Leinen los und volle Windkraft voraus?
Derzeit wird an vielen rechtlichen Stellschrauben gedreht, um den erforderlichen Ausbau der Windenergie zu beschleunigen. Zeit also für einen kurzen Überblick über bereits beschlossene, laufende sowie geplante oder noch erforderliche gesetzgeberische Vorhaben auf deutscher und europäischer Ebene.
Seit Jahren stockt der Ausbau der Windenergie in Deutschland und erreichte auch zuletzt bei Weitem nicht das zur Erreichung der Klimaschutzziele erforderliche Ausmaß. Parallel dazu gibt es eine ausgeprägte Diskussion über verschiedene Ansätze zur Beschleunigung dieses Ausbaus. Mittlerweile sind erste gesetzgeberische Maßnahmen verabschiedet worden sowie weitere in Planung – und das nicht nur auf deutscher, sondern auch auf europäischer Ebene. Die Stiftung Umweltenergierecht begleitet diese Prozesse im Rahmen verschiedener Projekte und beteiligt sich an der parallel stattfindenden wissenschaftlichen Diskussion.
Das Osterpaket als erster Schritt
Das als Osterpaket bezeichnete Bündel erster Maßnahmen wurde nun kurz vor der Sommerpause vom Parlament beschlossen. Es besteht im Hinblick auf den Ausbau erneuerbarer Energien aus folgenden wesentlichen Bausteinen: einer Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG), dem Wind-an-Land-Gesetz sowie einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Bereits im Juli hatte die Stiftung Umweltenergierecht im Rahmen der Webinarreihe „Was steckt im Osterpaket?“ einen Überblick und erste Einschätzungen abgegeben.
Ein zentrales Element der EEG-Novelle ist die gesetzliche Klarstellung, dass die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen (§ 2 EEG). Das bringt mehr Rechtssicherheit und stellt klar, dass EE-Anlagen im Rahmen von Abwägungsentscheidungen ein besonders hohes Gewicht beizumessen ist und sie dadurch gegenüber anderen öffentlichen Belangen, wie zum Beispiel Arten- oder Denkmalschutz, gestärkt werden. Diese Belange treten zwar gerade nicht pauschal hinter die Interessen am EE-Ausbau zurück. Das Abwägungsergebnis ist aber in eine bestimmte Richtung vorgezeichnet („pro-EE“ im Sinne eines relativen, nicht aber absoluten Vorrangs).
Das Wind-an-Land-Gesetz ist ein Artikelgesetz, das heißt, ein Gesetz, mit dem gleichzeitig mehrere Gesetze erlassen und/oder geändert werden. Es enthält das neue Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sowie hiermit verbundene Änderungen des Baugesetzbuches (BauGB), des Raumordnungsgesetzes (ROG) und des EEG. Ausgehend von dem Ziel, 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie auszuweisen, schreibt das WindBG jedem Bundesland konkrete Mindest-Flächenbeitragswerte vor, die in zwei Schritten – bis Ende 2027 und dann bis Ende 2032 – zu erreichen sind. „Dadurch wird das von der Rechtsprechung entwickelte Gebot, der Windenergie substanziell Raum zu verschaffen, durch klare gesetzliche Vorgaben abgelöst – auch wenn diese erst spät greifen. Hinzu kommen Vereinfachungen bei der Planungsmethodik: Positivplanungen ersetzen künftig die bisherigen Konzentrationszonenplanungen. Hierdurch wird die Flächenausweisung für die Windenergie gestärkt und potenziell auch beschleunigt“, erläutert Dr. Nils Wegner, Projektleiter im Forschungsgebiet Energieanlagen- und Infrastrukturrecht.
Die parallel vorgenommene BNatSchG-Novelle zielt insbesondere darauf ab, die Prüfung des artenschutzrechtlichen Tötungs- und Verletzungsverbots im Zusammenhang mit Windenergieanlagen zu standardisieren und zu vereinfachen. „Die Novelle schafft erstmals gesetzliche Konkretisierungen für die Prüfung, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko vorliegt. Auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme werden näher gesetzlich konturiert“, fasst Maximilian Schmidt, wissenschaftlicher Referent an der Stiftung Umweltenergierecht zusammen. Weitere Beschleunigung soll durch Erleichterungen beim Repowering und einer weitgehenden Öffnung von Landschaftsschutzgebieten erreicht werden. Außerdem sollen gesetzlich vorgesehene Artenhilfsprogramme einen dauerhaften Schutz insbesondere der auch durch den Ausbau der erneuerbaren Energien betroffenen Arten sicherstellen.
Kein Sommer- dafür aber ein Herbstpaket?
Als zweites Gesetzgebungspaket nach dem Osterpaket sollte ursprünglich das sogenannte „Sommerpaket“ noch vor der parlamentarischen Sommerpause vom Kabinett beschlossen werden. Dieses angedachte „Paket“ faserte allerdings schnell in verschiedene gesetzgeberische Aktivitäten aus. So wurden etwa die BNatSchG-Novelle und das Wind-an-Land-Gesetz – wie dargestellt – bereits vorgezogen. Daneben kann die angestrebte Ausbaubeschleunigung nur durch Anpassung weiterer gesetzlicher Regelungen erfolgen. An möglichen Inhalten für ein etwaiges Herbstpaket mangelt es in jedem Fall nicht. „Einiges, wie etwa eine Reform des Luftverkehrsrechts, ist bereits im Gange, anderes ist zumindest angekündigt, zum Beispiel das Verfahrensrecht“, fasst Frank Sailer, Leiter des Forschungsgebiets Energieanlagen- und Infrastrukturrecht, den aktuellen Stand zusammen.
So wurde bereits im April vom Bundeswirtschafts- und vom Bundesverkehrsministerium ein gemeinsames Maßnahmenpapier zu den Themen Flugnavigationsanlagen und Wetterradar veröffentlicht. Wesentliche Erleichterungen, wie etwa die Reduzierung der Abstände zu Drehfunkfeuern, sollten dabei aber möglichst im Wege der Gesetzgebung erfolgen und nicht über verwaltungsinterne Anweisungen oder Vorgaben. Nur so wären sie rechtssicher und für alle Beteiligten verbindlich. Die bereits laufende Novelle des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) würde hierfür eine geeignete Möglichkeit bieten, nicht zuletzt auch für weitere, noch nicht adressierte Problembereiche, wie Konflikte mit dem militärischen Luftverkehr oder dem An- und Abflugverkehr um Flugplätze (Stichwort „Platzrunde“).
Eine weitere Baustelle ist das Verfahrensrecht. Hier wird Vieles diskutiert, etwa strengere Fristenregelungen, eine Straffung der oft langwierigen Einbindung der Fachbehörden oder ein verstärkter Einsatz von Projektmanagern. Auch Anpassungen im Bereich gerichtlicher Verfahren zeichnen sich ab, wie ein aktueller Entwurf des Bundesjustizministeriums zur „Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich“ zeigt.
Ein stimmiges Gesamtkonzept zur Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie muss in jedem Fall neben dem Bundes- auch das Landesrecht in den Blick nehmen. Hier ist insbesondere das Denkmalschutzrecht hervorzuheben. Für die Frage, ob eine Windenergieanlage die Umgebung eines Denkmals beeinträchtigt, fehlt es gänzlich an gesetzlichen Standards. Die hieraus folgende Planungs- und Rechtsunsicherheit bildet ein zunehmendes Hemmnis im Rahmen von Genehmigungsverfahren. Aktuelle Entwicklungen in Bayern stimmen insoweit zuversichtlich. So soll dort das Erfordernis einer denkmalschutzrechtlichen Prüfung auf 100 besonders schützenswerte Denkmäler beschränkt werden.
Entwicklungen auf europäischer Ebene: „go-to“-Gebiete
Eine vor dem Hintergrund der Beschleunigungs-Debatte besonders interessante Entwicklung auf europäischer Ebene ist der REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission. „Es handelt sich um ein Paket verschiedener Instrumente, die als Konsequenz auf den Ukrainekrieg darauf abzielen, die Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen zu beenden“, sagt Fabian Pause, Leiter des Forschungsgebiets Europäisches Umweltenergierecht. „Hervorzuheben sind hierbei die in den Änderungsvorschlägen zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie enthaltenen go-to-Gebiete für erneuerbare Energien.“
In diesen Gebieten sollen besondere Erleichterungen für die Genehmigung von EE-Anlagen gelten. So soll etwa auf Ebene der Zulassung regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Projekte im Einklang mit den europäischen Umweltvorgaben stehen und die maximale Dauer von Genehmigungsverfahren ein Jahr betragen. Bei erfolglosem Ablauf dieser Frist gilt die Genehmigung ohne weitere Prüfung als erteilt (Genehmigungsfiktion). Diesen wichtigen Punkten hat die Stiftung ein Online-Seminar in der Reihe „Green Deal erklärt“ gewidmet.
In der Beschleunigungsdiskussion hat die Idee der „go-to“-Gebiete verständlicherweise viel Anklang gefunden. „Wichtig ist, dass wir die europäische und deutsche Ebene stets verschränkt denken“, sagt Frank Sailer. „Der Vorschlag lässt aber noch einiges offen und wirft etliche Fragen auf. Auswahlkriterien für Flächen sind zum Beispiel bisher lediglich für Photovoltaik genannt, etwa Dächer, Verkehrsinfrastrukturflächen und Parkplätze, nicht aber für die Windenergie.“ Der bisherige Entwurf wird daher in unterschiedlicher Hinsicht ergänzt und weiterentwickelt werden müssen. Hier auch rechtswissenschaftlich anzusetzen und den weiteren Gesetzgebungsprozess zu unterstützen, ist für die Stiftung Umweltenergierecht von besonderer Bedeutung.
Fazit: Weiter Fahrt aufnehmen!
Die aktuellen Entwicklungen stimmen durchaus positiv. Sowohl das Artenschutzrecht als eines der größten Hemmnisse für die Genehmigungserteilung als auch das Thema der Flächenausweisung wurden vom Gesetzgeber adressiert. Es besteht jedoch noch einiger Nachbesserungsbedarf und viele Probleme sind noch gar nicht angegangen. Gerade die BNatSchG-Novelle verschiebt Vieles zunächst nach hinten (etwa Habitatpotenzialanalyse, Probabilistik) und regelt andere relevante Bereiche noch gar nicht (zum Beispiel Störungsverbot, Beeinträchtigungen von Fledermäusen, Erfassung von Brutplätzen). Hier wird erst die Praxis zeigen, in welchem Umfang die geschaffenen Neuregelungen wirklich zur Beschleunigung und Vereinfachung beitragen. Dennoch sind erste Schritte getan. Es gilt jetzt umso mehr, weiter am Ball zu bleiben, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene und insbesondere auch die effektive Verzahnung beider Ebenen im Blick zu behalten. Nur dann lässt sich die angestrebte Beschleunigung auch tatsächlich erreichen! Die Stiftung Umweltenergierecht wird auch hierzu weiter forschen und sich einbringen.