheidend sind. Sollen Treibhausgasminderungen bei Gebäuden und Straßenverkehr durch eine EU-weite Regelung sichergestellt werden? Können die Mitgliedstaaten nationale CO2-Bepreisungssysteme beibehalten? Welcher Raum bleibt den Mitgliedstaaten für eine eigenständige Klimapolitik?

CO2-Bepreisung, saubere Energien, Wasserstoff, Gebäudeeffizienz, Verkehr – die Aufgaben im Green Deal sind vielfältig. Die Stiftung Umweltenergierecht führt durch die vielen Windungen der neuen Rechtsakte.

Zum Verständnis der ökonomischen und politikwissenschaftlichen Überlegungen zahlt es sich für die Forschungsarbeit der Stiftung aus, in interdisziplinären Vorhaben mit exzellenten Forschungspartnern eingebettet zu sein. Als besonders gutes Beispiel ist hier das Forschungsprojekt „Ariadne – Evidenzbasiertes Assessment“ für die Gestaltung der deutschen Energiewende zu nennen. Ariadne wird als Kopernikus-Projekt durch das Bundesforschungsministerium bis 2023 gefördert und hat gerade die erforderliche gesamtheitliche Sicht auf die Dinge zum Ziel.

Dies zeigt sich auch bei einem weiteren Regelungsbereich, der eine besondere Rolle im „Fit for 55“-Paket einnimmt: die erstmalige Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems mit dem Ziel, das Abwandern europäischer Industrie in Teile der Welt zu verhindern. So haben wir bei agree.d zunächst eine rein europa- und völkerrechtliche Einordnung des vorgeschlagenen Systems vorgenommen und diese Erkenntnisse dann mit anderen Projektpartnern in ein Ariadne-Kurzdossier zur Industriewende und zu globaler Wettbewerbsfähigkeit eingebracht.

Neue Impulse für die Energiewende durch erneuerbare Energien und Energieeffizienz

„Alles hängt mit allem zusammen und zeitlich überlappen sich einzelne Fortentwicklungen“, sagt Fabian Pause, der das Forschungsgebiet zum Europäischen Umweltenergierecht bei der Stiftung leitet, und ergänzt: „Umso wichtiger, wenn wir dabei helfen können, die einzelnen Prozesse zu erklären und sauber auseinanderzuhalten.“ Besonders gut zeigt sich das bei der erneuten Reform der Erneuerbare-Energien-Richtlinie. So sollen bei der jetzigen Überarbeitung neue Impulse für „grünen“ Wasserstoff gesetzt werden, gleichzeitig ist die derzeitige Richtlinie noch gar nicht vollständig umgesetzt. Ferner soll der Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen auch durch höhere Ziele bis 2030 weiter forciert werden, der wichtige beihilferechtliche Rahmen für das Handeln der Mitgliedstaaten ab dem Jahre 2022 steht aber noch nicht fest.

Groß sind zudem die Herausforderungen im Gebäudebereich. Auf die von der EU-Kommission vorgeschlagene „Renovation wave“ haben wir ein besonderes Augenmerk in unserem Horizon2020-Projekt CitizEE mit Forschungs- und Praxispartnern aus sieben EU-Staaten. Das Erreichen des Ziels eines sauberen Gebäudebereichs findet seine Ausprägungen sowohl im Effizienz- und Gebäudeeffizienzrecht als auch im Erneuerbaren-Recht. Um hier die Bedeutung europarechtlicher Weichenstellungen verstehen zu können, ist die Analyse der Lösungsansätze in anderen Rechtsordnungen unabdingbar. Denn nur durch den vergleichenden Blick nach außen können wir neue Ideen für unser eigenes Recht nutzbar machen.

Wie geht es weiter?

EU-Parlament und die Mitgliedstaaten im Rat werden bald ihre Positionen zum ersten Teil des „Fit for 55“-Pakets gefunden haben, dann gehen die einzelnen Gesetzgebungsverfahren im informellen Trilog weiter. Gleiches gilt dann mit etwas zeitlicher Verzögerung für die noch vor Weihnachten erwarteten Reformvorschläge für Gas, Wasserstoff und Gebäudeeffizienz. Nicht nur die neuen Leitlinien für die Anwendung beihilferechtlicher Regelungen für Umwelt und Energie, sondern auch wichtige Entscheidungen der EU-Kommission zu „grünem“ Wasserstoff und zur Taxonomie werden dieses Bild komplementieren – diese und weitere Inhalte werden Schwerpunkte unserer Arbeiten im nächsten Jahr sein.