EU-Klimaziel 2040: Ein neuer Pfad zur Klimaneutralität

Das EU-Klimaziel 2040 ist ein entscheidender Zwischenschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050. Mit ihrem Vorschlag setzt die Europäische Kommission dabei auf mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten und vollzieht einen Paradigmenwechsel: Erstmals sollen auch Emissionsminderungsgutschriften aus Drittstaaten eine Rolle bei der Zielerreichung spielen. Bislang mussten die geforderten Treibhausgasminderungen innerhalb der EU erreicht werden. In einem neuen Projekt sehen wir uns den neuen Pfad zur Klimaneutralität näher an.

Am 2. Juli 2025 hat die Europäische Kommission (EU-Kommission) einen Gesetzesvorschlag zur Festlegung eines unionsweiten Klimazwischenziels für das Jahr 2040 vorgelegt. Danach sollen die Treibhausgasemissionen der EU bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, soll der unionsrechtliche Rahmen künftig mehr „Flexibilität“ ermöglichen. Ein Kernelement ist hier die Idee, dass Emissionsreduktionen nicht länger allein innerhalb der EU erreicht werden müssen, sondern auch internationale Gutschriften nach Art. 6 des Übereinkommens von Paris berücksichtigt werden können. Diese Abweichung von dem bisherigen Grundsatz, dass das EU-Klimaziel allein durch innereuropäische Maßnahmen („domestic only“) erreicht werden soll, stellt einen Paradigmenwechsel dar.

Aus diesem Grund hat die Stiftung Umweltenergierecht ein neues Forschungsprojekt mit dem Titel „FlexMechs – EU-Klimaziel 2040: Ausgestaltung und Flexibilisierung durch Verknüpfung zu Art. 6 des Übereinkommens von Paris“ gestartet. Ziel des Forschungsprojekts ist zum einen die rechtswissenschaftliche Analyse des EU-Klimaziels 2040. Zum anderen soll die Verknüpfung des EU-Klimaziels mit den Kooperationsmechanismen nach Art. 6 des Übereinkommens von Paris untersucht werden.

Flaggen der EU wehen vor dem Gebäude der EU-Kommission.

Im Juli 2025 hat die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag für ein EU-Klimazwischenziel 2040 vorgelegt. (Foto: Jan Kranendonk/Depositphotos)

Grundlage dafür bildet eine Untersuchung der völkerrechtlichen Anforderungen an die Nutzung dieser Kooperationsmechanismen. Insbesondere ist die konkrete Ausgestaltung des Kooperationsmechanismus nach Art. 6.4 des Übereinkommens von Paris neu und wurde noch kaum rechtswissenschaftlich durchleuchtet. Dieses Defizit soll mit dem neuen Forschungsprojekt behoben werden. Auf europarechtlicher Ebene ist die Ausgestaltung einer möglichen Flexibilisierung des europäischen Rechtsrahmens durch die Einbeziehung der Mechanismen in Art. 6 in vielen Punkten noch unbestimmt. Die Ausgestaltung einer solchen Verknüpfung soll als weiterer Schwerpunkt des vorliegenden Forschungsprojekts untersucht werden. Der erste Schritt dafür war eine grundlegende Analyse des Vorschlags der EU-Kommission vom 2. Juli 2025, die in Kürze in der UWP (Umweltrechtliche Beiträge aus Wissenschaft und Praxis) veröffentlicht wird.

Zwischenziele für Planbarkeit und Sicherheit

Der Kommissionsvorschlag sieht eine Änderung des Europäischen Klimagesetzes (Verordnung (EU) 2021/1119) vor, das die europäischen Klimaschutzziele verbindlich im Recht der EU verankert. Das zentrale Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ist dort ebenso festgeschrieben wie das Zwischenziel für 2030: Eine Minderung der Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990. Für 2040 enthielt das Europäische Klimagesetz bislang nur den Auftrag an die EU-Kommission, ein entsprechendes Ziel vorzuschlagen. Dies ist nun mit dem Vorschlag vom 2. Juli 2025 erfolgt.

„Die Zwischenziele sollen vor allem Planungssicherheit und Vorhersehbarkeit für den Zeitraum bis 2050 gewährleisten. Sie spielen daher eine wichtige Rolle als Meilensteine, die sicherstellen, dass die EU auf Kurs bleibt“, erklärt Dr. Markus Ehrmann, Leiter des Forschungsgebiets Europäisches und internationales Energie- und Klimaschutzrecht bei der Stiftung. „Zugleich bietet die Festlegung von Zielen Investoren und Unternehmen in der EU Vorhersehbarkeit und ein klares Signal für den erforderlichen Übergangspfad, um unternehmerische Entscheidungen voranzutreiben und private Investitionen zu mobilisieren.“

Regelungssystematik und Neuerungen

In Anlehnung an die Regelungssystematik zum Zwischenziel für 2030 sieht der Vorschlag für das Klimazwischenziel 2040 ein zweistufiges Vorgehen vor. Zunächst wird ein verbindliches Unionsziel festgelegt. Sodann wird die EU-Kommission beauftragt, das europäische Energie- und Klimaschutzrecht zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Es kann daher mit einem ähnlich umfassenden Reformprozess wie bei „Fit for 55“ gerechnet werden, den wir über mehrere Jahre wissenschaftlich begleitet haben. Ein „Fit for 90“-Prozess ist durchaus vorstellbar.

Zwei zentrale Neuerungen stechen in Bezug auf die Zielfestlegung besonders hervor: Erstens schlägt die EU-Kommission einen Paradigmenwechsel vor, indem sie von dem bisherigen Grundsatz der rein innereuropäischen Erreichung („domestic only“) abweichen möchte. Zweitens soll die Anrechnung negativer Emissionen auf das 2040-Klimaziel von 90 Prozent – anders als beim Ziel für 2030 – nicht mehr begrenzt werden.

Mehr Flexibilität durch Anrechnungen von Emissionsminderungen im EU-Ausland

Vor allem möchte die EU-Kommission mehr Flexibilität bei der Zieleerreichung ermöglichen. Sie schlägt hierfür drei Elemente vor, wobei die konkrete Ausgestaltung noch in späteren Rechtsakten zu konkretisieren ist.

Erstens sollen ab 2036 in begrenztem Umfang Emissionsminderungen aus Drittstaaten auf das Klimaziel für 2040 angerechnet werden können (maximal drei Prozent der EU-weiten Nettoemissionen von 1990). Grundlage dafür ist Art. 6 des Übereinkommens von Paris, der es erlaubt, Emissionsminderungen in einem Land auf das Klimaziel eines anderen Landes anzurechnen. Die konkrete Ausgestaltung – insbesondere Herkunft und Qualitätskriterien – sowie die Einzelheiten zur Anrechnungssystematik sollen unionsrechtlich noch festgelegt werden.

Rauchende Schornsteine lassen Abgase in die Luft.

Ein neues Element beim Klimazwischenziel 2040: Ab 2036 sollen in begrenztem Umfang Emissionsminderungen aus Drittstaaten angerechnet werden können. (Foto: Pixabay)

Zweitens sollen dauerhafte Entnahmen von Treibhausgasen in der EU im Europäischen Emissionshandelssystem (EU-EHS) berücksichtigt werden. Allerdings gilt dies nur für dauerhafte Entnahmen und nur zum Ausgleich von Restemissionen aus schwer zu dekarbonisierenden Sektoren. Die konkrete Ausgestaltung dieser Flexibilisierungsoption dürfte im Rahmen der anstehenden Reform der Emissionshandels-Richtlinie im kommenden Jahr geregelt werden.

Drittens soll eine stärkere sektorübergreifende Flexibilität bei der Erfüllung der Netto-Treibhausgasminderungsverpflichtungen ermöglicht werden. Dadurch sollen etwa stärkere Emissionsminderungen in den Bereichen Gebäude oder Verkehr dafür genutzt werden können, um Defizite im Landnutzungssektor (LULUCF) auszugleichen. Auch hier bleibt die konkrete Ausgestaltung künftigen Rechtsakten vorbehalten.

Entscheidung in Rat und Parlament

„Der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission stellt den Beginn des europäischen Gesetzgebungsverfahrens dar, das im September aufgrund kontroverser politischer Debatten viel Bewegung erfahren hat“, erklärt Ronja Busch, wissenschaftliche Referentin bei der Stiftung.

Für die angestrebte Änderung des Europäischen Klimagesetzes ist europarechtlich das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vorgesehen. Das Europäische Parlament und der Rat müssen also gemeinsam über den Vorschlag entscheiden. Die ursprünglich für den 18. September 2025 vorgesehene Verabschiedung einer gemeinsamen Linie im Umweltrat („allgemeine Ausrichtung“) wurde verschoben. Der Vorschlag der EU-Kommission soll zunächst auf höchster politischer Ebene beim nächsten Gipfel der Staats- und Regierungschefs (EUCO) am 23./24. Oktober 2025 erörtert werden. Dieser hat jedoch in dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren keine Befugnisse, sondern kann allein politische Leitlinien vorgeben.

Die letztverbindliche Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren ist daher im Anschluss durch den Umweltrat zu treffen. Aufgrund dieser Verschiebung hat sich auch der Zeitplan im Europäischen Parlament geändert, in dem für Anfang Oktober ursprünglich eine Abstimmung vorgesehen war. Ob und in welcher konkreten Ausgestaltung das EU-Klimaziel für 2040 verabschiedet wird, hängt damit letztlich von den politischen Mehrheiten in Parlament und Rat ab. Deutschland dürfte dem Vorschlag wohl zustimmen, da er im Wesentlichen den Anforderungen des schwarz-roten Koalitionsvertrags entspricht.