Stiftung nimmt den Rechtsrahmen für Systemdienstleistungen durch Erneuerbare für die Norddeutsche Energiewende unter die Lupe

Seit Dezember 2016 forscht die Stiftung Umweltenergierecht im Konsortium Norddeutsche EnergieWende (NEW 4.0) des Förderprogramms SINTEG „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ zu rechtlichen Aspekten der Transformation des Energiesystems. Ein wesentlicher Teil der Forschungsaufgaben bezieht sich dabei auf den Rechtsrahmen für Demonstrationsprojekte, wie beispielsweise Power-to-Heat-Konzepte, in der Modellregion Hamburg/Schleswig-Holstein.
Diese Projekte werden in sechs Use Cases (Anwendungsfälle) beschrieben und erprobt.

Systemdienstleistungen: Regelenergie & Co

Eine Großstadt wie Hamburg braucht viel Energie: Bei NEW 4.0 erproben die Forschungspartner in Demonstrationsprojekten wie diese Verbrauchzentren mit Erzeugungszentren in Schleswig-Holstein verbunden werden können.

Eine der großen Herausforderungen bei der Umgestaltung des Energiesystems ergibt sich aus der Tatsache, dass Aufgaben, die derzeit überwiegend noch konventionelle Kraftwerke zur Gewährleistung der Systemsicherheit und -stabilität erbringen, künftig von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen oder auch Batteriespeichern übernommen werden müssen. Diese sogenannten Systemdienstleistungen wie Regelleistung, Regelenergie, Blindleistung oder Momentanreserve sind daher auch Forschungsgegenstände in NEW 4.0, für die die Stiftung Umweltenergierecht die rechtswissenschaftliche Begutachtung übernommen hat.

Einer der ersten Schwerpunkte liegt bei der Regelenergie: Diese wird zum Ausgleich von Stromerzeugung und Verbrauch eingesetzt und je nach Aktivierungsdauer in Primärregelenergie, Sekundärregelenergie und Minutenreserve unterteilt. Der derzeitige Regulierungsrahmen für Regelenergie ist noch überwiegend an eine Anbieterstruktur aus konventionellen Stromerzeugungsanlagen angepasst. Für Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) und lastflexible Verbraucher stellen die geltenden Vorschriften und Festlegungen bisher eher eine Markteintrittshürde dar.

Neue Regeln für die Regelenergie

Um eine Teilnahme von EE-Anlagen am Regelenergiemarkt zu fördern, hat die Bundesnetzagentur für die Bereitstellung von Sekundärregelleistung und die Minutenreserve im letzten Juni neue Festlegungen veröffentlicht.

Sekundärregelung (BNetzA Az. BK6-15-158) und Minutenreserve (BNetzA Az. BK6-15-159)

Die neuen Vorgaben sind ab Juni 2018 anzuwenden und sind ein deutliches Signal für eine verstärkte Teilnahme von EE-Anlagen am Regelenergiemarkt. „Die wesentlichen Verbesserungen für EE-Anlagen liegen vor allem in der Verkürzung der Ausschreibungszyklen und Produktzeitscheiben sowie der Ausnahmeregelung für die Mindestangebotsmenge“, stellt Anna Halbig fest, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung die Festlegungen analysiert hat. Durch die Verkürzung der Ausschreibezyklen werden künftig sowohl die Sekundärregelleistung als auch die Minutenreserve kalendertäglich am Vortag des Erbringungstages ausgeschrieben. Derzeit wird die Sekundärregelleistung wöchentlich, die Minutenreserve werktäglich ausgeschrieben. Dies erleichtert den Prognoseunschärfen unterliegenden EE-Anlagen die präzisere Ermittlung ihrer Regelleistungsmengen. Des Weiteren können Anbieter dank einer Ausnahmevorschrift zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen Sekundärregelleistung und Minutenreserve bereits ab 1 MW Regelenergie anbieten. Darüber hinaus wird die Produktzeit bei der Sekundärregelleistung deutlich auf sechs Produktzeitscheiben à vier Stunden reduziert, um den schwankenden Verfügbarkeiten volatiler EE-Erzeuger Rechnung zu tragen. Da bei der Minutenreserve bereits nach aktueller Rechtslage eine Aufteilung in sechs Produktzeitscheiben erfolgt, wird mit dem neuen Beschluss weitgehend eine rechtliche Gleichstellung von Sekundärregelleistung und Minutenreserve erzielt.

Zu den weiteren Änderungen:
  • Anna Halbig, Neue Festlegungen der BNetzA zur Erbringung von Regelenergie: Marktteilnahme von EE-Anlagen soll verbessert werden, EnWZ Aktuell, 8-9/2017, VII

 Das Thema „Neue Regeln für die Regelenergie – Chance für die Erneuerbaren?“ war auch Gegenstand des Expertenworkshops „Aktuelle Fragen der Direktvermarktung“ der Stiftung Umweltenergierecht am 17. Oktober 2017, der dieses Jahr in seine vierte Auflage ging und schon 2015 die Regelenergie als künftiges zweites Standbein für die Erneuerbaren auf der Agenda stehen hatte.

Neben den Rechtsfragen zum künftigen Regelleistungsangebot werden von der Stiftung aktuell für NEW 4.0 auch weitere Systemdienstleistungen von EE-Anlagen untersucht. Dabei liegt das Augenmerk zunächst auf einer Kartierung der vorhandenen rechtlichen Regelungen des Energiewirtschaftsrechts. Auf dieser Grundlage werden dann in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern rechtlich umsetzbare Lösungen für die Praxis entwickelt.

Weitere Forschungsthemen bei NEW 4.0

Im Fokus stehen dabei nicht nur die Übertragungsnetze, sondern sich auch die Verteilnetze. Bislang werden in Engpasssituationen vorrangig Erzeugungsanlagen abgeregelt, wobei nicht selten auch EE-Anlagen betroffen sind. Über die Implementierung eines sogenannten Flexibilitätsmarktes können jedoch künftig auch Verbrauchsanlagen und Stromspeicher zur Engpassbeseitigung eingesetzt werden. Johannes Hilpert, der sich als wissenschaftlicher Referent im Projekt um dieses Thema kümmert, sieht daher in der Schaffung einer entsprechenden Koordinierungs- oder Handelsplattform für Flexibilitäten einen wichtigen Schritt bei der Weiterentwicklung des derzeitigen Energiesystems: „Hier müssen wir bildlich gesprochen die gelbe Phase der Netzampel näher ausgestalten. Das heißt, wir wollen marktbasierte Lösungen im Umgang mit Netzengpässen finden, sodass der Netzbetreiber nur noch in Ausnahmefällen auf Zwangsmaßnahmen der roten Ampelphase zurückgreifen muss.“


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