Eine Grenzausgleichssteuer für die EU – geht das überhaupt?

Seit die EU Kommission Ende 2019 ihre Maßnahmenplanung „Grüner Deal“ vorstellte, ist die Debatte um ein mögliches Grenzausgleichsteuersystem als Instrument für den Klimaschutz und zur Vermeidung von Carbon Leakage in aller Munde. In Erwartung eines konkreten Vorschlags im Sommer 2021 hat sich die Stiftung Umweltenergierecht umfassend mit den (EU- und WTO-) rechtlichen Rahmenbedingungen beschäftigt.

Carbon Leakage bezeichnet das Problem, das entsteht, wenn einige Länder umfassende Regelungen zur CO2-Bepreisung treffen (etwa der EU-Emissionshandel), andere aber nicht. Für die in jenen Ländern ansässige Industrie stellt sich dann die Frage, ob eine Verlagerung der Produktion ins Ausland – vorbei an der CO2-Bepreisung – nicht rein wirtschaftlich günstiger wäre. Wandert die Produktion demzufolge ab, schadet das zunächst der Wirtschaft in den Ländern mit CO2-Bepreisung. Allerdings ist damit auch dem Klima nicht geholfen; denn die Emissionen werden nicht global gemindert, sondern vielmehr verlagert („Leakage“).

Carbon Leakage schadet dem Klima. Eine Grenzausgleichsteuer soll nun Abhilfe schaffen.

Ein CBAM zum globalen Klimaschutz

Nach Vorstellungen der EU-Kommission könnte ein Grenzausgleichsystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz: CBAM) hier Abhilfe schaffen, in dem die CO2-Emissionen von aus dem Ausland in die EU importierten Produkten zumindest für den Absatz auf dem EU-Markt „eingepreist“ würden. Hier sind unterschiedliche Modelle möglich, die von einer neuen „Grenzausgleichsteuer“ auf Importe über eine Art Einbindung in den EU-Emissionshandel bis hin zu einer generell neuen CO2-Steuer auf Importe wie heimische Produkte reichen. Einnahmen aus dem CBAM könnten – so der Plan der EU – zudem im Rahmen der Recovery Programme nach der COVID-19-Pandemie, über den EU-Haushalt verwendet werden.

Wir haben entsprechend die generelle Idee eines CBAM sowie im Ansatz die unterschiedlichen Modelle auf ihre Rechtskonformität untersucht und schlussfolgern, dass die EU zwar solch einen Mechanismus grundsätzlich als Umweltschutz-Maßnahme auf der Basis des Art. 192 AEUV einführen könnte. Allerdings steckt der Teufel im Detail: EU-rechtlich geht es hier hauptsächlich um Verfahrensfragen – etwa ob nicht „für Maßnahmen überwiegend steuerlicher Art“ eine einstimmige Entscheidung im Ministerrat erforderlich ist oder wie die Verwendung der Einnahmen als „neue Eigenmittel“ ermöglicht werden kann.

WTO-Recht als Hindernis?

Den Kern unserer Arbeit stellt jedoch das internationale und hier insbesondere das WTO-Recht dar: Nach umfassender Prüfung muss ein CBAM nicht zwangsläufig WTO-rechtswidrig sein. Zwar ist eine komplett mit den Prinzipien der Meistbegünstigung und Inländerbehandlung im Einklang stehende Lösung schwierig. Jedoch kann auch im WTO-rechtlichen Rahmen der Umweltschutz als Rechtfertigung dienen, solange eine (weitestgehend) diskriminierungsfreie Ausgestaltung des Mechanismus gewährleistet ist.

Eine Grenzausgleichssteuer ist rechtlich möglich. Bei der Umsetzung ist jedoch Fingerspitzengefühl gefragt.

Allerdings – und nicht nur aus rechtlichen, sondern insbesondere auch aus politischen Gründen – sollte die EU-Kommission darauf achten, dass die unterschiedlichen Ziele und Interessenlagen rund um einen solchen Mechanismus ausreichend berücksichtigt und Risiken für eventuelle handelspolitische Vergeltungsschläge reduziert werden können. Unser Fazit lautet daher: Es braucht eine klare, auf den internationalen Umweltschutz fokussierte Kommunikation und einen Mechanismus, der Klimaschutzanstrengungen im Sinne des Pariser Abkommen anerkennt.

Die gesamte Analyse finden Sie im Würzburger Bericht zum Umweltenergierecht Nr. 52 von Jana Nysten.