Sind die Windenergieerlasse der Bundesländer mangels Prüfung ihrer Umweltverträglichkeit rechtswidrig?

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einem Erlass der Region Wallonien wirft auch für die deutsche Rechtslage Fragen auf: Sind die bestehenden Windenergieerlasse der Bundesländer mangels Prüfung ihrer Umweltverträglichkeit rechtswidrig und was folgt aus der Entscheidung des EuGH für den künftigen Umgang mit solchen Erlassen? Die Stiftung Umweltenergierecht hat die Übertragbarkeit der EuGH-Entscheidung in einem Hintergrundpapier geprüft.

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einem Erlass der Region Wallonien wirft auch für die deutsche Rechtslage Fragen auf.

Häufig geht es in der juristischen Forschung zuallererst einmal darum, die richtige Frage zu stellen, deren Beantwortung man sich anschließend durch eine systematische Untersuchung widmen kann. Ein wichtiger Teil der Arbeit der Stiftung Umweltenergierecht ist es, solche Forschungsfragen zu entwickeln. Nicht selten aber werden Fragen auch an die Stiftung herangetragen oder – wie im vorliegenden Fall – durch eine neue Gerichtsentscheidung geradezu aufgeworfen. Bereits im letzten Oktober entschied der Europäische Gerichtshof, dass ein Erlass der Region Wallonien über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen vor seinem Inkrafttreten in einem formellen Verfahren – was nicht geschehen war – unter Einschluss einer Öffentlichkeitsbeteiligung auf seine Umweltauswirkungen hätte untersucht werden müssen. Aufgrund der darin getroffenen Festlegung von Voraussetzungen für die Zulassung von Windparks und zahlreicher Ähnlichkeiten mit den Windenergieerlassen der Bundesländer in Deutschland drängte sich die Frage nach der Übertragbarkeit der Entscheidung auf die deutsche Rechtslage auf: Müssen künftig auch Windenergieerlasse der Bundesländer im Rahmen ihrer Ausarbeitung umfangreich auf ihre Umweltauswirkungen hin untersucht und die Öffentlichkeit hieran zwingend beteiligt werden? Ist dies bislang zu Unrecht unterblieben, so könnten weder Genehmigungsbehörden noch Gerichte diese künftig weiter zur Begründung ihrer Entscheidungen heranziehen, wie es derzeit vielfach geübte Praxis ist. Die Ausarbeitung künftiger Erlasse wäre zudem mit einem erheblichen Mehraufwand belastet.

Keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung bei Windenergieerlassen

Die Stiftung Umweltenergierecht konnte für die Untersuchung der so gestellten Frage an frühere Arbeiten zu Inhalt und Rechtscharakter von Windenergieerlassen anknüpfen, wie sie bereits im Rahmen des Projekts „Windenergierecht: Planung, Genehmigung und Förderung im Föderalismus“ (WindPlan) durchgeführt worden waren. Diese bildeten nun die Grundlage für den vorzunehmenden Vergleich der Instrumente im deutschen Recht einerseits, mit dem der Entscheidung des Gerichtshofs zugrundeliegenden belgischen Erlass‘ andererseits. „Dieser Vergleich zeigt, dass zwischen beiden durchaus Unterschiede bestehen und sich hieraus auch starke Argumente für eine unterschiedliche Behandlung beider mit Blick auf die Notwendigkeit einer strategischen Umweltprüfung ergeben“, urteilt Nils Wegner, wissenschaftlicher Referent der Stiftung. Die Analyse der Gründe der EuGH-Entscheidung habe jedoch zugleich ergeben, dass Zweifel daran bestehen, ob der Europäische Gerichtshof diese Unterschiede tatsächlich auch für erheblich hielte. Es wäre möglich, dass der EuGH den Zweck des europäischen Rechts, möglichst frühzeitig alle „Pläne und Programme“ im Sinne der Richtlinie über strategische Umweltprüfung umfassend auf ihre Umweltauswirkungen hin zu untersuchen, in den Vordergrund stellte, erläutert Nils Wegner weiter. Entscheidend scheine deshalb ein zweiter, obgleich formaler Punkt: Die europäische Richtlinie verlangt eine Prüfung von Plänen nur, soweit zu deren Aufstellung im nationalen Recht eine Pflicht besteht. Auch diese Anforderung war in der Vergangenheit durch den Europäischen Gerichtshof zwar weit ausgelegt worden, da es im deutschen Recht aber (bislang) an jeder Verpflichtung zur Aufstellung der vorwiegend inneradministrativen Windenergieerlasse fehlt, weder eine besondere Zuständigkeit noch ihr Aufstellungsverfahren geregelt ist, liegt diese notwendige Voraussetzung nicht vor, sodass eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung bei der Ausarbeitung von Windenergieerlassen ausscheidet.

Hintergrundpapier mit Forschungsergebnissen veröffentlicht

Die Stiftung Umweltenergierecht hat die Ergebnisse der Untersuchung in einem Hintergrundpapier veröffentlicht und im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Windenergie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vor Vertretern des Bundes und der Länder vorgestellt. Ob die Frage damit bereits abschließend geklärt ist oder aus Wissenschaft oder Rechtsprechung hierzu neue Impulse erfolgen oder völlig neue hiermit zusammenhängende Fragen aufgeworfen werden, wird die Stiftung Umweltenergierecht weiterhin verfolgen.