Mehr Tempo beim Wasserstoff?

Das Tempo beim Wasserstoffhochlauf nimmt zu – zumindest, wenn man die Aktivitäten des Gesetzgebers betrachtet. Die Bundesregierung hat aktuell gleich drei Gesetzesvorhaben angestoßen, die vor allem auf die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren abzielen. Die Stiftung Umweltenergierecht hat sich die drei Vorhaben und ihre (potenziellen) Auswirkungen näher angesehen.

Die Unterstützung des Markthochlaufs der Wasserstoffwirtschaft gewinnt durch neue rechtliche Maßnahmen zunehmend an Dynamik. „Das Ziel der fortgeschriebenen nationalen Wasserstoffstrategie ist ehrgeizig: bis 2030 sollen Wasserstoff-Produktionskapazitäten von zehn Gigawatt erreicht werden“, erklärt Oliver Antoni, Projektleiter bei der Stiftung Umweltenergierecht. Um das zu erreichen, sind nun weitere Schritte zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für die erforderliche Wasserstoffinfrastruktur angekündigt worden. Gleich drei von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesvorhaben warten aktuell darauf, verabschiedet zu werden: Das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz, die Novelle der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und das Gesetz zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung.

Weniger Hürden durch das überragende öffentliche Interesse

Ein zentrales Vorhaben ist das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz. „Gebündelt soll dieses Gesetzesvorhaben einige Hürden aus dem Weg räumen“, so Carl Doyé, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung. Besonders zentral dabei: Der Entwurf stellt in § 4 klar, dass Wasserstoffinfrastruktur im überragenden öffentlichen Interesse steht und der öffentlichen Sicherheit dient. Zwar konnten auch zuvor Anlagen den inhaltlich gleich gelagerten Vorschriften in § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 oder § 11c Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), die für Erneuerbare-Energien-Anlagen und Speicheranlagen gelten, unterfallen. Mit dieser nun auf Wasserstoffanlagen zugeschnittenen Festlegung entfällt aber die Rechtsunsicherheit, ob diese Vorschriften im Einzelfall auch wirklich einschlägig sind.

Der Entwurf des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes stellt klar, dass Wasserstoffinfrastruktur im überragenden öffentlichen Interesse steht. (Foto: iStock)

Gleichzeitig versucht die Bundesregierung, Augenmaß zu bewahren. Mit der auf Wasserstoffanlagen zugeschnittenen Norm kann nun auf die spezifischen Abwägungskonflikte der Wasserstoffwirtschaft eingegangen werden: Grundsätzlich sollen andere Abwägungsbelange nur im absoluten Ausnahmefall einer Genehmigung entgegenstehen. Das überragende öffentliche Interesse gilt aber beispielsweise nicht bei wasserrechtlichen Zulassungsverfahren, bei denen eine Beeinträchtigung der öffentlichen Wasserversorgung droht oder bei Elektrolyseuren, bei denen keine Nutzung von erneuerbaren Energien gesichert scheint. Eine wasserrechtliche Gestattung zur Einleitung beziehungsweise Entnahme ist erforderlich, wenn der Elektrolyseur nicht an die öffentliche Wasserversorgung und -entsorgung angeschlossen wird.

Neben der Einführung des überragenden öffentlichen Interesses wird sich eine Beschleunigungswirkung vor allem durch die Digitalisierung der Zulassung, Erleichterungen beim Vergabe- und Nachprüfungsverfahren und die Reduzierung der Rechtsschutzmöglichkeiten erhofft. Letzteres wird insbesondere dadurch erreicht, dass die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen entfällt sowie die erstinstanzliche Zuständigkeit bereits beim zuständigen Oberverwaltungsgericht beziehungsweise dem Bundesverwaltungsgericht liegt.

Mehr Rechtssicherheit bei der Auswahl der erforderlichen Verfahren

Durch die Novelle der bereits vom Kabinett beschlossenen 4. BImSchV (Novelle der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen) soll die Auswahl des erforderlichen Genehmigungsverfahrens klar geregelt und damit die Rechtssicherheit erhöht werden. Bis dato hing die Genehmigungsbedürftigkeit eines Elektrolyseurs davon ab, ob dieser einen „industriellen Maßstab“ hatte. Statt dieser undeutlichen und in der Praxis zu Auslegungsfragen führenden Formulierung soll nun ein klar gestaffeltes Genehmigungsregime gelten: Unter 5 MW Nennleistung des Elektrolyseurs bedarf es keines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mehr.

Durch die Novelle der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen soll die Auswahl des Genehmigungsverfahrens klar geregelt und damit die Rechtssicherheit erhöht werden. (Foto: Petmal/iStock)

Bei Anlagen mit mehr als 5 MW Leistung findet ein vereinfachtes Verfahren statt. Im Einklang mit der novellierten Industrieemissionen-Richtlinie wird ein förmliches Verfahren erst ab einer täglichen Produktionskapazität von 50 Tonnen erforderlich. Im Ergebnis werden durch diese Neuerungen die meisten Elektrolyseure nun nicht mehr wie bislang im förmlichen Verfahren genehmigt werden, sondern ohne beziehungsweise in einem vereinfachten Verfahren.

Auch bauplanungsrechtliche Neuerungen berücksichtigt

Auch bauplanungsrechtlich soll im jüngst vorgeschlagenen Gesetz zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung Rechtsunsicherheit beseitigt werden. Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) soll nun ausdrücklich vorsehen, dass Wasserstoffinfrastruktur in Gewerbe- und Industriegebieten generell zulässig ist sowie, dass Sondergebiete im Sinne des § 11 BauNVO gesondert für die Wasserstoffherstellung und -speicherung ausgewiesen werden können.

Bisher war die Zulässigkeit von Wasserstoffanlagen nach § 14 Abs. 4 S. 1 BauNVO in Sondergebieten nur unter engen Voraussetzungen subsidiär in Nutzungsgebieten solarer Strahlungsenergie vorgesehen. Eine weitergehende Öffnung des Außenbereichs wurde hingegen nicht aufgenommen, hier bleibt es bei dem von § 249a Baugesetzbuch (BauGB) geforderten Zusammenhang zu einer sonstigen Erneuerbare-Energien-Erzeugungsanlage und den weiteren engen Voraussetzungen.

Beschleunigungswirkung bleibt abzuwarten

„Die Bundesregierung hat zentrale Hemmnisse bei der Genehmigung von Wasserstoffinfrastruktur identifiziert und geht deren Behebung an – ohne konkurrierende Abwägungsbelange außer Acht zu lassen. Das wird bei der Analyse der drei Gesetzesvorhaben deutlich“, erklärt Oliver Antoni. „Es bleibt daher abzuwarten, inwieweit diese Maßnahmen in der Praxis auch wirklich die gewünschte Beschleunigungswirkung entfalten, die notwendig ist, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Wir werden den Prozess auf jeden Fall weiterhin eng begleiten. Die Verabschiedung steht ja gegenwärtig noch aus.“