Bremst der regulatorische Rahmen den Hochlauf des bidirektionalen Ladens aus?
Die Berichte in den großen Medien häufen sich: Bidirektionales Laden ist gerade in aller Munde. Das ist kein Zufall, werden hier doch große Potentiale gesehen, die nicht nur für die Eigenoptimierung, sondern auch für das gesamte Energiesystem von Bedeutung sein können. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der Rechtsrahmen, der das bidirektionale Laden zwar nicht verbietet, aber teilweise erschwert. Wir haben uns die Thematik in einer Würzburger Studie angesehen und die Ergebnisse in einem Online-Seminar vorgestellt.
Unter bidirektionalem Laden wird die Fähigkeit verstanden, Strom im Batteriespeicher eines Elektrofahrzeugs nicht nur zu speichern, sondern auch wieder auszuspeisen und im Haushalt beziehungsweise Gewerbebetrieb oder für die Rückspeisung ins Netz zu nutzen. Standzeiten von Fahrzeugen können so genutzt werden, um den ohnehin verfügbaren Speicher für das Energiesystem nutzbar zu machen. So könnte das bidirektionale Laden – wie andere Speichersysteme auch – verstärkt Flexibilität für das Energiesystem zur Verfügung stellen. „Hier ist wichtig zu wissen, dass auch heute bereits bidirektionales Laden keineswegs rechtlich verboten ist“, betont Dr. Johannes Hilpert, Projektleiter bei der Stiftung Umweltenergierecht. Das heißt umgekehrt allerdings nicht, dass alles ganz einfach ist.
Was bremst das bidirektionale Laden aus?
Wir konnten uns im Rahmen des Forschungsvorhabens Verbundprojekt unIT-e² – Reallabor für verNETZte E-Mobilität, das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird, vertieft mit der Thematik befassen. Hier hat sich in den zahlreichen interdisziplinären Arbeitsprozessen und Austauschformaten gezeigt, dass wichtige Fragen mit Blick auf das bidirektionale Laden die Interoperabilität und Standardisierung der verschiedenen Komponenten betreffen. Zudem steht der eigentliche Hochlauf der Technologie in den Fahrzeugen sowie den hierfür benötigten Wallbox-Systemen noch bevor. „Aber auch das Energierecht enthält Hemmnisse, die es zu adressieren gilt“, stellt Anna Papke fest, die als Wissenschaftliche Referentin bei der Stiftung maßgeblich für Fragen der Stromspeicherung zuständig ist.
Werden mobile Speicher bei den Strompreisbestandteilen benachteiligt?
An verschiedenen Stellen zeigt sich nämlich, dass Elektrofahrzeuge, die als Speicher genutzt werden, im Energierecht quasi durchs Raster fallen. Obwohl im geltenden Rechtsrahmen Speicher durchaus adressiert und teilweise auch privilegiert werden, sind viele Vorschriften nur auf bestimmte Speicherkonstellationen zugeschnitten. Besonders augenscheinlich ist dies im Bereich der Strompreisbestandteile: Wird Strom aus dem Netz zur Speicherung im Elektrofahrzeug entnommen und danach wieder ins Netz eingespeist, greifen im Vergleich zu stationären Speichern nicht alle Privilegierungstatbestände. Insbesondere Netzentgelte und Stromsteuer sind regelmäßig in voller Höhe zu entrichten. Eine tragfähige Begründung für diese Unterscheidung ist nicht ersichtlich.
„Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Kompetenz für die Gestaltung und Umgestaltung der Netzentgelte ausschließlich bei der Bundesnetzagentur liegt. Forderungen nach einer gesetzlichen Gleichstellung von mobilen und stationären Speichern im Energiewirtschaftsgesetz laufen also ins Leere“, erklärt Johannes Hilpert. Hier wird zu beobachten sein, welche Wege die Bundesnetzagentur bei der Behandlung von Stromspeicheranlagen im Rahmen der Netzentgeltsystematik künftig einschlagen wird.
Was dabei grundsätzlich zu beachten ist, hatten wir bereits in der Würzburger Studie Nr. 37 „Das EU-Recht der Netzentgelte im Stromsektor – Systematik und Reformbedarf“ herausgearbeitet. Wichtig zu wissen ist allerdings auch: Wurde der zwischengespeicherte Strom etwa mit einer eigenen Erneuerbare-Energien-Anlage und ohne Netznutzung erzeugt, fallen keine Netzentgelte an – die Fragen zur Netzentgeltprivilegierung stellen sich insoweit nicht.
Passen EEG-Vergütung und bidirektionales Laden zusammen?
„Hemmnisse gibt es aber nicht nur im Bereich der Strompreisbestandteile“, führt Anna Papke aus, „gerade auch im Zusammenspiel mit verbundenen Erneuerbare-Energien-Anlagen, die nach dem EEG gefördert werden, gibt es Herausforderungen.“ Da die Batteriespeicher im Elektromobil faktisch wohl immer als sogenannte Mischspeicher einzuordnen sind, sich dort also Strom aus einer EE-Anlage und Graustrom aus dem allgemeinen Stromnetz vermischen, ist die rechtliche Bewertung nicht einfach. Hier hat der Gesetzgeber mit dem Solarpaket I zwar einen Versuch unternommen, die Mischspeicherung explizit zu regeln. Die Einspeisevergütung hat man hier jedoch ausgeklammert. Und auch Anlagenbetreibern, die die Marktprämie beanspruchen, dürften die neu geschaffenen Regelungen kaum weiterhelfen.
Dies liegt daran, dass bei der Einspeisung in das Netz der „förderfähige Anteil“ abgegrenzt werden muss – also der Anteil des Stroms, der mengenmäßig in einer verbundenen EE-Anlage erzeugt und im Elektrofahrzeug zwischengespeichert wurde. „Die Messung an der Wallbox dürfte hier aber wenig bringen, da das Elektrofahrzeug beim Fahren Strom verbraucht und jederzeit auch an einer öffentlichen Ladesäule mit Graustrom geladen werden kann“, konstatiert Johannes Hilpert. Hier helfen wohl nur Pauschalierungen. Und in der Tat hat der Gesetzgeber im Rahmen der „Wachstumsinitiative“ einen Vorschlag in diese Richtung gemacht – was daraus nun mit Blick auf das vorzeitige Ende der Ampelregierung wird, ist jedoch unklar. Zudem spart auch dieser Entwurf die Einspeisevergütung aus und ermöglicht bidirektionales Laden lediglich in Kombination mit der Marktprämie.
Zumindest die Strommengen, die direkt aus der EE-Anlage ins Netz eingespeist werden, bleiben aber vergütungsfähig – wenn entsprechende Vorkehrungen getroffen werden: Direkt aus der EE-Anlage ins Netz eingespeister Strom ist von den Strommengen zu trennen, die in den Batteriespeicher des Elektromobils eingespeist werden. Hierzu sind geeignete Messkonzepte zu nutzen, was Zusatzkosten verursachen kann.
Eigenverbrauchsoptimierung versus Netzeinspeisung
„Insgesamt zeigt sich, dass Eigenverbrauchskonstellationen – man spricht hier von ‚Vehicle-to-Home‘ – im derzeitigen Rechtsrahmen schon recht gut umgesetzt werden können. Etwas schwieriger wird es generell, wenn und soweit tatsächlich auch eine Rückspeisung in das Netz erfolgt“, erklärt Anna Papke. Ohne den Rückgriff auf einen Dienstleister dürften in diesen „Vehicle-to-Grid“-Modellen die Fragen des Netzzugangs und der Vermarktung des Stroms sonst für viele Akteure schwer in den Griff zu bekommen sein. Denn hier wird regelmäßig ein separater Netznutzungsvertrag mit dem Anschlussnetzbetreiber zu schließen sein, die Einspeisung muss einem Bilanzkreis zugeordnet werden und es sind grundsätzlich alle Lieferantenpflichten zu beachten, die auch in den sonstigen Formen der Stromvermarktung zu übernehmen sind. Ein Aufwand, der auch die Kosten für einen Dienstleister in die Höhe treibt.
Hier wird es spannend zu beobachten sein, welche Modelle sich am Markt entwickeln und inwieweit sich Lösungen im Bereich der Flexibilitätsvermarktung durchsetzen. Dabei sind nicht nur Gesetzgeber und Regulierungsbehörde in der Pflicht, auch Energiebranche und Automobilhersteller sind gefordert, geeignete Konzepte vorzulegen.