Fit für 22 Gigawatt Photovoltaik pro Jahr – Rahmenbedingungen für PV im Fokus

Der Ausbau der Photovoltaik schreitet voran, kurzfristig dürften die Ausbauziele gar übertroffen werden. Zugleich schicken sich die gesetzgebenden Institutionen an, den Rechtsrahmen für die PV weiterzuentwickeln und für 22 Gigawatt pro Jahr fit zu machen, unter anderem in Baugesetzbuch und Raumordnungsgesetz. Die Stiftung Umweltenergierecht analysiert die angekündigten Neuerungen – nicht nur im Rahmen der 26. Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht – und forscht zu weiteren Fragen.

Aktuell liegen gleich mehrere Regelungsvorschläge für den PV-Bereich in unterschiedlichen Stadien der Gesetzeswerdung vor. Sie sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen so anpassen, dass das Ziel von 22 Gigawatt PV pro Jahr erreicht werden kann. Zwei zentrale Baustellen sind die Kabinettsentwürfe zur Änderung des Baugesetzbuchs und des Raumordnungsgesetzes. Hier stehen die Aspekte Beschleunigung und Mehrfachnutzung im Vordergrund.

Quo vadis Solarenergie- und Beschleunigungsgebiete

Die Beschleunigungsgebiete sind europäisches Recht. Dass sie nach den Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auch für die Solarenergie umzusetzen sind, ist durch den Fokus auf den Windbereich etwas aus dem Blick geraten. „Angesichts des nun vorliegenden Gesetzentwurfs bleiben jedoch Fragezeichen: Der Nutzen von Beschleunigungsgebieten für Solarenergieprojekte ist weit weniger einsichtig und ihre Implementierung ins nationale Recht voraussetzungsvoller, weil ein natürlicher Anknüpfungspunkt im bisherigen System fehlt“, erklärt Dr. Nils Wegner, Leiter des Forschungsgebiets Planungs- und Genehmigungsrecht bei der Stiftung Umweltenergierecht.

Beschleunigungsgebiete sind nicht nur für den Windbereich in deutsches Recht umzusetzen, sondern auch für PV. (Foto: Bilanol/ iStock)

 

 

 

 

 

 

 

Verzichtet werden kann in Beschleunigungsgebieten auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie die FFH-Verträglichkeitsprüfung. Eine Vereinbarkeit wird zudem mit dem europäischen Habitat- und Artenschutz und auch mit wasserrechtlichen Anforderungen gesetzlich vermutet – und nur noch ein „Screening“ für diese Güter durchgeführt. Das kann zu Erleichterungen führen, betrifft aber Themen, an denen bislang kaum ein Freiflächenvorhaben je gescheitert ist.

Das neue Instrument der Solarenergiegebiete

Ob es zu einer Beschleunigung von PV-Vorhaben kommt, dürfte zudem davon abhängen, inwieweit Erleichterungen auf Genehmigungsebene von erhöhten Anforderungen auf Planungsebene aufgezehrt werden. Neben der dort ohnehin durchzuführenden strategischen Umweltprüfung müssten sich Planungsträger auch über Minderungsmaßnahmen Gedanken machen, wenn sie ein Beschleunigungsgebiet ausweisen wollen. Wenn – denn gezwungen sind sie hierzu, anders als im Windenergiebereich, nicht. Auch dort, wo sich Planungsträger gegen die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten entscheiden, könnten sie aber das ebenfalls angekündigte neue Instrument der Solarenergiegebiete nutzen, um zu beschleunigen.

Primär als Ergänzung für die Flächennutzungsplanung vorgesehen, sollen Solarenergiegebiete die Entwicklung eines oder mehrerer Standorte im gesamten Gemeindegebiet ermöglichen, ohne dass es im Anschluss noch der Bebauungsplanung bedarf. Solarenergiegebiete sollen so die „Einsparung“ einer Planungsebene im gestuften System ermöglichen. Zwar sind solche Gebiete nicht mehr als exklusiver Anknüpfungspunkt für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten vorgesehen. Eine Art Bestenauswahl von Standorten unter Umweltgesichtspunkten ist jedoch vor allem hier und nicht auch bei den ebenfalls anknüpfungsfähigen Bebauungsplänen und unbeplanten Innenbereichsstandorten möglich. Da Solarenergiegebiete jedoch im Wege der Angebotsplanung entstehen, könnte am Ende die ganz praktische Frage Bedeutung erlangen, ob die Planungsträger entstehende Planungskosten auf Vorhabenträger abwälzen können. Der Gesetzentwurf schweigt hierzu.

Solarenergiegebiete als Gefahr für kommunale Planungshoheit?

Weitergehende Möglichkeiten würde zudem die Umsetzung von Solarenergiegebieten auch auf Raumordnungsebene eröffnen, wie es im aktuellen Entwurf der Bundesregierung den Ländern ermöglicht wird. Als Anknüpfungspunkt für Beschleunigungsgebiete könnte wegen des größeren Suchraums hier eine echte Bestenauswahl stattfinden, sowie mit einem einzigen Planungsverfahren eine Vielzahl an Verfahren der kommunalen Bauleitplanung eingespart werden.

Solarenergiegebiete auf Raumordnungsebene und kommunale Planungshoheit lassen sich miteinander vereinbaren, wenn die Länder sie entsprechend umsetzen. (Foto: Gyuszko/Depositphotos)

 

„Was jedoch die Stärke dieses Ansatzes zu sein scheint, dürfte zugleich erhebliche Widerstände erzeugen: Solarenergiegebiete auf Raumordnungsebene haben das Potenzial, die kommunale Planungshoheit zu beschränken und diese Ebene zu überspielen“, so Dr. Nils Wegner. Das könne nicht nur zu Akzeptanzverlusten vor Ort führen, sondern berge auch das Risiko, dass etwa Eigentumsverhältnisse und Netzanschlussmöglichkeiten bei der Planung nicht ausreichend berücksichtigt würden.

Der Reiz dieser Kompetenzübertragung auf die Länder könnte allerdings darin liegen, dass sich mit ihrer Hilfe mittel- und langfristig eine Form der Mengensteuerung umsetzen ließe, die sich vom rigiden top-down Ansatz des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) unterscheidet und es gleichwohl nicht allein gemeindlicher Bebauungsplanung überlässt, ob nationale Ausbauziele im PV-Bereich zu erreichen sind. Im Rahmen des von Baden-Württemberg geförderten Vorhabens QuantPV-BW geht die Stiftung der Frage nach, wie eine solche Steuerung mithilfe von Solarenergiegebieten möglich wäre, ohne dabei die kommunalen Gestaltungsansprüche zu übergehen. Ergebnisse hierzu sollen noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.

Synergien durch Mehrfachnutzung von Flächen

Dass der Erfolg des PV-Ausbaus nicht nur von seiner Geschwindigkeit, sondern auch von der Lösung von Sachfragen abhängt, ruft die Diskussion um Mehrfachnutzungen ins Bewusstsein. Durch Mehrfachnutzungen sollen Synergien von PV etwa mit der Landwirtschaft oder dem Naturschutz gehoben und der Flächenverbrauch gesenkt werden. „Die Logik ist einfach: In dem Maße, wie sich PV in Kombination mit bereits bestehenden Nutzungen und Raumfunktionen umsetzen lässt, müssen nicht anderweitige Nutzungen verdrängt und noch ungenutzte Räume in Anspruch genommen werden“, sagt Dr. Nils Wegner.

Die Kombination von PV-Anlagen mit landwirtschaftlicher oder anderen Nutzungen kann den Flächenverbrauch nachhaltig reduzieren. (Foto: Senivpetro/Freepik)

 

Mit den nunmehr im Planungsrecht vorgesehenen Regelungen will der Gesetzgeber den Planungsträgern schon heute bestehende rechtliche Möglichkeiten zur Förderung von Mehrfachnutzungen vor Augen führen. Auch die geplante Regelung zur Vereinbarkeit von Windenergie- und PV-Vorhaben auf derselben Fläche besitzen überwiegend klarstellenden Charakter. Selbst wenn aber Mehrfachnutzungen in Planungsverfahren zukünftig stärker systematisch berücksichtigt würden, alle ihnen entgegenstehenden Hemmnisse entfielen dadurch nicht. Im Falle kombinierter Wind- und PV-Vorhaben dürften diese vielfach nicht nur im Planungs- und nicht einmal im öffentlichen Recht, sondern vielmehr in zivilrechtlichen Fragestellungen liegen. Auch Fragen der Netzanschlusskapazität sind hier virulent.

Bei Nutzungen auf landwirtschaftlichen Flächen stellen sich zudem nicht zuletzt erb- und schenkungssteuerrechtliche Fragen sowie solche des Agrar-Beihilfenrechts. Während bestimmte Formen der Agri-PV hier bereits adressiert werden, scheitern stärker extensiv ausgerichtete Formen landwirtschaftlicher Nutzungen nicht selten an hier bestehenden Hemmnissen. Mithilfe der neu gewonnenen Möglichkeiten der institutionellen Förderung will die Stiftung den Blick weiten und dem Gesetzgeber Regelungsoptionen auch in solchen Bereichen aufzeigen.

Fazit: Viel in Bewegung im PV-Bereich

Mit den angekündigten Neuerungen in Baugesetzbuch und Raumordnungsgesetz sollen bereits einige Punkte aufgegriffen werden, die den PV-Ausbau beschleunigen könnten. Dazu kommen weitere geplante oder bereits umgesetzte Vorhaben, wie die Beschleunigung des Ausbaus von Balkonkraftwerken oder die Vereinfachung des Energy Sharings. Auch der Anwendungsbereich der kürzlich im Förderrecht eingeführten ökologischen Mindestkriterien für PV-Anlagen soll nachjustiert werden. Es ist viel in Bewegung – und die Stiftung wird die aktuelle Entwicklung genau im Auge behalten.