Neue Abwärmepflichten für die Industrie?

In Industrie, Kraftwerken oder sogar Rechenzentren kann bei vielen Prozessen Abwärme entstehen. Diese könnte im Sinne der Energieeffizienz oftmals vermieden, reduziert oder wiederverwendet werden. Das Energieeffizienzgesetz sieht neben den bislang schon geltenden Effizienzvorgaben im Bundesimmissionsschutzrecht potenziell neue Anforderungen an den Umgang mit Abwärme für Industrieanlagen vor. Die Stiftung Umweltenergierecht hat sich diese genauer angesehen – mit einem besonderen Fokus auf das Thema Wasserstoffherstellung.

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist neben dem Ausbau erneuerbarer Energien auch eine Reduzierung des Energieverbrauchs durch Energieeffizienzmaßnahmen erforderlich. Mit diesem Ziel wurde Ende 2023 das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) beschlossen, das unter anderem auch für Unternehmen Vorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz regelt. Ein zentraler Ansatzpunkt ist hier die Abwärme. Damit ist Wärme gemeint, die ungewollt in einem Prozess entsteht, dessen Zielsetzung die Erzeugung eines Produktes oder die Erbringung einer Dienstleistung ist.

Abwärme entsteht bei vielen industriellen Prozessen, teils in großen Mengen. Auch bei der Elektrolyse, also bei der Herstellung von Wasserstoff aus Strom, wird etwa ein Drittel des eingesetzten Stroms in (Ab-)Wärme umgewandelt. Angesichts des bevorstehenden Ausbaus der Elektrolysekapazität hat sich die Stiftung Umweltenergierecht im Rahmen des Projektes Norddeutsches Reallabor (NRL) die rechtlichen Vorgaben zum Umgang mit Abwärme näher angesehen und in einem Fachaufsatz erläutert.

Unklarheiten sorgen für Herausforderungen in der Praxis

Das Energieeffizienzgesetz verpflichtet Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch von über 2,5 GWh grundsätzlich, die in ihren Anlagen entstehende Abwärme – nach dem Stand der Technik – vorrangig zu vermeiden und zu reduzieren. Unvermeidbare Abwärme soll, sofern das technisch möglich und zumutbar ist, wiederverwendet werden.

Bei der Herstellung von Wasserstoff entsteht Abwärme. Wie sind hier die Vorgaben für den Umgang? (Foto: iStock)

 

 

 

 

 

 

 

 

Doch bei genauerer Betrachtung zeigen sich Unklarheiten im Gesetz: Aus § 16 Abs. 1 S. 1 EnEfG geht nicht klar hervor, ob neben der Abwärmevermeidungspflicht auch eine eigenständige Abwärmereduktionspflicht geregelt wurde und wie diese Pflichten abgegrenzt werden könnten. Ebenfalls unklar ist, ob beziehungsweise welche Unternehmen als Betreiber industrieller Anlagen gemäß § 16 Abs. 3 EnEfG aufgrund speziellerer immissionsschutzrechtlicher Anforderungen von den Abwärmepflichten des EnEfG ausgenommen werden.

Das liegt unter anderem daran, dass nicht eindeutig geregelt ist, welche Anlagen grundsätzlich von der Ausnahme profitieren sollen. „Speziell für Betreiber von Elektrolyseuren dürfte – trotz der unklaren Rechtslage – die Ausnahmeregelung nicht greifen, sodass für diese sowohl die Abwärmepflichten des EnEfG als auch die allgemeinen immissionsschutzrechtlichen Effizienzvorgaben Anwendung finden“, erklärt Steffen Benz, wissenschaftlicher Referent der Stiftung Umweltenergierecht.

Allerdings ist es aufgrund fehlender konkreter Maßstäbe für die Bestimmung der Abwärmepflichten fraglich, inwieweit Betreiber von Elektrolyseuren in der Praxis tatsächlich zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen. Die gegenwärtigen Regelungen zu den Abwärmepflichten stellen somit sowohl die Unternehmen als auch die Behörden vor erhebliche Herausforderungen und lassen an einem wirksamen Vollzug der Pflichten zweifeln.

Zwei Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens

Um einen effektiven Vollzug der Abwärmepflichten für industrielle Anlagen zu ermöglichen, bieten sich im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens zum Umgang mit Abwärme an.

Erstens sollte der Gesetzgeber die Unklarheiten bei der Differenzierung zwischen Vermeidung und Reduktion sowie hinsichtlich der Ausnahmeregelung für industrielle Anlagen in § 16 Abs. 3 EnEfG beseitigen. Außerdem sollten uneinheitliche Begriffsverwendungen im Zusammenhang mit der Vermeidung, Reduzierung, Nutzung bzw. (Wieder-)Verwendung von Abwärme im EnEfG vereinheitlicht werden.

Zweitens könnte der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die Abwärme- und Effizienzpflichten sowohl im EnEfG als auch im Bundesimmissionsschutzrecht konkretisieren, insbesondere wenn neben ökonomischen Anreizen zusätzlich wirksame ordnungsrechtliche Impulse für den Umgang mit Abwärme gesetzt werden sollen.

Novellierung steht bereits im Koalitionsvertrag

In ihrem Koalitionsvertrag kündigen CDU/CSU und SPD eine Novellierung des Energieeffizienzgesetzes unter der Zielsetzung der Vereinfachung an. „Diese Gelegenheit könnte als Chance genutzt werden, um das EnEfG und dabei vor allem die Abwärmepflichten des § 16 EnEfG zu überarbeiten und rechtssicher zu gestalten“, so Susanne Weber, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Umweltenergierecht.

Unabhängig davon, ob die neue Bundesregierung die aufgezeigten Weiterentwicklungsoptionen aufgreift oder nicht, werden wir die kommenden Entwicklungen im Bereich der Abwärme weiterhin intensiv verfolgen.