Doch keine Erleichterungen im Artenschutzrecht? – EuGH lässt entscheidende Frage offen
Die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote führen immer wieder zu Problemen und Verzögerungen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen. Besonderes Interesse hat nun eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Anfang März zur Auslegung dieser Verbote geweckt. Die Stiftung Umweltenergierecht hat dazu erste Analysen veröffentlicht
Die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote haben nicht nur Bedeutung, wenn geschützte Tiere vom Menschen gezielt gestört oder gar getötet werden. Sie sind auch in Fällen relevant, wenn Beeinträchtigungen – etwa durch Rodung eines Waldes oder dem Bau von Infrastruktureinrichtungen – eine unausweichliche Nebenfolge sind. Ein schwedisches Gericht wollte nun vom EuGH wissen, ob es im Einklang mit europäischem Artenschutzrecht steht, bei lediglich „in Kauf genommenen“ Beeinträchtigungen die Zugriffsverbote von FFH- und Vogelschutz-Richtlinie nur dann anzuwenden, wenn sich die jeweilige Handlung auch auf den Erhaltungszustand der betroffenen Art auswirkt. Das wäre eine Erleichterung, da nach bisherigem Verständnis etwa das Tötungsverbot auch dann greift, wenn es zu keinen solchen Auswirkungen auf die Art kommt, sondern schon das Individuum betroffen ist.
(Keine) Relevanz des Erhaltungszustands
Der Gerichtshof verneinte jedoch diese Frage – zumindest für die FFH-Richtlinie. Der Erhaltungszustand einer betroffenen Art spiele für die Erfüllung der Zugriffsverbote in Art. 12 Abs. 1 lit. a bis d FFH-RL keine Rolle. Gerade bei Windenergieanlagen stehen aber häufig Konflikte mit Vogelarten und somit die Zugriffsverbote der Vogelschutz-Richtlinie im Vordergrund, die der EuGH in diesem Zusammenhang nicht erörtert hat. Auch eine Übertragung seiner Argumentation von der FFH- auf die Vogelschutz-RL ist nicht ohne weiteres möglich.
Vorgeschlagene Erleichterungen von Generalanwältin Kokott bleiben offen
Mit seiner Entscheidung hat sich der EuGH damit auch nicht zu dem viel beachteten Vorschlag der Generalanwältin Kokott geäußert. Um unverhältnismäßige Beschränkungen menschlicher Tätigkeiten zu verhindern, hielt sie – bei lediglich in Kauf genommenen Beeinträchtigungen – eine Berücksichtigung des Erhaltungszustands und damit eine populationsbezogene Beschränkung des Tötungs- und Verletzungsverbots nach der Vogelschutz-RL für erforderlich. Dem hat der Gerichtshof zwar keine Absage erteilt. Die Frage nach der Relevanz des Erhaltungszustandes für die Zugriffsverbote der Vogelschutz-RL ist damit aber weiterhin offen. Die nähere Analyse der Stiftung Umweltenergierecht finden Sie in einer aktuellen Urteilsanmerkung von Maximilian Schmidt und Frank Sailer im Heft 2 der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER).