Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

die Diskussion zu den „richtigen“ Schlussfolgerungen aus dem Monitoringbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist in vollem Gange und dürfte auf absehbare Zeit nicht zu einer Einigung oder gar einem Konsens führen. Zu unterschiedlich sind die kurz- wie langfristigen Anliegen und die wirtschaftlichen Interessen an der Fortsetzung oder Änderung des eingeschlagenen Weges der Energiewende. Erschwert wird eine Verständigung aber auch durch die Vermengung der fachlichen Grundlagen und deren politischer Interpretation. Eines der Grundprobleme, das es uns als Gesellschaft derzeit so schwer macht, Antworten auf die vielen Herausforderungen zu finden.

Offensichtlich wird die Frage des Umgangs mit begrenzten Kapazitäten zum Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen und Batteriespeichern, aber auch von Verbrauchern wie Rechenzentren einerseits sowie zur Aufnahme des Stroms anderseits ein wichtiges Handlungsfeld werden. Dies zeichnet sich schon länger ab, die Herausforderungen sind offenkundig. Vielfältig sind aber die Lösungsansätze, die von einer Beschleunigung des Netzausbaus über ein geändertes Einspeiseverhalten von EE-Anlagen bis hin zur Aktivierung zusätzlicher lokaler Flexibilität reichen.

Dass flexible Netzanschlussverträge dabei eine Rolle spielen werden, ist nicht nur durch die Änderungen im EEG und EnWG angelegt, sondern wurde auch im Rahmen der Vorträge und Diskussionen während der 28. Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht am 22. und 23. September sehr deutlich. Auch die Gutachter des Monitoringberichts empfehlen eine „Anpassung der Anschlussbedingungen nach § 8 EEG […], bei der beispielsweise flexible Netzanschlussvereinbarungen zum verbindlichen Standard in Engpassregionen gemacht werden könnten.“

Auch wenn offen bleibt, was den Gutachtern konkret vorschwebt – die rechtliche Einordung ist eindeutig: Würden die flexiblen Netzanschlussverträge an die Stelle des gesetzlichen Netzanschlussanspruchs treten, würde eine dysfunktionale Rechtslage entstehen. Verträge sind leistungsfähige Werkzeuge, aber voraussetzungsvoll. Und genau an diesen Voraussetzungen würde es fehlen. Mangels individueller Vorteile haben Netzbetreiber schon kein Interesse an einem Anlagenanschluss. Zusammen mit den bestehenden Macht- und Informationsasymmetrien würde ein für beide Seiten optimiertes Ergebnis absolut unwahrscheinlich werden. Als Ergänzung des bestehenden Rechtsrahmens könnten flexible Netzanschlussverträge dagegen eine zusätzliche Möglichkeit für Netz- und Anlagenbetreiber eröffnen. Um diese besser nutzbar zu machen, dürften in bestimmten Konstellationen konkrete Ansprüche für Anlagen- und Speicherbetreiber sinnvoll sein. Ein Allheilmittel wäre aber auch das nicht.

Für den mittel- und langfristig ohnehin erforderlichen Netzausbau bedarf es einer Vielzahl koordinierter Änderungen im Rechtsrahmen. Hebel gibt es genug, im Planungs- und Genehmigungsrecht, bei Vorgaben zur Digitalisierung der Netze, der Standardisierung der technischen Netzanschlussbedingungen bis hin zu einer Ausdifferenzierung von Netztypen und der Aktivierung neuer Akteure. Abzuwarten bleibt, ob das von der EU-Kommission angekündigte European Grid Package hier kräftigen Rückenwind bieten wird oder ob es bei einer lauen Brise bleibt.

Auch wenn der Herbst der Reformen bisher nicht für das Energierecht ausgerufen wurde, ist vieles in Bewegung. So befassen wir uns in unserem Newsletter unter anderem mit dem EU-Klimazwischenziel 2040, Erzeugungsüberschüssen oder der Mengensteuerung für PV-Freiflächenanlagen. Lassen Sie uns zu all diesen Themen im Gespräch bleiben. Falls Sie auch nächstes Jahr wieder oder erstmalig an den Würzburger Gesprächen teilnehmen wollen, können Sie sich gerne den 23. und 24. September 2026 bereits vormerken. In der Zwischenzeit werden sich viele andere Gelegenheiten bieten – bei uns in Würzburg, digital oder zum Beispiel auf den Windenergietagen in Potsdam. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

Herzliche Grüße

Ihr Thorsten Müller