Die vorgeschlagene Abschaffung der Außenbereichsprivilegierung könnte nicht nur den Sonderausschreibungen gleich wieder die Grundlage entziehen, sondern den weiteren Windenergieausbau insgesamt in Frage stellen. Die Stiftung Umweltenergierecht forscht zu Möglichkeiten, die räumliche Steuerung von Windenergieanlagen und deren Akzeptanz zu stärken.
Nun kommen die Sonderausschreibungen also doch. Nach langem Ringen haben sich die Koalitionspartner Ende Oktober darauf geeinigt, bis zum Jahr 2021 Sonderausschreibungen für den Windenergieausbau im Umfang von 4 GW durchzuführen. Nach dem Energiesammelgesetz sollen im kommenden Jahr bereits 1 GW, im Jahr 2020 dann 1,4 GW und 2021 schließlich 1,6 GW zusätzlich zu den ohnehin vorgesehenen Mengen in die Ausschreibung gehen. Und nun? Wird endlich gut, was lange währt?
Sonderausschreibungen können den stockenden Windenergiezubau nur dann wieder ankurbeln und die Windenergie kann ihren nicht wegzudenkenden Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele nur dann beisteuern, wenn es auch eine hinreichende Menge an genehmigten Vorhaben gibt, die sich an den Ausschreibungen beteiligen können. Das aber setzt voraus, dass der Windenergie ausreichend geeignete Flächen planungsrechtlich zur Verfügung gestellt werden. Wenn es nach den Bundesratsinitiativen aus Brandenburg und Nordrhein-Westfalens ginge, würde es voraussichtlich noch schwieriger.
Bundesratsinitiativen Brandenburgs und Nordrhein-Westfalens
Die Landesregierungen in Potsdam und Düsseldorf haben nur wenige Tage vor der Einigung im Koalitionsausschuss mit zwei Anträgen dazu aufgerufen, die kommunale Entscheidungsebene dadurch zu stärken, dass die planungsrechtliche Privilegierung der Windenergienutzung im Außenbereich vollständig abgeschafft, bzw. die derzeit nicht mehr gültige Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch wiederbelebt wird. Letzteres würde den Bundesländern Regelungen wie die bayerische 10-H-Regelung erlauben. Wie schon vom bayerischen Gesetzgeber wird auch jetzt als Motiv der Erhalt der Akzeptanz für die Windenergie angeführt. Ein Blick nach Bayern seit Einführung von 10H zeigt, dass sehr wenige bis keine Flächen mehr für die Windenergie zur Verfügung stünden. Bereits an die Realisierung der regulären Windausbaumengen entsprechend des EEG-Ausbaupfades wäre dann nicht mehr zu denken.
„Dass bei der Akzeptanz für den Ausbau der Windenergie mancherorts Defizite bestehen, daran besteht ja in der Tat kein Zweifel,“ so Frank Sailer, Forschungsgebietsleiter für das Energieanlagen- und Infrastrukturrecht bei der Stiftung Umweltenergierecht. „Die entscheidende Frage aber muss lauten, wie mit Akzeptanzdefiziten umgegangen werden kann, ohne dabei gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten“.
Handlungsoptionen für die räumliche Steuerung des Windenergieausbaus
Nach Antworten suchen die Wissenschaftler der Stiftung Umweltenergierecht zuallererst im Raumplanungsrecht. Mit dem Instrument der Konzentrationszonenplanung lässt sich nicht nur der größte Teil eines Plangebiets vom Windenergieausbau freihalten. Anders als unter der 10H-Regel zwingen sie auch nicht zu unnötig hohen pauschalen Abständen bei der Suche nach Standorten. Vorsorgeabstände zu Siedlungsgebieten lassen sich auch mithilfe der Konzentrationszonenplanung festlegen, aber sie nötigen nicht dazu, überall so weit in den Außenbereich zu gehen, dass letztlich nur noch Wälder und andere ökologisch wertvolle Gebiete für den Windenergieausbau in Frage kämen.
In der praktischen Ausführung kommt es jedoch zu Problemen bei den Planungen: „Sie sind nicht nur zeit- und kostenaufwändig, sondern auch fehleranfällig und werden fast überall beklagt“, berichtet Dr. Nils Wegner, der sich als Projektleiter für die Stiftung mit diesem Instrument auseinandersetzt. Werden die Pläne wie häufig gerichtlich aufgehoben, tritt zwar kein völlig ungesteuerter Zustand ein. An dieser Stelle greift dann aber allein § 35 des Baugesetzbuches und dieser bleibt in vielen Punkten hinter den berechtigten Steuerungsinteressen von Gemeinden und Anwohnern zurück.
Konzentrationszonenplanungen robust machen
„Wir müssen weiter daran arbeiten, Konzentrationszonenplanungen wieder robust zu bekommen,“ so Wegner. „Und robust, das bedeutet vor allen Dingen, dass die Planungen gerichtsfest gemacht werden müssen“. Grundlage hierfür ist eine umfangreiche Analyse der Stiftung im Rahmen des Forschungsvorhabens „NeuPlan Wind“ sein, welche die Fehlerquellen von Konzentrationzonensplanungen in der gerichtlichen Praxis in den Blick nimmt. Mitte Dezember ist sie als Würzburger Bericht zum Umweltenergierecht erschienen. Deutlich wird, dass hier noch viel Potenzial für Verbesserungen liegt: „Es gibt durchaus noch Widersprüche und Inkonsequenzen in der Rechtsprechung“, erläutert Nils Wegner. „Gleichzeitig scheitern jedoch zahlreiche Pläne allein an Formalia oder inhaltlichen Fehlern, die bei Beachtung der in vielen Punkten inzwischen geklärten Vorgaben hätten vermieden werden können. Es gibt ein offenkundiges Problem bei der Verarbeitung der Vorgaben der Rechtsprechung durch die Planungspraxis“.
Mit der Fehleranalyse soll die Praxis darin unterstützt werden, die kritischen Punkte der Planungsverfahren zu erkennen und rechtssicher zu bewältigen. Sie bildet zudem die Grundlage für die Entwicklung gerade auch kurzfristig wirkender gesetzgeberischer Handlungsoptionen, denen sich die Stiftung in einem weiteren Papier widmen wird. „Wir wollen Maßnahmen in den Blick nehmen, die geeignet sind, die Folgen von Planungsfehlern abzumildern“, kündigt Frank Sailer an. „Seien es Weiterentwicklungen der Regelungen, wie man mit fehlerhaften Regionalplänen und deren Folgen umgeht oder aber über Rückfalloptionen, falls es doch einmal zu einer Planaufhebung kommt.“
Umfassende wissenschaftliche Begleitung von Akzeptanzvorhaben
Neben den Arbeiten zu den Konzentrationszonenplanungen befasst sich die Stiftung Umweltenergierecht ebenso mit anderen Akzeptanzmaßnahmen wie z. B. der Pflicht zur bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung, die gerade als Teil des Energiesammelgesetzes beschlossen wurde. Zudem hat sich der Koalitionsausschuss darauf verständigt, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die bis Ende März nächsten Jahres Vorschläge zu verschiedenen akzeptanzbezogenen Themen erarbeiten soll. Auch dieser Prozess soll mit dem juristischen Sachverstand der Stiftung Umweltenergierecht begleitet werden. Neben weiteren raumplanerischen Optionen wie der Einführung fakultativer oder verbindlicher Abstandsregelungen und Höhenbegrenzungen, spielt in der Diskussion auch die stärkere finanzielle Beteiligung von Kommunen und Anwohnern eine Rolle. Diese wurde bereits in mehreren Veröffentlichungen der Stifung Umweltenergierecht beleuchtet. Bis zum Herbst 2019 will die Politik schließlich über die Umsetzung konkreter Maßnahmen entscheiden.
Wird dann doch noch endlich gut, was lange währt? „Abwarten“, meint Nils Wegner. „Mit unserer Arbeit können wir Handlungsoptionen aufzeigen, mit denen sowohl der Klimaschutz als auch andere berechtigte Interessen miteinander in Einklang gebracht werden können. Am Ende müssen dann die Abgeordneten Farbe bekennen und entscheiden, welche Option sie aufgreifen.“