Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
dass sich der Rechtsrahmen der Energiewende dynamisch ändert, ist vermutlich ein unvermeidbares Charakteristikum dieses tiefgreifenden Transformationsprozesses. Bis der Verfassungsauftrag Klimaneutralität umgesetzt sein soll, ist das verbleibende Zeitfenster sehr klein und es muss entsprechend schnell gehen. Auch ist gut nachvollziehbar, dass die erforderlichen Reaktionen auf die jüngsten Energiekrisen die Änderungstiefe und -geschwindigkeit noch einmal erheblich gesteigert haben.
Aber nun scheint sich dieses Tempo nicht wieder auf „Normalmaß“ zu reduzieren, sondern sogar weiter zu beschleunigen. Der „Herbst der Entscheidungen“ war bereits gut mit energie- und klimarechtlichen Gesetzgebungsvorhaben gefüllt – etwa der 3. EnWG-Novelle, der Umsetzung der Infrastruktur- und Beschleunigungsgebiete der EE-Richtlinie, der TEHG-Novelle und zehn weiteren laufenden Gesetzgebungsverfahren des Bundes. Auch auf Länderebene steht die Rechtsentwicklung nicht still, hier finden sich vielfältige Gesetzgebungsinitiativen, etwa zur kommunalen Wärmeplanung. Und nicht zuletzt warten wir auf die neue EU-Kommission und deren Arbeitsprogramm.
Mit der Wachstumsinitiative und dem BMWK-Optionenpapier zum Strommarktdesign sind weitere und sehr grundsätzliche Fragestellungen hinzugekommen. Absehbar war dies für die Kraftwerksstrategie und den geplanten Kapazitätsmechanismus, über deren Ausgestaltung verständlicherweise intensiv gerungen wird. Etwas überraschend mögen dagegen die Optionen zur Änderung der EE-Förderung gewesen sein. Die mit der nun primär diskutierten Option 4 verbundenen Veränderungen im EEG würden tiefer gehen als die bisher wohl am stärksten einschneidenden Anpassungen – der Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung sowie der Ausschreibungen. Erstmalig steht die Grundsystematik der EE-Förderung in Frage. Das muss nicht verkehrt sein und kann eine geeignete Antwort auf bestehende Herausforderungen sein, erfordert aber eine gründliche und ergebnisoffene Diskussion.
Für uns ergeben sich aus dem Optionenpapier und den laufenden Gesetzgebungsverfahren zahlreiche Forschungsfragen und Arbeitsansätze – die vielfältigen Änderungen und Diskussionen sind für die Rechtswissenschaft insofern ein Glücksfall. Aber auch für uns ist die schiere Masse an Neuerungen eine große Herausforderung.
Wir wollen mit unserer Arbeit an vielen Stellen Vorschläge unterbreiten, damit Regelungen klarer und dadurch besser anwendbar werden, und mit unseren Webinaren und Veröffentlichungen Licht ins Dunkel der Anwendung bringen. Daher freuen wir uns auf den weiteren Austausch mit Ihnen. Vielleicht sehen wir uns am 23./24. Oktober bei unseren 26. Würzburger Gesprächen zum Umweltenergierecht in Würzburg. Dort können Sie uns dann auch verraten, welche Fragestellung wir uns unbedingt einmal angucken sollten.
Herzliche Grüße
Ihr Thorsten Müller