Das Windenergierecht in Zeiten des Übergangs
Übergänge prägen die aktuelle Diskussion um die Fortentwicklung des Windenergierechts gleich mehrfach: Das Ende der Ampel-Regierung hat zahlreiche Gesetzgebungsvorhaben kalt erwischt, nicht zuletzt die Umsetzung der Beschleunigungsgebiete ins deutsche Recht verhindert. Auch bei der Flächenbereitstellung für die Windenergie blickt man inzwischen auf den Übergang, wenn in den Ländern die Flächenziele erreicht werden. Die Stiftung Umweltenergierecht begleitet diese politischen und rechtlichen Diskussionen und bereitet sich darauf vor, auch in der neuen Legislaturperiode Optionen für rechtliche Lösungen aufzuzeigen.
„Beschleunigungsgebiete sollen Erleichterungen in den Zulassungsverfahren bringen und diese beschleunigen, indem in diesen Gebieten die Umweltverträglichkeitsprüfung entfällt und die Artenschutzprüfung vereinfacht wird“, erklärt Frank Sailer, Forschungsgebietsleiter und Mitautor des hierzu erschienen Würzburger Berichts vom 10. Oktober 2024. Die Beschleunigungsgebiete sollen damit verstetigen, was Art. 6 EU-Notfall-Verordnung bereits befristet in ähnlicher Form ermöglicht hat. Dessen zeitlicher Anwendungsbereich sowie der seiner Umsetzung durch § 6 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) sind jedoch begrenzt. Nur noch bis Ende Juni 2025 können Anträge auf dieser Basis gestellt werden.
Beschleunigungsgebiete und die Angst vor der Lücke
Erste Schritte, um auch für die Zeit danach vorzusorgen, hat der Gesetzgeber bereits unternommen. So wurden bestehende Windenergiegebiete per gesetzgeberischem „Knopfdruck“ im Rahmen des „Solarpakets“ als Beschleunigungsgebiete anerkannt. Damit in diesen Gebieten auch nach Mitte 2025 durchzuführende Zulassungsverfahren in den Genuss von Erleichterungen kommen, fehlt es jedoch am notwendigen Zulassungsrecht, das Verfahrenserleichterungen in den Beschleunigungsgebieten umsetzt. Da die zuzulassenden Projekte schon in der Planung sind, ist die Unsicherheit bei Projektierern groß, welche Daten zu erheben und welche Gutachten einzuholen sind. Geht man auf Nummer sicher und verzichtet auf einen Teil der erhofften Beschleunigung? Oder geht man ins Risiko und setzt auf eine rechtzeitige Umsetzung der nötigen Regelungen?
Nichts ändern würde dies daran, dass künftige Windenergiegebiete nicht automatisch auch Beschleunigungsgebiete sind. Damit sie es werden, müssten nach bisherigen Gesetzentwürfen die Planungsträger diese zusätzlich als Beschleunigungsgebiete ausweisen und Minderungsmaßnahmen für mögliche Umweltauswirkungen festlegen.
Auf die rechtlichen Grundlagen können die Planungsträger jedoch nicht warten. Die Fristen des WindBG zur Umsetzung der Flächenziele sitzen ihnen im Nacken. Planungsträgern wird es in immer mehr Fällen nicht möglich sein, die Ausweisung der notwendigen Windenergiegebiete auch als Beschleunigungsgebiete in laufende Verfahren zu integrieren. Zusätzliche Verfahren werden so erforderlich und damit droht die Lücke bis zum Vorliegen neuer Beschleunigungsgebiete größer zu werden.
Die Angst vor der Lücke scheint vor diesem Hintergrund sehr begründet. Nachdem die Stiftung Umweltenergierecht auf Verbesserungspotenziale schon in den bisherigen Gesetzentwürfen in einer Stellungnahme für den Bundestag hingewiesen hat, werden wir nach den nun eingetretenen Verzögerungen untersuchen, inwieweit der Gesetzgeber hier noch für Erleichterungen sorgen kann. Eine weitere Verlängerung von Art. 6 EU-Notfall-VO erscheint verlockend, würde aber ein Handeln auf europäischer Ebene voraussetzen und den deutschen Gesetzgeber trotzdem nicht aus der Verantwortung lassen, auf Dauer angelegte Regelungen zu schaffen.
Harter Schnitt oder sanfte Landung nach der Umsetzung von Flächenzielen?
Gestaltet werden sollte auch der Übergang bei der Flächenbereitstellung für die Windenergie. In den Ländern haben die zuständigen Planungsträger damit begonnen, die Flächenziele des WindBG in Planungsverfahren umzusetzen. Der neu eingeführte Steuerungsmechanismus sieht vor, dass mit Erreichen dieser Ziele in den Ländern bzw. Regionen oder Kommunen außerhalb der Windenergiegebiete eine Entprivilegierung eintritt und Windenergievorhaben dann dort nicht mehr zulassungsfähig sind.
Je näher dieser Moment rückt, umso größer werden jedoch die Sorgen sowohl auf Seiten der Projektierer als auch auf der Seite einiger Länder und Behörden: Projektierer fürchten, dass geplante Vorhaben nicht rechtzeitig genehmigt werden, die Flächenziele erreicht und ihre Investitionen dadurch stranden könnten. Einzelne Länder sehen in der Entprivilegierung dagegen ein „rettendes Ufer“ um zu verhindern, dass allzu viele Windenergieanlagen außerhalb der künftigen Windenergiegebiete entstehen.
Ein Beschluss des OVG Münster, der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit landesrechtlicher Plansicherungsinstrumente aufkommen ließ, hat zudem den Handlungsdruck bei der Politik erhöht, Abhilfe zu schaffen und die räumliche Steuerung zu stärken. Hinzu kommen bei Behörden Befürchtungen haftungsrechtlicher Natur, wenn Anträge nach den Fristen des Zulassungsrechts bereits hätten beschieden werden müssen und diese durch Entprivilegierung in Folge des Erreichens der Flächenziele ihre Zulassungsfähigkeit verlieren könnten.
„Es bleibt abzuwarten, ob sich der Bundestag in der aktuellen Legislaturperiode noch zu einem rechtlichen Ausgleich der gegensätzlichen Interessen durchringen kann“, so Dr. Nils Wegner, der die planungsrechtlichen Arbeiten bei der Stiftung als Forschungsgebietsleiter koordiniert. „Tut er dies nicht, dürften durch bloßen Zeitablauf Fakten geschaffen werden.“ Um den gesamten Prozess der Umsetzung der Flächenziele des WindBG in den Ländern noch enger zu begleiten, bereitet die Stiftung Umweltenergierecht ein neues Vorhaben vor, das Anfang 2025 starten soll und hierzu laufende Arbeiten bündeln und fortführen wird.
Totalschaden oder nur ein Stottern im Getriebe der Zielabweichung?
Dem Übergang zu mehr Flächen durch neue Pläne sollte zuletzt auch in verschiedenen Konstellationen das raumordnungsrechtliche Instrument der Zielabweichung dienen. Dieses eröffnet im Einzelfall ein Abweichen von Vorgaben geltender Raumordnungspläne, die in der Vergangenheit den Wind- und PV-Freiflächenausbau vielfach restriktiv steuerten. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom September 2023 stellt jedoch die Eignung von Zielabweichungen zu diesem Zweck in Zweifel. Danach seien die europarechtlichen Vorgaben zur Durchführung strategischer Umweltprüfungen auch hier zu beachten. Funktional handele es sich bei der Zielabweichung um eine Planänderung, die bei der Möglichkeit erheblicher Umweltauswirkungen nach einer Umweltprüfung verlange – die im Gesetz bislang aber nicht vorgesehen ist.
In wie vielen Fällen dies die Windenergie betrifft, ist nicht ganz klar. Dies liegt auch an der unterschiedlichen Praxis in den Ländern, Zielabweichungen zuzulassen, um die Ausschlusswirkung noch bestehender Konzentrationszonenplanungen zu überwinden. Auch die sogenannte Gemeindeöffnungsklausel basiert auf dem Instrument der Zielabweichung. Sie soll Gemeinden eine zusätzliche Ausweisung von Flächen für die Windenergie auch in den Ländern ermöglichen, wo die kommunale Ebene nicht zur Umsetzung der Flächenziele des WindBG zuständig ist. Auch die Gemeindeöffnungsklausel dürfte deshalb von der Entscheidung betroffen sein.
Zu einem gewissen Stottern bei der Gestaltung des Übergangs zu neuen Plänen mit mehr Flächen für die Windenergie könnte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts deshalb allemal führen. Anfang 2025 sollen in einer Würzburger Studie die Entscheidung des Gerichts und ihre Auswirkungen für Windenergie- und auch Photovoltaikausbau ausführlich analysiert werden. „Ein Totalschaden dürfte hier nicht drohen“, so Steffen Benz, Mitautor der Studie. „Wir wollen aber zeigen, wie auch ein Stottern im Getriebe gesetzgeberisch behoben werden könnte.“