„Wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen, brauchen wir eine umfassende Transformation und neues Recht in allen Bereichen“
Die Stiftung Umweltenergierecht feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Vorstand und Mitgründer der Stiftung Thorsten Müller spricht über die entscheidenden Themen der nächsten Jahre und was sich das Team für die neue Dekade vorgenommen hat.
Die Stiftung Umweltenergierecht ist nach zehn Jahren eine feste Größe in der Energiewende-Welt. 2011 war sie noch eine Idee, die während Deiner Zeit im Bundesumweltministerium entstanden ist. Kannst Du Dich noch erinnern, wie alles begann?
Na klar! Die Idee für ein Forschungsinstitut ist in einer Berliner Küche entstanden, als ich an der EEG-Novelle 2004 mitgearbeitet habe. Die damalige Erkenntnis ist nach wie vor zutreffend: Die Weiterentwicklung des Rechts ist der Schlüssel, damit Klimaschutz gelingt. Diese Rechtsentwicklung fällt aber nicht vom Himmel, sondern muss systematisch vorbereitet werden. Dafür braucht es Forschung, die sich unabhängig und mit rechtswissenschaftlichen Maßstäben den Aufgaben des Klimaschutzes widmet. Nur auf dieser Grundlage ist es möglich, dem Gesetzgeber eine allein sachorientierte Entscheidungsgrundlage zu geben und ihn darin zu bestärken, die Veränderungsschritte zu gehen.
Bis 2011 dann die Stiftung Wirklichkeit geworden ist, hat es etwas Zeit und den Umweg über die von mir initiierte Forschungsstelle am Lehrstuhl von Professor Schulze-Fielitz gebraucht. Als Fabian Pause und ich 2010 beschlossen, die Stiftungsgründung vorzubereiten und letztlich 45 weitere Mitstreiter gefunden haben, waren wir fest davon überzeugt, den richtigen Schritt zu gehen. Dass sich die Stiftung zu einer solchen Erfolgsgeschichte entwickeln würde, habe ich nicht für möglich gehalten.
In welchen Bereichen konnte die Stiftung seither besonders gut wirken?
Am häufigsten haben sich unsere Arbeiten zum EEG und dessen europarechtliche Bezüge in Entscheidungen des Gesetzgebers niedergeschlagen. Auch wenn das EEG der Ausgangspunkt unserer Forschung war, haben wir von Anfang an alle für die Energiewende relevanten Rechtsbereiche in den Blick genommen und dabei auch besonders auf die verschiedenen Wechselwirkungen geachtet. Denn nur die Analyse des Gesamtbildes ermöglicht sachgerechte Empfehlungen. Wie richtig dieser umfassende Ansatz ist, zeigt sich bei vielen aktuellen Aufgaben, egal ob es um den Ausbau der Wind- und Sonnenenergie oder neue Geschäftsmodelle und die Energiewende im Verkehrs- und Wärmebereich geht. Änderungen lassen sich nicht mehr isoliert in einem Gesetz vornehmen, es sind immer gleich verschiedene Regelungsbereiche und fast immer auch sowohl die deutsche als auch die europäische Steuerungsebene betroffen.
Dass wir mittlerweile auch in dieser thematischen Breite wirken, lässt sich an einer Beobachtung gut verdeutlichen: Wir werden zu ganz verschiedenen Gesetzgebungsverfahren im Bund, den Bundesländern, aber auch in anderen Ländern und der EU um Ideen und Ratschläge gebeten. Und zwar parteiübergreifend von verschiedenen Ministerien, Abgeordneten aller demokratischen Parteien und diversen Stakeholdern. Das ist für mich der beste Beleg dafür, dass wir als unabhängig wahrgenommen werden und uns Vertrauen entgegen gebracht wird.
2021 wird als „Superwahljahr“ beschrieben – 6 Bundesländer wählen, im September findet die Bundestagswahl statt. Was ist für das Klimaschutzrecht kurz- und mittelfristig wichtig?
Da sind zum einen ganz viele kleine Stellschrauben, die konkrete Probleme des heutigen Rechts beheben. Jedem im Energiebereich fällt sicherlich ein Aspekt ein, bei dem der Rechtsrahmen noch nicht geeignet ist, die Ziele zu erreichen. Prinzipiell sind das alles Ansatzpunkte für unsere Forschung. Wir werden bis zum Herbst für uns zentrale Rechtsfragen aufarbeiten, um dem zukünftigen Gesetzgeber seinen Handlungsspielraum und mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen.
In der kommenden Legislaturperiode wird es aber auch darum gehen, eine mit den übergeordneten Zielen vereinbare Klimaschutz-Architektur in Deutschland zu schaffen. Die Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes, der Landes-Klimaschutzgesetze und auch der Fachgesetze wie dem EEG sind bisher nicht konsistent oder zum Pariser Klimaabkommen passend. Selbst diese Ziele, ganz sicher aber ambitioniertere Ziele, dürften zudem nicht mit den bestehenden Instrumenten im Energierecht erreichbar sein. Hier wollen wir Vorschläge für die Weiterentwicklung machen.
Trotz des Superwahljahrs dürfen wir den Blick nicht auf Deutschland beschränken. Mit dem Green Deal werden in der EU gerade wichtige Entscheidungen getroffen und Strukturen geschaffen. Und die aktuellen Pläne von US-Präsident Biden zeigen, dass das Ambitionsniveau des Green Deal noch nicht der Endpunkt der Entwicklungen bis 2030 sein wird.
Nicht nur dieses Jahr ist weichenstellend. Die nächsten zehn Jahre sollen den Kurswechsel hin zu Klimaneutralität einleiten. Was trägt die Stiftung Umweltenergierecht dazu bei?
Wir werden uns auch mit ganz grundsätzlichen Aspekten befassen und Ideen für eine umfassende Überarbeitung des Rechtsrahmens machen. Das Energie- und Klimaschutzrecht ist an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr mit Veränderungen in den bestehenden Strukturen getan ist. Treibhausgasneutralität ist nicht mit dem Recht zu bekommen, das auf eine stabile Energieversorgung aus fossilen Energiequellen ausgerichtet war. Aber auch die Regelungsstrukturen, die den Einstieg in die Transformation ermöglicht haben, sind dafür nicht geeignet. Wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen, brauchen wir eine Transformation und dazu neues Recht in allen Bereichen. So können wir auch der Wirtschaft und Gesellschaft eine Perspektive geben. Es liegt also ganz viel Arbeit vor uns, auf die ich mich sehr freue.
Was braucht die Stiftung Umweltenergierecht, um sich noch effektiver einbringen zu können?
Für mich sind zwei Punkte entscheidend, damit das tolle Team der Stiftung weiter erfolgreich arbeiten kann: Stabilität und ausreichende finanzielle Ressourcen. Diese Wünsche unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht von denen anderer. Es gibt aber beim genaueren Hinsehen doch einen sehr grundlegenden Unterschied, der in der Wissenschaft begründet liegt. Um einen Mehrwert zu stiften, können wir uns immer nur an den Sachfragen ausrichten und nicht darauf achten, ob es für ein bestimmtes Gutachten gerade bei irgendjemandem eine Zahlungsbereitschaft gibt. Ansonsten würden wir von einer unabhängigen wissenschaftlichen Institution ganz schnell zu einem Interessensvertreter. Es braucht aber keine weitere Anwaltskanzlei und keinen neuen Verband, sondern eben gerade die Stiftung Umweltenergierecht. Dankenswerterweise haben wir einen großen Kreis von Unterstützern, die genau diesen Mehrwert erkennen und bereit sind, uns zu fördern. Mit einem wachsenden Unterstützerkreis und dem neuen „Energievorrat – Stiftungsfonds für gutes Klimaschutzrecht“ können wir die Voraussetzungen schaffen, um unseren Beitrag zu den kommenden Weichenstellungen und damit zum Gelingen der Energiewende erfolgreich beizutragen.