Ein Werkstattbericht zu den Rechtsfragen einer aufkommensneutralen CO2-Bepreisung
Nachdem sich die Wissenschaft schon seit Jahrzehnten mit ökologisch ausgerichteten Steuern beschäftigt, hat das Thema in den letzten Monaten auch eine neue politische Dynamik gewonnen. Im Juli möchte das Bundesumweltministerium seine konzeptionellen Überlegungen für eine CO2-Bepreisung im Klimakabinett vorstellen, die über den heutigen Europäischen Emissionshandel hinausgehen soll.
Die entscheidende Frage der gegenwärtigen Debatte ist, welcher Preis für CO2-Emissionen beim Verbrauch von Energie angesetzt wird. Auf der einen Seite wird lebhaft darüber gestritten, wie hoch ein solcher Preis sein muss, um den Ausstoß von CO2 signifikant zu reduzieren. Auf der anderen Seite werden die sozialpolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer CO2-Bepreisung diskutiert. Im Laufe der Diskussion hat sich dabei der Konsens herausgebildet, dass die Einnahmen einer CO2-Bepreisung nicht im Bundeshaushalt verschwinden, sondern an Bürger und Unternehmen rückerstattet werden sollen. Als Vorbild dafür gilt vielen die CO2-Bepreisung in der Schweiz. Dort bekommen die Bürger und Unternehmen einen Teil der Einnahmen über eine Prämie rückerstattet, die pro Kopf bzw. bei Unternehmen nach deren Bruttolohnsumme berechnet wird.
Nachdem wir uns schon 2017 in unserer Studie zu den europa- und verfassungsrechtlichen Spielräumen einer CO2-Bepreisung in Deutschland mit der Frage befasst hatten, mit welchen fiskalischen Instrumenten ein CO2-Preis erhoben werden kann, arbeiten wir derzeit intensiv an einem Papier, das die mögliche Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in den Blick nimmt. „Hier schauen wir insbesondere, inwiefern sich die Grundzüge des Schweizer Modells auch auf Deutschland übertragen ließen, und wo mögliche verfassungs- und europarechtliche Sensibilitäten liegen“, skizziert Dr. Hartmut Kahl, der in der Stiftung Umweltenergierecht die Forschungsarbeiten zum Thema CO2-Bepreisung koordiniert. „Betrachtet man das Konzept einer CO2-Bepreisung mit Rückerstattung als ein einheitliches Instrument, bei dem die Lenkungswirkung und nicht die Einnahmenerzielung das oberste Ziel ist, hat der Bund zumindest die Gesetzgebungskompetenz dafür“, ergänzt er nach einer ersten Analyse der kompetenzrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Denn dann seien Einnahme- und Ausgabeseite nicht zwingend getrennt voneinander zu beurteilen: „Würde man die Rückerstattung isoliert von der Erhebung betrachten, müsste man sich die Gesetzgebungskompetenz dafür aus Regelungsbereichen zusammensuchen, die mit Emissionsminderung wenig bis nichts zu tun haben und unter Umständen bei den Ländern liegen.“
Schwieriger gestaltet sich da schon der Ansatz der Schweiz, die Rückerstattung an die Unternehmen nach der jeweils ausgezahlten Lohnsumme zu bemessen. „Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU und unterliegt deshalb nicht dem Beihilferecht“, erklärt Dr. Markus Kahles, Europarechtler und Co-Autor der Studie. „Für Deutschland müssen wir hingegen damit rechnen, dass diese Form der Rückerstattung von der EU-Wettbewerbsaufsicht sehr wahrscheinlich als unzulässige Betriebsbeihilfe eingestuft würde“, führt er weiter aus. Ratsam wäre daher, für die Rückerstattung an Unternehmen einen alternativen Mechanismus zu finden. Denkbar wäre etwa eine haushaltsfinanzierte Absenkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, wie dies vor fast zwanzig Jahren bei der ökologischen Steuerreform schon einmal gemacht wurde. „Dann wäre das eine Entlastung der Wirtschaft und keine Auszahlung staatlicher Mittel direkt an Unternehmen. Damit sind wir aus der Beihilfe draußen“, ergänzt er.
„Jedenfalls sind die Rechtsfragen der Rückerstattung einer CO2-Bepreisung nicht weniger anspruchsvoll als die der Einnahmenseite“, resümiert Hartmut Kahl die bisherigen Arbeiten. Die vollständige Würzburger Studie wird noch vor der parlamentarischen Sommerpause erscheinen.