Studie der Stiftung Umweltenergierecht zeigt Spielräume für eine CO2-Bepreisung in Deutschland auf
„Weder das geltende Europa- noch das Verfassungsrecht hindern die zukünftige Koalition daran, eine nationale CO2-Bepreisung einzuführen.“ Diese Schlussfolgerung zieht Thorsten Müller, Stiftungsvorstand, aus der aktuellen Stiftungsstudie „Europa- und verfassungsrechtliche Spielräume einer CO2-Bepreisung in Deutschland“. Darin haben Dr. Hartmut Kahl und Lea Simmel die rechtlichen Spielräume analysiert, die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehen, um ein solches Instrument einzuführen.
„Der Gesetzgeber muss zwar eine Reihe von Voraussetzungen beachten und kann nicht jede beliebige Ausgestaltungsvariante wählen, es verbleiben aber ausreichend Spielräume“, erläutert Forschungsgebietsleiter Dr. Hartmut Kahl. Für Thorsten Müller ist es daher eine politische Frage, wie diese Spielräume genutzt werden. Rund um die Bundestagswahl und die anstehenden Koalitionsverhandlungen hat die Debatte um eine nationale CO2-Bepreisung in Ergänzung zum Europäischen Emissionshandel ETS an Dynamik gewonnen. Andere Länder haben diesen Weg bereits gewählt – in der EU allen voran Großbritannien mit seinem Carbon Price Support. Zudem hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron in seiner Europa-Rede einen CO2-Mindestpreis zuletzt wieder ins Gespräch gebracht.
Stiftung untersucht europa- und verfassungsrechtliche Hindernisse und Optionen
Die Studie untersucht die europa- und verfassungsrechtlichen Spielräume für eine CO2-Bepreisung, denn die dafür einschlägigen Vorgaben höherrangigen Rechts sind durchaus vielschichtig. „Der Weg für eine gesetzliche CO2-Bepreisung gleicht einem Parcourslauf, auf dem der Gesetzgeber bald einem europa- und bald einem verfassungsrechtlichen Hindernis ausweichen muss“, bringt Dr. Hartmut Kahl das Fazit der Studie auf den Punkt. „Es gibt aber ein Bündel an Optionen, die dem Gesetzgeber offen stehen“, ergänzt Co-Autorin Lea Simmel. In der Studie wird deutlich, dass das Europarecht einer Bepreisung von CO2 nicht entgegensteht.
Europäischer Emissionshandel und Verbrauchsteuer
Zunächst hindert der europäische Emissionshandel die Mitgliedstaaten nicht daran, auf nationaler Ebene zusätzliche steuerliche Maßnahmen zur Emissionsminderung einzuführen. Die direkte Bepreisung von CO2 nach britischem Vorbild ist demnach auch europarechtlich zulässig, in Gestalt einer Verbrauchsteuer in Deutschland verfassungsrechtlich aber nicht möglich. Denn CO2 als solches ist kein Gut des ständigen privaten Bedarfs, das die Rechtsprechung als Steuergegenstand aber verlangt.
Besteuerung anhand der CO2-Intensität
Wechselt man stattdessen auf die Besteuerung des Energieprodukts anhand seiner CO2-Intensität, müssen die Vorgaben der Energiesteuer-Richtlinie beachtet werden. Diese bietet bei Strom immerhin die Möglichkeit einer anhand der CO2-Intensität gestaffelten Output- und gleichzeitigen Inputbesteuerung. Werden Stromsteuersätze nach der Erzeugungsart gestaffelt, muss Stromimporten im europäischen Binnenmarkt aber die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Herkunft profilscharf nachzuweisen, um bei gleichen Voraussetzungen in den Genuss derselben Steuersätze kommen zu können wie der inländisch erzeugte Strom. Das erfordert ein komplexes Nachweisverfahren mit hohem administrativem Aufwand.
Ansatz der Verbrauchsteuer beim Primärenergieträger
Setzt man die Verbrauchsteuer daher lieber beim einfacher zu erfassenden Primärenergieträger an, erfolgt die Erhebung sinnvollerweise beim verstromenden Unternehmen. Das ist nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer verfassungsrechtlich aber nur ausnahmsweise möglich. „Das Bundesverfassungsgericht fährt hier eine neue Linie, wonach die Erhebung einer Verbrauchsteuer auf Produktionsmittel beim Unternehmen unter Rückgriff auf Beispiele aus der späten Kaiserzeit grundsätzlich ausgeschlossen sein soll“, kommentiert Dr. Hartmut Kahl die Karlsruher Entscheidung und ergänzt: „Bei sorgfältiger Lektüre der Entscheidung werden aber Möglichkeiten sichtbar, wie auch eine CO2-basierte Steuer auf Primärenergieträger beim Stromerzeuger erhoben werden kann“. Möglich bleibt dies nämlich ausnahmsweise aus Vereinfachungsgründen und zur Wahrung einer geschlossenen, systemgerechten Besteuerung mit Lenkungseffekt.
Nichtsteuerliche Abgabe
Würde sich der Gesetzgeber gegen eine Verbrauchsteuer entscheiden, bliebe ihm noch der Weg über eine nichtsteuerliche Abgabe. Anders als bei der Verbrauchsteuer, könnte er damit direkt CO2-Emissionen bepreisen, wäre aber nicht völlig frei in der Entscheidung, wie die eingenommenen Mittel verwendet werden. Bei einer Sonderabgabe, die zumindest auch immer einen Finanzierungszweck hat, müsste das Aufkommen für eine CO2-freie Energieversorgung eingesetzt werden. Ohne eine solche gruppennützige Verwendung kommt hingegen eine Ressourcennutzungsgebühr nach Vorbild des „Wasserpfennigs“ aus. Wegen des dafür vorausgesetzten öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses kommen dafür jedenfalls die CO2-Emittenten in Betracht, die dem europäischen Emissionshandel unterliegen.
„Zwar hat die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer den Spielraum des Gesetzgebers für Verbrauchsteuern grundsätzlich eingeengt, aber entgegen einer bisweilen anzutreffenden Auffassung heißt das nicht ‚rien ne va plus‘“, stellt Dr. Hartmut Kahl klar. Eine Verfassungsänderung – bezogen auf eine genuine Kohlendioxidsteuer oder allgemein zur Ermöglichung von Umweltsteuern – mag zwar wünschenswert sein. Zwingend ist diese allerdings nicht, um einen Weg für eine CO2-Bepreisung auch in Deutschland zu finden.