Die delegierte Verordnung zum Wasserstoff im Spannungsverhältnis mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie

Die Wasserstoff-Delegierte-Verordnung der EU-Kommission regelt wichtige Kriterien für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff. Sieht man sich die ihr zugrundeliegenden Regelungen genauer an, erkennt man jedoch auf verschiedenen Ebenen rechtliche Unklarheiten. Daran hat auch die im November abgeschlossene Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie nichts geändert.

Mit der am 10. Juli 2023 in Kraft getretenen Wasserstoff-Delegierte-Verordnung (wegen der englischen Bezeichnung „delegated act“ auch als „Wasserstoff-DA“ bekannt) hat die EU-Kommission wichtige Kriterien für den Einsatz von Strom zur Produktion von erneuerbarem Wasserstoff und anderen erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs festgelegt. Diese Anforderungen müssen eingehalten werden, um erneuerbaren Wasserstoff vollständig auf die Klima-Zielvorgabe für den Verkehrssektor anrechnen zu können. Das ist vor allem für Anbieter von konventionellen Kraftstoffen von Bedeutung, da sie verpflichtet sind, auch einen Mindestanteil an erneuerbaren Kraftstoffen in den Verkehr zu bringen.

Bei der Ausgestaltung der delegierten Verordnung ist die EU-Kommission jedoch nicht frei. Der zulässige Inhalt wird vielmehr durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie bestimmt, die die relevante Ermächtigungsgrundlage darstellt. Doch während die einzelnen Inhalte der delegierten Verordnung große Aufmerksamkeit erfahren haben, wurde das Zusammenspiel mit der Ermächtigungsgrundlage in der EE-Richtlinie bislang kaum beleuchtet. Die Stiftung Umweltenergierecht hat diese Forschungslücke geschlossen – mit der am 20. November 2023 veröffentlichten Studie „Wie man (k)einen einheitlichen Rechtsrahmen für erneuerbaren Wasserstoff schafft“. Die Studie zeigt, dass sich bei genauerem Hinsehen einige rechtliche Unklarheiten ergeben.

Die EU-Kommission ist bei der Ausgestaltung von delegierten Verordnungen nicht völlig frei. Sie muss sich an die jeweilige Ermächtigungsgrundlage halten.

Rechtliche Unklarheiten können Markthochlauf stören

Schon die Auslegung der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Wasserstoff-Delegierte-Verordnung selbst ist nicht trivial. Darüber hinaus ist für einzelne Regelungen der Verordnung nicht klar, ob sie von der Ermächtigung in der EE-Richtlinie gedeckt sind. Insbesondere das sogenannte Zusätzlichkeitserfordernis im Zusammenhang mit dem Bezug von Strom über eine Direktleitung könnte durch die EU-Kommission womöglich weniger streng ausgestaltet worden sein, als in der Ermächtigung eigentlich vorgesehen. Zusätzlichkeit bedeutet hier, dass der Strom aus neu errichteten Erneuerbare-Energien-Anlagen kommen muss. Um das sicherzustellen, hat der Gesetzgeber in Art. 27 der EE-Richtlinie beispielsweise festgelegt, dass die EE-Anlage nach oder gleichzeitig mit der Wasserstoffproduktionsanlage in Betrieb genommen werden muss.

Die EU-Kommission hat daraufhin in der Wasserstoff-Delegierte-Verordnung normiert, dass dies erfüllt ist, wenn die EE-Anlage nicht früher als 36 Monate vor der Wasserstoff-Produktionsanlage in Betrieb genommen wird. „Ob das ‚gleichzeitig‘ im Sinne der Ermächtigungsgrundlage ist, erscheint aus rechtlicher Perspektive mindestens zweifelhaft“, kritisiert Burkhard Hoffmann, wissenschaftlicher Referent der Stiftung und Co-Autor der Studie. Diese (und weitere) offene Auslegungsfragen führen zu Rechtsunsicherheiten und können den politisch gewünschten Markthochlauf stören.

Neuerungen in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie lösen Rechtsfragen nicht auf

Die am 20. November 2023 in Kraft getretenen Änderungen der EE-Richtlinie enthalten für erneuerbaren Wasserstoff wichtige Neuerungen. So ist eine eigene Zielvorgabe für erneuerbaren Wasserstoff in der Industrie eingeführt worden, wonach dessen Anteil an dem insgesamt eingesetzten Wasserstoff bis 2030 mindestens 42 Prozent betragen muss. Zudem ist nunmehr vorgesehen, dass der Anteil von erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs an der Energieversorgung des Verkehrs im Jahr 2030 bei mindestens einem Prozent liegt. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Vorgaben in der Wasserstoff-Delegierte-Verordnung (anders als bisher) nicht mehr nur für den Verkehr, sondern grundsätzlich für alle Sektoren und Zielvorgaben maßgeblich sein werden.

In der novellierten EE-Richtlinie wurde eine eigene Zielvorgabe für erneuerbaren Wasserstoff im Industriesektor eingeführt.

Die in der Studie aufgeworfenen Auslegungsfragen bleiben trotz der Novelle der EE-Richtlinie jedoch weiterhin unbeantwortet. Im Gegenteil, durch die erweiterte sektorübergreifende Relevanz der Anrechnungsregeln gewinnen diese Fragen sogar an Brisanz. Fabian Pause, Forschungsgebietsleiter und Co-Autor der Würzburger Studie, hebt hervor: „Die beschriebenen Unsicherheiten sind damit nicht mehr auf den Verkehrssektor beschränkt, sondern spielen zukünftig auch in anderen Sektoren eine entscheidende Rolle, in denen ein dringender Bedarf an Dekarbonisierung besteht, wie beispielsweise der Industrie.“

Strukturelle Herausforderungen bei delegierter Rechtsetzung

Grundsätzlich zeigt sich, dass die Wahl des Instruments „delegierter Rechtsakt“ zwar nicht die alleinige Ursache für die identifizierten Auslegungsfragen ist. Die Studie zeigt jedoch auf, dass delegierte Rechtsetzung juristische Unklarheiten befördern kann. Mit der Delegation von Rechtsakten wird eine weitere Ebene geschaffen, wodurch das Recht komplexer und auch fehleranfälliger wird. Insgesamt lassen sich aus der Analyse der Wasserstoff-Delegierte-Verordnung allgemeine Herausforderungen ableiten, die bei der Verwendung von delegierten Rechtsakten auch in anderen Rechtsbereichen berücksichtigt werden sollten. Es hat sich auch gezeigt, dass eine direkte Regelung durch den Gesetzgeber keine Garantie für eine qualitativ hochwertige Gesetzgebung darstellt. Am Ende besteht aber immer die Notwendigkeit einer klaren und kohärenten Grundlage im Gesetz, um die erfolgreiche Anwendung delegierter Rechtsakte gewährleisten zu können.