Die Wärmewende gewinnt an Dynamik
Spätestens mit dem Angriff auf die Ukraine steht eine Frage noch drängender im Raum als bisher: Wie kommen wir weg von fossilen Energieträgern, auch und vor allem im Wärmesektor? Schon bislang war der Heizungskeller ein Sorgenkind der Energiewende, die zu lange nur als Stromwende gedacht und behandelt wurde. Das hat sich jetzt geändert.
Mit Antritt der neuen Bundesregierung hat sich im Wärmesektor in bisher nicht gekannter Breite ein neues Handlungsfeld mit viel Forschungs- und Beratungsbedarf aufgetan. Man könnte sagen: Gearbeitet wird nicht mehr für Konzeptpapiere, sondern für das Bundesgesetzblatt. Die Wärmewende soll nicht nur über Förderprogramme angereizt werden, sondern auch mit Instrumenten angegangen werden, die auf Regulierung und Ordnungsrecht setzen.
Erste Schritte, weitere folgen
Im ersten Schritt wird das sogenannte „Effizienzhaus 55“ , das nur 55 Prozent der Energie eines Referenzgebäudes verbraucht, zum Standard für alle Neubauten. Das bedeutet gleichzeitig: Gefördert wird künftig nur noch, was darüber hinausgeht. Zur Umsetzung dieser Maßnahme hat die Stiftung Umweltenergierecht zusammen mit anderen Forschungspartnern das BMWK beraten. In dem Vorhaben zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) und zur neuen EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) arbeiten wir darüber hinaus an einer Vielzahl von Instrumenten, die auf die Dekarbonisierung des Wärmesektors bis 2045 zielen.
Dabei werden auch dicke Bretter angegangen, wie etwa die im Koalitionsvertrag festgelegte Marge eines Einsatzes von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien bei jeder neuinstallierten Heizung. „Wir entwickeln nicht nur neue Instrumente mit, sondern durchleuchten das GEG mit unseren Forschungspartnern auch in seinem bisherigen Bestand: Was muss sich durch neue EU-Vorgaben ändern? Was sollen und können Quartiere leisten? Wo gibt es Verbesserungsbedarf beim Gesetzesvollzug?“, berichtet Dr. Hartmut Kahl, der das Vorhaben bei der Stiftung leitet.
Kommunen bei der Wärmewende unterstützen
Ein weiteres Thema, zu dem die Stiftung arbeitet, ist die kommunale Wärmeplanung. Um die Klimaschutzziele auch auf lokaler Ebene umzusetzen, müssen den Kommunen Werkzeuge an die Hand gegeben werden. Mit der kommunalen Wärmeplanung soll dies – nach dem Willen der neuen Bundesregierung sogar bundesweit – gelingen. Da Baden-Württemberg bereits 2020 seine größeren Kommunen zur Aufstellung von Wärmeplänen verpflichtet hat, stellt sich hier jetzt auch die Frage, wie die Ziele und Inhalte der Wärmepläne tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden können. Damit beschäftigt sich die Stiftung in dem Vorhaben „Kommunale Wärmeleitplanung“. „Wir untersuchen etwa, wie man mit Wärmeplänen nicht nur Papier produziert, sondern diese mit den Mitteln des Bauplanungsrechts oder des besonderen Städtebaurechts rechtsverbindlich macht“, sagt Projektleiter Oliver Antoni.
Als ein Ergebnis der Arbeiten wurde jüngst eine Würzburger Studie veröffentlicht, die das Spannungsfeld zwischen kommunaler Wärmeplanung und dem Rechtsrahmen zur Vergabe von Gasnetzkonzessionen beleuchtet. Julian Senders, Autor der Studie, resümiert: „Eine Reform des Rechts der Konzessionsverträge sollte ernsthaft ins Auge gefasst werden, um die Handlungsspielräume der Gemeinden zu erweitern.“ So könnten etwa die Regelungen zum sogenannten Nebenleistungsverbot abgeschwächt werden, um Klimaschutzaspekte, die bisher eben noch als unberücksichtigt bleibende Nebenleistung gelten, bei der Vergabe von Konzessionen zu berücksichtigen. Um die Gasabhängigkeit zu reduzieren, könnte auch darüber nachgedacht werden, die Pflicht der Gasnetzbetreiber zu Anschluss und Versorgung von Endkunden zu reformieren. Hierdurch würde die Stilllegung von Gasnetzen erleichtert.
Es zeigt sich: Bis der Wärmesektor auf Klimakurs ist, sind noch viele Schritte zu gehen. Bei der Entwicklung des passenden Rechtsrahmens dafür ist die Stiftung aktiv und in Echtzeit dabei.