Wohin steuert der europäische Green Deal?

Der europäische Green Deal soll Gesellschaft und Wirtschaft auf einen nachhaltigen und klimaneutralen Weg bringen. Die Stiftung Umweltenergierecht begleitet die anstehenden Gesetzgebungsprozesse eng und zeigt die Bedeutung des neuen EU-Rechts für die Energiewende auf.

Wie geht es mit dem Kernprojekt der EU-Kommission weiter? Als Lotse und Übersetzer wird die Stiftung Umweltenergierecht den Weg des Green Deal eng begleiten.

Als Ursula von der Leyen im Dezember letzten Jahres die Vorschläge der EU-Kommission für einen europäischen Green Deal vorstellte, war die Welt noch eine andere. Die EU sollte mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 eine faire und wohlhabende Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden. Zeitlich eng getaktet wurden Initiativen für neue europäische Rechtsakte im Klima-, Umwelt- und Energiebereich aufgelistet. Die EU sollte als Vorreiterin für Klimaschutz bei der UN-Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow auftreten.

„Klimaschutzziele müssen ambitioniert ausgestaltet sein“

Ein halbes Jahr später hat man Mühe, überhaupt noch Gewissheiten zu erkennen: Die COVID-19-Pandemie hat zu großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen in der EU und weltweit geführt. Die Zusammenarbeit der Staaten auf europäischer und internationaler Ebene gestaltet sich immer schwieriger und auch die Klimaschutzbemühungen erhalten Dämpfer, nicht zuletzt wurde die COP26 auf das Jahr 2021 verschoben. „Politisch stehen wir derzeit klar am Scheideweg: Die Klimaschutzziele müssen ambitioniert ausgestaltet werden und der Gedanke der Nachhaltigkeit darf beim Neustart der Wirtschaft keinesfalls verloren gehen“, betont der wissenschaftliche Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, Thorsten Müller.

Angesichts dieser schwierigen Gesamtlage ist es umso wichtiger, den Überblick über den weiteren Weg des Green Deal zu behalten. „Wir sehen hier für unsere Forschungsarbeit eine ganz besondere Aufgabe“, erklärt Fabian Pause, Leiter des Forschungsgebiets europäisches und internationales Umweltenergierecht. „Die Umsetzung des Green Deal in EU-Recht ist per se schon eine Mammutleistung. Dies jetzt noch mit der wirtschaftlichen und sozialen Erholung zu verknüpfen, bedarf besonderer Aufmerksamkeit und Expertise“. Zentral bei der engen rechtswissenschaftlichen Begleitung der anstehenden Gesetzgebungsprozesse wird dabei das neue Projekt „TransfEER – Auswirkungen des EU Green Deal auf Klimaschutz- und Energierecht in Deutschland“ sein. Dieses Projekt wird von der Stiftung Mercator bis zum Jahr 2025 durch eine Zuwendung gefördert. Es ermöglicht der Stiftung Umweltenergierecht als Lotse und Übersetzer die teils sehr komplexen rechtlichen Zusammenhänge zeitnah und genau aufzuarbeiten und dann in verständlicher Form der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Denn wie bereits beim EU-Winterpaket sind mehrere Dimensionen stets im Blick zu halten. Neben einem genauen Verständnis der Rechtsakte auf europäischer Ebene geht es auch um deren Auswirkungen auf die deutsche Energiewende. „Die Bedeutung des EU-Rechts wird zu oft unterschätzt und wichtige Weichenstellungen erst zu spät wahrgenommen“, warnt Markus Kahles, Projektleiter bei der Stiftung. „Wir wollen wichtige Informationslücken schließen, die häufig zwischen dem Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene und der fälligen Umsetzung im nationalen Recht auftreten. Hier vergeht oft viel Zeit und unterschiedliche Rechtsgebiete und Regelungsebenen sind betroffen.“

Europäisches Klimagesetz als Wegweiser

Wie die Klima- und Energiepolitik für die EU-Mitgliedstaaten ausgestaltet wird, ist mit vielen Rechtsfragen verbunden. Diese wird die Stiftung Umweltenergierecht auf den Prüfstand stellen.

Wie ambitioniert sollen EU-Klimaschutzziele sein? Wie verpflichtend sollen sie für die EU-Mitgliedstaaten wirken? Diese beiden Kernfragen prägen die Klima- und Energiepolitik in den letzten Jahren. Besonders deutlich wird das an der derzeit intensiv geführten Diskussion über den Entwurf für ein erstes europäisches Klimagesetz, einschließlich der Ziele für die Jahre 2030 und 2050 und ihre Erreichbarkeit. „Zentral ist bei der ganzen Geschichte auch die Frage, wer in Zukunft den Zielpfad auf dem Weg nach 2050 festlegen soll. Die EU-Kommission will hier eine entscheidende Rolle einnehmen, da gibt es natürlich auch Gegenwind von einigen Mitgliedstaaten“, hebt Jana Nysten, wissenschaftliche Referentin im Europarechtsteam der Stiftung, hervor. Eine Neuausrichtung der EU-Klima- und Energiepolitik ist mit vielfältigen rechtlichen Fragen verbunden, mit denen sich die Stiftung Umweltenergierecht in ihrer Projektarbeit in den nächsten Jahren stark beschäftigen wird. Eine mögliche Anhebung des EU-Klimaziels für 2030 ist nicht nur mit institutionellen Weichenstellungen verbunden, für die sich die EU und ihre Mitgliedstaaten gerade ein fein austariertes Governance-System zur Überprüfung der nationalen Fortschritte erarbeitet haben. Vielmehr werden auch die jetzt mühsam verabschiedeten EU-Rechtsakte für erneuerbare Energien und Strommarktdesign sowie Energieeffizienz erneut auf den Prüfstand gestellt.

CO2-Bepreisung rückt stärker in den Mittelpunkt

„Eines der mit dem Green Deal verbundenen Hauptziele ist es, eine effektive CO2-Bepreisung für die gesamte Wirtschaft zu gewährleisten. Hier will die EU-Kommission mit einem ganzen Bündel an Gesetzesinitiativen den Reformprozess einleiten“, fasst Hartmut Kahl, Forschungsgebietsleiter bei der Stiftung, den derzeitigen Stand der Überlegungen zusammen. „Durch die Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems, der Lastenverteilungsverordnung und der Richtlinie für die Energiebesteuerung wird ein neuer Rechtsrahmen entstehen, an dem die Mitgliedstaaten ihre Politiken ausrichten müssen“. Gänzlich neu ist der Gedanke eines CO2-Grenzausgleichsystems für ausgewählte Sektoren. Damit soll eine Verlagerung der Industrie und damit verbundener CO2-Emissionen in Staaten mit geringeren Klimaschutzanforderungen verhindert werden.

Geld für die Transformation und grüne Finanzen

Um die EU-Klima- und Energieziele bis 2030 und darüber hinaus zu erreichen, bedarf es hoher Investitionen. Diese sollen durch einen umfassenden Investitionsplan für ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Europa ermöglicht werden, der mit einem „Recovery plan“ für die durch die Corona-Krise erschütterte EU verknüpft werden soll. Aber auch private Investitionen sollen grüner werden, hierzu soll eine neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen Anreize geben.

„Wir werden in unserer Projektarbeit wie gewohnt eine verlässliche Anlaufstelle für Informationen, Bewertungen und Vorschläge zum Gesamtprozess sein und mit unseren Veröffentlichungen und Veranstaltungen Orientierung bieten“, verspricht Fabian Pause. „Der gesamte Prozess um den Green Deal bietet die einmalige Möglichkeit, die EU und ihre Mitgliedstaaten auf einen stabilen Weg in Richtung einer effizienten Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien zu bringen.“ Viele Querschnittsthemen wie die Industriewende können dabei einbezogen und rechtlich verlässlich ausgestaltet werden.“ Die Stiftung wird hier aktiv mitwirken. Ergänzend zum Projekt der Stiftung Mercator bereitet sie derzeit mit 24 weiteren Partnern ein Projekt mit Förderung des Bundesforschungsministeriums vor.