Ausbau der Erneuerbaren: Mehr Tempo für Wind und Sonne?
Die EU-Notfall-Verordnung ist bereits in deutsches Recht umgesetzt, nun geht es darum, die nationale Wind- und PV-Strategie ebenfalls in Gesetzesform zu gießen. Der Gesetzgeber dreht dabei noch einmal zahlreiche Stellschrauben, um nach den ersten großen Brocken nun auch kleinere Steine aus dem Weg zu räumen – während auf EU-Ebene schon wieder die nächsten Brocken angegangen werden. Wir haben uns die wichtigsten Neuerungen für Wind und Sonne näher angesehen.
Mit dem beschlossenen Kohleausstieg und dem gerade vollzogenen Atomausstieg ist der Druck, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, schon heute hoch. Die angekündigte Ausweitung des Emissionshandels auf europäischer Ebene wird dies noch verstärken, da so die Kohleverstromung auch unabhängig von einer weiteren Anpassung des im deutschen Recht festgelegten Enddatums 2038 deutlich früher beendet werden dürfte. Mit den Ausbauzielen für Wind und PV im EEG 2023 hat der Gesetzgeber diesen Pfad auch bereits vorgezeichnet. Doch Ziele und ebenfalls deutlich angehobene Ausschreibungsmengen allein stellen den Erneuerbaren-Ausbau nicht sicher.
Nach den Veränderungen im letztjährigen Osterpaket adressiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nun weitere Themen: In der Wind-an-Land-Strategie und der PV-Strategie des BMWK sind zahlreiche weitere Reformschritte angekündigt worden, um den Herausforderungen zu begegnen. Trotz aller Absichtsbekundungen stellt sich die Frage: Nimmt die Beschleunigung beim EE-Ausbau von Sonne und Wind nun endlich Fahrt auf?
Paradigmenwechsel im Artenschutzrecht
Etliche größere Schritte hat der Gesetzgeber bereits im letzten Jahr unternommen. Etwa mit dem Wind-an-Land-Gesetz für die Flächenbereitstellung oder der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes zur Konkretisierung von Prüfmaßstäben beim artenschutzrechtlichen Tötungsverbot. Mit der Umsetzung der EU-Notfall-Verordnung ist der Gesetzgeber nun für die Windenergie an Land (§ 6 WindBG) und auf See (§ 72a WindSeeG), die PV (§ 14b UVPG) sowie das Übertragungsnetz (§ 43m EnWG) noch ein ganzes Stück weitergegangen.
Wenn ausgewiesene Flächen für die Windenergie an Land bereits einer strategischen Umweltprüfung unterzogen wurden, soll im Genehmigungsverfahren nicht nur auf eine vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden. Auch die artenschutzrechtliche Prüfung, die sich am betroffenen Individuum orientiert, entfällt. Dies jedenfalls dann, wenn für den Artenschutz notwendige Minderungsmaßnahmen vorgesehen werden oder – falls diese nicht verfügbar sind – eine Artenschutzabgabe bezahlt wird. Damit wird ein Schritt in Richtung populationsbezogener Artenschutz vollzogen. Dass dies die Verfahren beschleunigen kann, aber auch noch einige Fragen zu den Voraussetzungen der Erleichterungen und ihrem genauen Ausmaß für die Praxis zu klären sind, hat die Stiftung Umweltenergierecht Anfang März in einem Webinar aufgezeigt.
Die Beschleunigung des Ausbaus verstetigen und vorziehen
Zwar sind die nun umgesetzten EU-Regelungen zunächst bis Juni 2024 befristet. „Die Chancen, dass die Erleichterungen der Notfall-Verordnung verstetigt und sogar noch ausgeweitet werden, stehen nach der kürzlichen Einigung zur Änderung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie allerdings gut“, so Frank Sailer, Forschungsgebietsleiter bei der Stiftung Umweltenergierecht.
Die künftige EE-Richtlinie sieht die Ausweisung von Beschleunigungs-Gebieten für den Erneuerbaren-Ausbau vor, in denen besondere Fristenreglungen und unter bestimmten Voraussetzungen besondere Erleichterungen wie der Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Genehmigungsverfahren gelten. Eine Übergangsregelung legt fest, dass auch die bestehenden Gebietsausweisungen in den Ländern unter bestimmten Bedingungen nachträglich zu Beschleunigungs-Gebieten erklärt werden können. Damit würde der Entfall von Prüfpflichten gemäß der EU-Notfall-VO dauerhaft gelten und könnte sogar noch durch weitere Erleichterungen ergänzt werden.
Weitere Potenziale für beschleunigte Zulassungsverfahren warten dagegen noch darauf, ausgeschöpft zu werden. Nun wurde aber jüngst die lang erwartete Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in die Wege geleitet, um die Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dies umfasst unter anderem die Beschränkung der Fristverlängerungsmöglichkeit, erweiterte Informationspflichten der Behörden gegenüber dem Antragsteller und Erleichterungen beim Repowering.
Stärkere Einbindung der Kommunen bei der Beschleunigung der Flächenausweisung
Daneben soll auch die Flächenausweisung für die Windenergie entsprechend dem Zwei-Prozent-Ziel weiter beschleunigt werden. Nicht nur sollen nach der Wind-an-Land-Strategie ambitionierte Bundesländer die Möglichkeit bekommen, ihre Regionen und Kommunen effektiv zu einer vorzeitigen Erfüllung der Flächenbeitragswerte des Windenergieflächenbedarfsgesetzes anzuhalten. Vielmehr sollen Gemeinden in bestimmten Fällen in die Lage versetzt werden, über diese Vorgaben hinaus zu gehen und zusätzliche Flächen auch entgegen der eigenen Regionalplanung auszuweisen.
Eine Stärkung der kommunalen Ebene hatten auch die Stiftung Umweltenergierecht und ihre Partner im Rahmen eines Vorhabens im Auftrag des Umweltbundesamtes (Flächenanalyse Windenergie an Land II, Abschlussbericht im Erscheinen) empfohlen, um den top-down-Prozess des Windenergieflächenbedarfsgesetzes durch einen bottom-up-Mechanismus zu ergänzen. Darüber hinaus erwägt die Bundesregierung die sofortige Öffnung bestimmter, besonders geeigneter Flächen, etwa entlang von Autobahnen, Schienenwegen und rund um Industrie- und Gewerbegebiete. Letzteres soll in Kombination mit der Erleichterung von Direktlieferungen und Eigenverbrauch die Versorgung der Industrie mit günstigen erneuerbaren Energien voranbringen.
Mehr Fläche auch für den Ausbau der Photovoltaik
Die ausreichende Bereitstellung von geeigneten Flächen soll nach der PV-Strategie des BMWK auch für die Freiflächen-Photovoltaik noch einmal verstärkt werden. Mit der Einführung einer punktuellen Außenbereichsprivilegierung solcher Anlagen entlang von Autobahnen und bestimmter Schienenwege Ende 2022 hat der Gesetzgeber den vormals nahezu exklusiv bestehenden Weg über die gemeindliche Bebauungsplanung bereits diversifiziert.
Um die Unabhängigkeit von gemeindlichen Planungsentscheidungen noch zu erweitern und damit die Flächenbereitstellung unmittelbar zu stärken, erwägt der Gesetzgeber nun unter anderem weitere Privilegierungen für bestimmte Anlagenkonzepte. So sollen zum Beispiel Agri-PV-Projekte besonders gefördert und eine Privilegierung für hofnahe Anlagen eingeführt werden. Ein entsprechender Kabinetts-Beschluss liegt seit kurzem vor.
Die Stiftung Umweltenergierecht hatte die konzeptionellen Möglichkeiten des Gesetzgebers für ein solches Vorgehen bereits im Februar in einem Diskussionspapier aufgezeigt. Danach wäre es insbesondere auch möglich, gemeindliche Gestaltungsmöglichkeiten im Anwendungsbereich der Privilegierungsregelungen nicht vollständig zu verdrängen. Vielmehr könnten diese bei den Gemeinden belassen werden – unter der Bedingung, dass sie von sich aus tätig werden und ein gesetzgeberisch zu bestimmendes Mindestmaß an Fläche entsprechend der eigenen Vorstellungen ausweisen. Gemeindliche Planung, nicht zuletzt als Grundlage der Beteiligung der Menschen vor Ort, bliebe so weitergehend erhalten.
Kurzfristige oder langfristige Effekte?
Mit den ergriffenen und bereits angekündigten Schritten dürfte der Ausbau von Wind und PV bereits nachhaltig, wenn auch noch nicht ausreichend gestärkt werden und über kurzfristige Beschleunigungen hinausgehen. Auch bei den weiteren Bemühungen ist es primär am Gesetzgeber zu entscheiden, wie der Ausgleich zu schaffen ist zwischen kommunaler Planungshoheit, Akzeptanz vor Ort und einem noch stärker forcierten Ausbau von erneuerbaren Energien. Die Stiftung Umweltenergierecht wird diesen und die weiteren Prozesse konstruktiv begleiten – auf dem Weg hin zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien.