Forschung zu regionalen Energieplattformen
– ein Werkstattbericht

Wie soll Strom künftig zwischen Erzeugern und Verbrauchern gehandelt werden? Braucht es dazu noch klassische Energieversorgungsunternehmen? Oder gibt es auch andere Möglichkeiten? Das künftige Strommarktdesign wirft viele Fragen auf, eröffnet aber auch Chancen für neue Geschäftsmodelle. Eines davon ist die Einrichtung regionaler Energieplattformen.

Regional erzeugter Strom kann auch regional verbraucht werden: Die Stiftung Umweltenergierecht untersucht derzeit regionale Energieplattformen.

Die Stiftung Umweltenergierecht befasst sich projektübergreifend mit verschiedenen Möglichkeiten, Strom regional und unmittelbar zwischen Erzeugern und Verbrauchern handelbar zu machen. Man spricht dann von sog. Peer-to-Peer-Geschäften. Ein wesentlicher Gedanke dabei ist, dass es in einem von Windkraft und Photovoltaik geprägten Stromsystem mehr und mehr auf flexibles Verbrauchsverhalten ankommt. Wird der Strom nun im Wesentlichen dort erzeugt, wo er auch genutzt wird, sinkt der Bedarf an Netzausbau. Zudem kann es für die Akzeptanz der Energiewende förderlich sein, wenn Strom nicht einfach Graustrom ist, sondern eine Eigenschaft (Grünstrom) und ein Gesicht (Nachbar Maier) bekommt. Für Häuslebauer mit eigener PV-Anlage auf dem Dach erscheint es zudem sinnvoll, ihren überschüssigen Strom im lokalen Umfeld an Nachbarn zu veräußern.

Der Rechtsrahmen passt nicht

Wo liegt dann aber das Problem? Wie so häufig spielt hier der bestehende Rechtsrahmen eine große Rolle und wirkt als Hemmschuh für regionale Energieplattformen. „Zwar ist die Implementierung solcher börsenähnlicher regionaler Marktplätze für Strom rechtlich nicht verboten, allerdings zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass der bestehende Rechtsrahmen an vielen Stellen schlicht nicht passfähig ist“, fasst Dr. Johannes Hilpert, Projektleiter im Fachbereich Recht der erneuerbaren Energien und Energiewirtschaft, die ersten Erkenntnisse aus der Forschung zusammen.

Um das Thema umfassend erschließen zu können, setzt die Stiftung Umweltenergierecht auf ein großes Team von Mitarbeitern, die ihre jeweilige Expertise aus verschiedensten Bereichen des Energierechts einbringen. Dies ist auch nötig, da eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsvorschriften berührt wird. Man stellt bei der Lektüre der einzelnen Normen schnell fest, dass der Gesetzgeber zum Zeitpunkt ihres Erlasses nicht daran gedacht hat, dass es in der Zukunft regionale Marktplätze für Stromhandel geben könnte.

Die Krux mit den Lieferantenpflichten

Woran zeigt sich das? Selbst ein einfacher Haushaltskunde wird rechtlich zum „Energieversorgungsunternehmen“, wenn er den Strom seiner PV-Anlage auf dem Hausdach über eine Energieplattform oder auch auf andere Weise (etwa über PPAs) an einen Verbraucher in der Nachbarschaft verkaufen möchte. Damit greifen für ihn viele Transparenz-, Melde- und Nachweispflichten, die ursprünglich für große Unternehmen konzipiert waren. Zudem müssen etwa die Zahlungspflichten zur EEG-Umlage und zur Stromsteuer übernommen werden. Die Kosten können zwar an den Stromkäufer weitergegeben werden, der organisatorische Aufwand bleibt jedoch hoch.

Ein Haushaltskunde, der Nachbarn mit Strom beliefert, wird aus rechtlicher Perspektive wie ein Energieversorgungsunternehmen mit all seinen Pflichten und Vorgaben behandelt.

„Ohne Einschaltung eines Dienstleisters, der den Stromverkäufer bei der Erfüllung der Lieferantenpflichten unterstützt, sind derzeit direkte Stromlieferungen zwischen Haushaltskunden nicht denkbar“, so Daniela Fietze, die sich bereits in mehreren Projekten mit Fragen der Lieferantenpflichten befasst hat. Hinzu kommt, dass nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur eine Anmeldung der Belieferung eines Letztverbrauchers durch den Lieferanten beim Netzbetreiber mindestens sieben bzw. zehn Werktage vor Aufnahme der Belieferung erfolgen muss. Rasche Lieferantenwechsel – etwa zwischen verschiedenen Stromanbietern an einer lokalen Plattform – werden dadurch faktisch ausgeschlossen.

Von Grau zu Grün zu Grau

Das Team der Stiftung Umweltenergierecht hat ein weiteres Problem identifiziert: Zwar existiert keine Pflicht, EEG-geförderten Strom über die Börse zu vermarkten. Man kann also die Marktprämie in Anspruch nehmen und den erzeugten Strom an einer regionalen Energieplattform verkaufen. Allerdings besteht so die Gefahr, gegen das Doppelvermarktungsverbot zu verstoßen. Dieses soll sicherstellen, dass die positiven Umwelteigenschaften des grünen Stroms nicht mehrfach – also zusätzlich zu der über die EEG-Umlage finanzierten Marktprämie – entlohnt werden. Verstöße können zu spürbaren finanziellen Sanktionen führen.

Bekommt der Strom im Wege der regionalen Vermarktung ein Gesicht und wird damit für den Käufer erkennbar von Grau zu Grün, liegt nach ersten Erkenntnissen wohl ein Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot vor. „Dieses Problem ließe sich nur umgehen, wenn die Plattform die Art des Stroms verschleiert, diesen also wieder als Graustrom verkauft – das widerspricht aber gerade der Zielrichtung solcher regionaler Marktplätze“, stellt Anna Papke, Spezialistin im Bereich Herkunftsnachweise und Stromkennzeichnung, fest.

Keine Vorteile für Verbraucher

Auch verbraucherseitig ist der Rechtsrahmen für regionale Energieplattformen nicht gerade positiv. In den meisten Fällen werden die sog. staatlich induzierten bzw. regulierten Strompreisbestandteile (SIP) in voller Höhe anfallen. Privilegien für die Eigenversorgung können bereits deshalb nicht in Anspruch genommen werden, da diese nur dann greifen, wenn Erzeuger und Verbraucher ein und dieselbe Person sind.

„Wir haben mit Hilfe unserer Website www.strompreisbestandteile.de bereits für die Bereiche Stromspeicherung und Sektorenkopplung aufgezeigt, wie undurchschaubar und uneinheitlich der geltende Rechtsrahmen für den Strompreis ist. „Wie sich nun herausstellt, lässt sich diese Erkenntnis auch auf regionale Energieplattformen übertragen.“, so Oliver Antoni, Projektleiter im Fachbereich Recht der erneuerbaren Energien und Energiewirtschaft. Innovative Verteilnetzbetreiber, die gerne selbständig dynamische Netzentgelte oder ähnliche Privilegien für flexible Stromverbräuche im regionalen Umfeld einführen möchten, werden jedoch ebenfalls ausgebremst: Dies ist im geltenden Regulierungsrecht unzulässig.

Es hakt auch an weiteren Stellen

Auch in den Bereichen Datensicherheit und Datenschutz können Probleme auftreten. Zum einen ist es möglich, dass die Betreiber von Energieplattformen die umfassenden Vorgaben für sogenannte kritische Infrastrukturen einhalten müssen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Plattform eine große Menge an Erzeugungsleistung bündelt und eine aktive Steuerung der Stromflüsse vornimmt.

Zum anderen sind die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten, soweit personenbezogene Daten verarbeitet werden. Dazu Dr. Maximilian Wimmer, der sich in der Stiftung Umweltenergierecht u. a. mit Fragen des Datenschutzes befasst: „Insbesondere bei der Nutzung von Blockchain-Lösungen ist es wichtig, sich auch mit den Vorgaben des Datenschutzrechts vertraut zu machen. Die teils strengen Anforderungen der DSGVO sind nach unserer Einschätzung nur dadurch in den Griff zu bekommen, dass eine passende technische und konzeptionelle Gestaltung der regionalen Plattformen erarbeitet wird.“

Insgesamt ist also festzustellen: Der Weg für regionale Energieplattformen ist aus rechtlicher Sicht noch sehr steinig. Wir von der „Werkstatt Energieplattformen“ bleiben dran!