Falsche Anreize durch die Anreizregulierung?
Im Rahmen des SINTEG-Projekts „Norddeutsche Energiewende 4.0 (NEW 4.0)“ hat die Stiftung Umweltenergierecht zwei neue Studien veröffentlicht, die einen gemeinsamen Nenner haben: Die Anreizregulierungsverordnung (ARegV). Inwiefern die ARegV notwendige Digitalisierungsprozesse beim Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) und die Einbindung flexibler Lasten in das Engpassmanagement ausbremst, zeigen die Ergebnisse des NEW 4.0-Teams.
„Mit unseren beiden neuen Studien können wir darlegen, in welcher Weise die Anreizregulierungsverordnung, die sich eigentlich positiv für die Letztverbraucher auswirken soll, auch unerwünschte Nebenfolgen hat“, fasst Oliver Antoni, verantwortlicher Projektleiter im Rahmen von NEW 4.0, die wesentlichen Aspekte zusammen. Die Anreizregulierung wird herangezogen, wenn die Netzentgelte festgesetzt werden und bezweckt die Senkung der Strompreise für die Letztverbraucher. Nach der ARegV sollen Netzbetreiber dazu angereizt werden, ineffiziente Kosten Stück für Stück abzubauen.
„Unsere Studien zeigen aber, wie komplex die Anreizregulierung mit ihren vielen Vorgaben und Ausnahmen ist. Dadurch entstehen widersprüchliche Interessenlagen für Netzbetreiber, die weitreichende Konsequenzen haben können“, ergänzt Dr. Johannes Hilpert. Dies betrifft auch die Bereiche der Digitalisierungskosten sowie der Kosten für den Einsatz von zuschaltbaren Lasten, mit denen sich das NEW 4.0-Team der Stiftung Umweltenergierecht zuletzt befasst hat.
Digitalisierung versus Netzausbau?
Die Würzburger Studie „Digitalisierung und Netzausbau“ geht zunächst der Frage nach, inwiefern Netzbetreiber schon heute beim Anschluss von EE-Anlagen an ihr Netz auch digitale Lösungen statt klassischem Netzausbau einsetzen können – oder sogar müssen. Gemeint sind damit etwa die Echtzeiterfassung der Netzsituation oder andere vergleichbare Maßnahmen. „Entscheidend ist, ob es sich beim Einsatz von Digitalisierungsmaßnahmen um den sogenannten ‚Stand der Technik‘ handelt oder nicht. Aus unserer Sicht ist die Antwort klar: Digitalisierungsmaßnahmen entsprechen oftmals schon heute dem Stand der Technik“, so Anna Halbig.
Aber auch unabhängig von dieser Einordnung ist für den flächendeckenden Einsatz solcher Techniken erforderlich, dass die hiermit verbundenen Kosten im Rahmen der Anreizregulierung nicht schlechter gestellt werden als Kosten für neue Leitungen. Genau das ist bislang aber der Fall und sorgt im schlechtesten Falle sogar dafür, dass neue EE-Anlagen-Projekte nicht ans Netz angeschlossen werden können. „Problematisch wird es, wenn moderne, digitale Lösungen im Rahmen der Refinanzierung über die Netzentgelte schlechter behandelt werden als der Einsatz von Kupfer“, betont Julian Senders, „genau das ist nach dem derzeitigen Rechtsrahmen aber der Fall.“
Zuschaltbare Lasten fristen weiterhin ein Schattendasein
Während es also in der ersten ARegV-Studie um die Hemmniswirkung beim Anschluss von EE-Anlagen geht, dreht sich die zweite Studie mit dem Kurztitel „Zuschaltbare Lasten im System der Anreizregulierung“ um die Abregelung solcher Anlagen. Die Problemlage ist bekannt: Gerade im Norden Deutschlands werden in großem Stil EE-Anlagen abgeregelt, weil es andernfalls zu engpassbedingten Ausfällen kommen würde. In der Folge gehen erhebliche Mengen emissionsfrei erzeugten Grünstromes verloren – während gleichzeitig Kosten für das sogenannte Einspeisemanagement entstehen.
Eine Teil-Lösung für diese Problematik liegt im Einsatz flexibler, zuschaltbarer Lasten an geeigneten Stellen im Netz. Diese können zusätzlichen Verbrauch generieren, wenn er nötig ist und die EE-Anlagen müssen nicht gedrosselt werden. Die Stiftung Umweltenergierecht hatte gemeinsam mit Fraunhofer ISI bereits 2016 in einem Gutachten für das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein ein Konzept dazu vorgelegt. Allerdings fehlt es nach wie vor an einem ausbuchstabierten Rechtsrahmen.
„Außerdem werden die beim Netzbetreiber anfallenden Kosten für zuschaltbare Lasten auch noch schlechter behandelt als die Kosten der Abregelung von Erzeugungsanlagen – unabhängig davon, ob es sich um konventionelle oder erneuerbare Anlagen handelt“, erläutert Carsten von Gneisenau. Es genügt also im Zweifel nicht, nur über die Absenkung von Strompreisbestandteilen (SIP) auf Verbraucherseite zu diskutieren, um das flexible Zuschalten von Lasten attraktiver zu machen. Gleichzeitig müssen auch die Netzbetreiber in den Blick genommen werden: Wenn diese keinen kostenseitigen Anreiz haben, auf zuschaltbare Lasten zu setzen, werden sie auch künftig in großem Ausmaß EE-Strom abregeln.
Neue Wege für die ARegV?
Die beiden Studien zeigen einerseits, dass die ARegV als Hemmschuh für die Energiewende wirken kann und gleichzeitig wichtige Digitalisierungsprozesse behindert. Sie geben aber auch Antworten darauf, wie die ARegV so weiterentwickelt werden kann, dass die notwendigen Impulse für eine effiziente und digitalisierte Energiewende gesetzt und Fehlanreize vermieden werden können. „Wir möchten in unseren Papieren nicht nur Probleme aufzeigen, sondern auch mögliche Lösungen anbieten“, betont Oliver Antoni, „Feedback ist willkommen!“.