PV-Strom dezentral erzeugen, nutzen und teilen: Was steckt im Solarpaket I und was ist noch zu tun?

Stand das Jahr 2022 noch ganz im Zeichen der Windenergie, so richtet sich der gesetzgeberische Blick 2023 zunehmend in Richtung Sonne. Zahlreiche Maßnahmen sollen den Zubau von Freiflächen- sowie Aufdachanlagen vorantreiben. Auch für die dezentrale „Vor-Ort“-Versorgung mit erneuerbarem PV-Strom sind einige Impulse dabei. Möglicherweise sogar in Gestalt des „Energy Sharing“?

Flankiert von einem umfassenden Konsultationsprozess hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Anfang des Jahres eine „Photovoltaik-Strategie“ erarbeitet. Ein Ausschnitt der dort erarbeiteten Maßnahmen wurde im August vom Kabinett beschlossen und geht nun als „Solarpaket I“ in den Bundestag.

Für eine dezentrale Versorgung steckt einiges im Paket: So sollen etwa die Regelungen zum Mieterstrom angepasst werden, so dass nunmehr auch gewerbliche Verbraucher beliefert werden können. Neu hinzukommen soll die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“: Bei einer dezentralen Versorgung mit PV-Strom gelten Erleichterungen bei den Lieferantenpflichten (zum Beispiel Rechnungs- und Vertragsgestaltung, Stromkennzeichnung) des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Dafür gibt es aber, anders als im Mieterstrommodell nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) keinen Förderzuschlag auf den nicht im Gebäude verbrauchten und eingespeisten Strom. Auch die ganz kleine Erzeugung soll einfacher werden: So enthält der Gesetzentwurf umfassende Regelungen zur „Balkon-Photovoltaik“.

Zahlreiche Maßnahmen im Solarpaket I sollen den PV-Ausbau vorantreiben.

Das Energy Sharing als Thema mit Zukunft?

(Noch?) Nicht im Gesetzentwurf enthalten sind Regelungen zum sogenannten „Energy Sharing“. Das Ministerium kündigte in der PV-Strategie an, sich dem Thema in der zweiten Jahreshälfte zu widmen, um dann möglicherweise im Rahmen eines „Solarpakets II“ einen Umsetzungsvorschlag vorzulegen.

Hintergrund ist das „Winterpaket“ der EU aus dem Jahr 2018/2019. Dieses führte nicht nur neue Rechtsfiguren ein – etwa die EE-Gemeinschaft in der Erneuerbare-Energie-Richtlinie oder die Bürgerenergiegemeinschaft in der Energiebinnenmarkt-Richtlinie – es stattete diese auch mit eigenen Rechten aus. Darunter auch das Recht, Strom „gemeinsam zu nutzen“. Sprich: Was bisher nur der individuelle Eigenversorger kann – nämlich sich mit selbst erzeugtem Strom vom eigenen Dach zu versorgen – soll nunmehr auch Personenmehrheiten möglich sein. Davon verspricht man sich eine gesteigerte Akzeptanz und mehr Teilhabe an der Energiewende.

In Deutschland gibt es bisher keine Sonderregelungen für das Energy Sharing. Will man als Gruppe Strom gemeinsam erzeugen und verbrauchen, so handelt es sich dabei um eine reguläre Stromlieferung – mit dem dazugehörigen Pflichtenkanon. Vertrags- und Rechnungsgestaltung, Netznutzung und Bilanzierung sowie ggf. die Zahlung von Abgaben und Umlagen – all dies muss auch beim Energy Sharing gewährleistet werden. In der Branche stößt dies teilweise auf Unverständnis, wie auch aus dem Interview mit den EWS in dieser Newsletter-Ausgabe hervorgeht.

Wie werden wir zukünftig gemeinsam Strom erzeugen und verbrauchen? „Energy Sharing“ könnte Teil der Antwort sein.

Wie könnte Energy Sharing gesetzgeberisch adressiert werden?

Auch uns in der Stiftung Umweltenergierecht beschäftigt die Thematik: Wie viel Spielraum hat der deutsche Gesetzgeber mit Blick auf die Lieferantenpflichten beim Energy Sharing überhaupt? Wenig, so die Ansicht von Anna Papke und Daniela Fietze in ihrem im Januar 2023 in der „Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft (EnWZ)“ erschienenen Artikel zum Thema „Die ‚gemeinsame Nutzung‘ von Strom und Versorgerpflichten im Europarecht“. Der Hintergrund ist, dass die Lieferantenpflichten ihrerseits EU-rechtliche Vorgaben umsetzen und auch beim Energy Sharing innerhalb der EE- sowie der Bürgerenergiegemeinschaft einzuhalten sind. Die Problematik liegt also bereits auf der EU-Ebene.

Um Energy Sharing zu fördern, könnte Deutschland aber anderweitige Sonderregelungen einführen. Einige Nachbarländer wie Österreich oder Italien haben hier bereits vorgelegt. Ob und unter welchen Bedingungen etwa Reduzierungen der Netzentgelte für bestimmte Nutzergruppen EU-rechtlich möglich sind, wird von uns aktuell genauer untersucht. Zuständig für eine solche Vorgabe wäre jedenfalls allein die Bundesnetzagentur.  Zudem müsste eine gesonderte Förderung für das Energy Sharing, etwa in Form einer Prämie, beihilfenrechtskonform gestaltet werden.

Und während hierzulande noch rege über die Umsetzung von Energy Sharing diskutiert wird, kommt aus der EU bereits der nächste Impuls: So hat die EU-Kommission in der Novelle der Energiebinnenmarkt-Richtlinie eine Definition des Energy Sharing sowie die Befreiung von Lieferantenpflichten in bestimmten Energy-Sharing-Konstellationen vorgeschlagen. Das Europäische Parlament hat sich dem Vorschlag angeschlossen – bleibt abzuwarten, wie sich der Europäische Rat hierzu verhält. Wir werden die Entwicklungen auf EU-Ebene, zu einem möglichen Solarpaket II und zum Energy Sharing auch weiterhin genau in den Blick nehmen.