Vom Beschleunigen und Bremsen

Die Energie(preis-)krise fordert den Gesetzgeber gleich mehrfach: Zum einen gilt es, noch mehr Erneuerbare noch schneller ans Netz zu bringen. Zum anderen sollen die Preise für den Strom- und Gasbezug für Haushalte und Wirtschaft sinken oder zumindest abgefedert werden. Also: EE-Ausbau beschleunigen und Energiepreisanstieg bremsen. Die Stiftung Umweltenergierecht beschäftigt sich mit beidem.

Der Bundestag hat kürzlich das Energiesicherungsgesetz EnSiG 3.0 verabschiedet. Darin finden sich einige neue Bestimmungen, die für eine zügigere und umfangreichere Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien sorgen sollen, neben der Biomasse vor allem im Photovoltaik-Segment.

Die Energiepreise sind enorm gestiegen. Der Gesetzgeber muss die Preisentwicklung aufhalten und gleichzeitig den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen.

So wird die Spitzenkappung für neue PV-Anlagen bis 25 kW und alte PV-Anlagen bis 7 kW abgeschafft, ein unkomplizierterer Austausch alter durch leistungsstärkere PV-Module auf Freiflächenanlagen („Repowering“) ermöglicht, die Gebotsgröße bei Freiflächenanlagen für Ausschreibungen in 2023 von 20 MW auf 100 MW angehoben sowie eine flexiblere Handhabung der Installation von Agri-PV-Anlagen eingeführt. „Das sind alles Änderungen, die helfen können, mehr Ertrag aus den Erneuerbaren zu holen. Freilich hätten diese schon bei der letzten EEG-Novelle im Frühjahr umgesetzt werden können“, meint Dr. Hartmut Kahl, Co-Leiter des Forschungsgebiets Recht der erneuerbaren Energien und Energiewirtschaft.

Kurzfristige Flächenbereitstellung für Windenergieanlagen

Auch für die Windenergie sieht das EnSiG 3.0 wichtige Änderungen vor. Durch die Anerkennung der isolierten Positivplanung im Baugesetzbuch können nunmehr im Falle bestehender Konzentrationszonenplanungen grundsätzlich kurzfristig zusätzliche Windenergieflächen ausgewiesen werden. Für diese Änderung der Konzentrationszonenplanung ist dann keine erneute Gesamtabwägung mehr nötig.

Das Ziel einer beschleunigten Flächenbereitstellung wird auch auf andere Weise verfolgt: Soll ein bisheriges Ausschlussgebiet als Windenergiefläche ausgewiesen werden, so kann die Ausschlusswirkung einem Windenergievorhaben auf dieser Fläche bereits ab dem Zeitpunkt der Planreife, also wenn die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung durchlaufen sind, nicht mehr entgegengehalten werden. Die Regelung führt also dazu, dass Planentwürfe die positive Wirkung der Pläne mehrere Monate vorher entfalten können. „Damit wird die erst mittelfristig wirkende Beschleunigung der Flächenbereitstellung des Wind-an-Land-Gesetzes um zwei Regelungen für die kurzfristige Flächenbereitstellung für Windenergievorhaben ergänzt“, stellt Steffen Benz, wissenschaftlicher Referent, fest.

Für die Windenergie wurden einige Änderungen und temporäre Betriebssteigerungen beschlossen.

Temporäre Betriebssteigerungen

Viele Windenergieanlagen unterliegen zudem Betriebsbeschränkungen zum Schutz der Umwelt vor Immissionen. Immissionsschutz ist fraglos wichtig, doch aufgrund der aktuellen Lage werden bis zum 15. April 2023 Abweichungen von Abschaltauflagen zum Schutz vor Schattenwurf und vor Lärm zur Nachtzeit zugelassen. „„Die Abweichung erfordert einen Antrag und eine behördliche Zulassung. Reagiert die zuständige Behörde nicht innerhalb eines Monats, gilt die Zustimmung als erteilt. Eine unmittelbare Zulassung der Abweichung im Gesetz wäre aber noch effektiver gewesen“, erläutert Maximilian Schmidt, wissenschaftlicher Referent.

Weitere Erleichterungen betreffen Änderungen des Anlagentyps zwischen Genehmigung und Errichtung sowie Leistungserhöhungen durch reine Softwareupdates und zudem Beschränkungen des Prüfumfangs.

Auch Europa wird tätig

Auch der Rat der EU hat sich am 24. November 2022 politisch auf eine für 18 Monate geltende Notfall-Verordnung geeinigt, durch die der Ausbau der erneuerbaren Energien als Reaktion auf die Invasion der Ukraine durch Russland und die dadurch ausgelöste Energiekrise beschleunigt werden soll. Die Verordnung auf Basis eines Entwurfs der EU-Kommission sieht vor, dass die Realisierung Erneuerbarer-Energien-Projekte im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und beinhaltet unter anderem maximale Genehmigungsfristen für PV-Anlagen, Repowering und Wärmepumpen. Momentan wird noch an den letzten Formulierungen und Regelungen gearbeitet. Sobald dieses Verfahren beendet ist und der Rat die Verordnung beschließt, gilt diese voraussichtlich ab 1. Januar 2023 unmittelbar im deutschen Recht.

Den Energiepreisanstieg bremsen

Aber nicht nur die Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus steht aktuell im Fokus. Daneben richtet sich das Augenmerk auf das Abbremsen des Energiepreisanstiegs. Hier hat der Rat der EU am 6. Oktober 2022 eine Notfall-Verordnung verabschiedet.

Der Rat der EU konnte sich auf eine Notfall-Verordnung einigen. Diese besagt, dass die Realisierung Erneuerbarer-Energien-Projekte im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt.

Die Verordnung enthält ein Bündel an Maßnahmen, doch die Debatte in Deutschland hat sich schnell auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur temporären Abschöpfung von Mehrerlösen der Stromerzeuger oberhalb der Obergrenze von 180 EUR/MWh sowie die Verteilung der hierdurch erzielten staatlichen Einnahmen konzentriert.

In Deutschland wird die Abschöpfung solcher kriegs- und krisenbedingter „Überschusserlöse“ und deren Verteilung im Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) umgesetzt, das sich momentan im parlamentarischen Verfahren befindet und nach seinem Inkrafttreten die Überschusserlöse der Stromerzeuger rückwirkend zum 1. Dezember 2022 abschöpfen soll. „Bei der konkreten Abwicklung der Abschöpfung macht Deutschland stark von den Spielräumen Gebrauch, die die EU-Verordnung den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Anwendung der Obergrenze belässt“, erläutert Dr. Markus Kahles, Co-Leiter des Forschungsgebiets Recht der erneuerbaren Energien und Energiewirtschaft. So soll es statt einer einheitlichen Obergrenze technologiespezifisch unterschiedliche Obergrenzen geben.

Auch die Art und Weise sowie die Berechnungsgrundlagen der Abschöpfung können unterschiedlich sein. Die Abwicklung der Abschöpfung für die unterschiedlichen Stromerzeuger auf unterschiedlichen Strommärkten und mit gegebenenfalls unterschiedlichen Stromlieferverträgen ist regelungstechnisch komplex. Hinzu kommt, dass sowohl die Obergrenzen als auch die Verteilung der Einnahmen an Unternehmen am EU-Beihilfenrecht zu messen sind und somit durch die EU-Kommission genehmigt werden müssen.

Entlastungen beim Gas

Entlastungen soll es auch beim Gaspreis geben. Dazu hat die Bundesregierung die „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ eingesetzt, die Ende Oktober 2022 ihre Empfehlungen vorgelegt hat. Zentrales Element: Die Gaspreisbremse, nach der alle Gasverbraucher – mit Ausnahme von Gaskraftwerken – für ein bestimmtes Kontingent ihres Gasverbrauchs einen staatlicherseits „gedeckelten“ Gaspreis erhalten sollen. Aber auch mit Blick auf nachfragesenkende Maßnahmen macht die Kommission umfangreiche Vorschläge. „Flankierende Maßnahmen“ sollen sicherstellen, dass Härtefälle aufgefangen werden und die Gaspreisbremse nicht missbraucht werden kann.

„Die Beratungen zu einem derart komplexen Thema in einer so vielfältig besetzten Kommission – und dann auch noch unter hohem Zeitdruck – waren sehr anspruchsvoll. Geprägt waren sie häufig von der ,Macht des Faktischen‘, also von der Frage, was in welcher Zeit überhaupt umsetzbar ist“, berichtet Dr. Thorsten Müller von seiner Zeit als Kommissionsmitglied. „Trotz alldem ist es gelungen, ein sehr pragmatisches Ergebnis, welches den verschiedenen Zielsetzungen der Kommission – Entlastung der Gasverbraucher einerseits, fortbestehende Anreize zum Energiesparen andererseits – zu erarbeiten“, so Müller, der als einer von neun Wissenschaftlern und einziger Jurist in die Kommission berufen worden war. Für die Zukunft hat die Kommission der Bundesregierung aber mehrere Aufträge aufgegeben: So fordert sie zum Beispiel die Bundesregierung auf, die Voraussetzungen zu schaffen, um Bürger direkt entlasten zu können, anstatt den umständlichen Weg über die Versorger gehen zu müssen.

Neben der Umsetzung dieser Kurzfristmaßnahmen wird es nun darum gehen, auch mittel- und langfristig die Weichen zu stellen, um unabhängig von fossilen Importen zu werden. Ein neues Marktdesign gehört dazu ebenso wie ein Durchbruch bei der Wärmewende und eine belastbare wie integrierte Infrastruktur. Was die Stiftung hier beitragen kann, werden wir Ihnen ausführlich im neuen Jahr vorstellen.