Neue europäische Regelungen zum Zugang zu Wasserstoffnetzen
Die EU hat mit dem Gas-Wasserstoff-Paket ein Konzept für die Regulierung des Wasserstoffnetzes vorgestellt. Im Bereich des Netzzugangs werden die aus der Gasnetzregulierung bekannten Grundentscheidungen weitgehend übernommen, insbesondere wird spätestens ab 2033 überall ein regulierter Zugang gewährt werden müssen. Was uns in der Analyse jedoch besonders aufgefallen ist: die Abwesenheit von Privilegierungen für grünen oder CO2-armen Wasserstoff.
Seit Ende 2023 steht die finale Fassung des Gas-Wasserstoff-Paketes der EU. Damit ist der Rechtsrahmen gesteckt, der den Aufbau und die Etablierung des Wasserstoffnetzes prägen wird. Das Paket besteht aus einer Verordnung und einer Richtlinie und regelt erstmals auf europäischer Ebene, wie der Wasserstoff-Binnenmarkt ausgestaltet sein soll. Mit dem expliziten Ziel der Dekarbonisierung der Gasversorgung ist das Paket damit eine weitere Säule des EU Green Deals. Aktuell ist der eingesetzte Wasserstoff in aller Regel „grau“, also durch Dampfreformierung von Erdgas gewonnen, wodurch CO2-Emissionen entstehen. Geringere Emissionen haben „grüner“ Wasserstoff, der durch Elektrolyse unter Einsatz von Grünstrom synthetisiert wird und „blauer“ Wasserstoff, bei dem in der Reformierung Kohlendioxid abgeschieden und gespeichert wird.
Die Liberalisierung des Energiebinnenmarktes, und damit die Entflechtung von Erzeugung, Transport und Versorgung, beschäftigt die EU schon seit den 1990er Jahren. Das Gas-Wasserstoff-Paket setzt diese Linie fort. Bei der Regulierung des Wasserstoffmarkts tritt im Unterschied zu den Bereichen Strom und Gas die Situation auf, dass das Wasserstoffnetz noch nicht besteht und deshalb noch unklar ist, welche Größe und Kapazität das Netz haben wird. Die Strom- und Gasnetzregulierung fand dagegen schon ein funktionierendes Netz vor, das nach Marktbedingungen umgestaltet werden konnte.
Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangssituationen weist die Regulierung des Wasserstoffnetzes viele Ähnlichkeiten zu den Regeln für das klassische Gasnetz auf. So werden etwa die Grundsätze für unabhängige Netzbetreiber, für die Netzentgeltfinanzierung und den diskriminierungsfreien Netzzugang für Dritte mit handelbaren Kapazitätsrechten übernommen.
Im Regelfall regulierter Netzzugang
Hintergrund des regulierten Netzzugangs im Strom- und Gassektor war ehemals die Aufspaltung der großen (staatlichen) Energieversorgungsunternehmen zur Ermöglichung von Wettbewerb in der Energieversorgung. Durch die seitdem zwingende Entflechtung des Netzbetriebs von Energieerzeugung und -versorgung müssen Versorger zur Belieferung ihrer Kunden in der Regel fremde Infrastrukturen nutzen. Die Netzzugangsregulierung dient dem Ausgleich der damit verbundenen Marktmacht, da das Energienetz regelmäßig als natürliches Monopol eingeordnet wird und Netzbetreiber eine strukturell stärkere Position als Versorger haben.
Etabliert hat sich im herkömmlichen Gasnetz das System des „regulierten Zugangs“, bei dem Netzbetreiber eine Möglichkeit schaffen, auf Basis nichtdiskriminierender Kriterien und Entgelte Leitungskapazität zu buchen. Die Tarife werden behördlich überwacht und genehmigt. Die Buchung findet unabhängig vom tatsächlichen Energiefluss statt, sondern wird virtuell von Aus- zu Einspeisepunkt verkauft („Entry-Exit-System“). Das alternative Modell ist der verhandelte Zugang, bei dem Nutzern zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang eingeräumt wird, die Bedingungen im Einzelnen aber mit dem Netzbetreiber ausgehandelt werden müssen.
Mit dem Gas-Wasserstoff-Paket wird nun auch im Wasserstoffnetz der regulierte Zugang gelten. Um die Hochlaufphase flexibler gestalten zu können, wird Mitgliedsstaaten aber die Möglichkeit eingeräumt, davon abweichend bis zum 31. Dezember 2032 nur einen verhandelten Zugang einzuräumen. Deutschland wird diese Möglichkeit nach aktuellem Stand aber nicht nutzen.
Keine Priorisierung für grünen oder CO2-armen Wasserstoff
Der Netzzugang darf verweigert werden, wenn keine ausreichende Kapazität im Netz besteht oder der Netzanschluss fehlt. Die Mitgliedsstaaten müssen Sorge dafür tragen, dass im Falle der Ablehnung eines Gesuches der notwendige Netzausbau stattfindet.
Allerdings fällt hier eine ungenutzte Chance ins Auge: Die Verweigerungsgründe sind eine wichtige Stellschraube, um bestimmte Energieträger im Netz zu bevorzugen. So kann im Stromnetz der Zugang von Grün- oder KWK-Strom, im Gasnetz der Zugang von Biogas und anderen erneuerbaren Gasen – unter anderem grüner Wasserstoff – nicht unter Berufung auf fehlende Kapazität verweigert werden. Auch das Gas-Wasserstoff-Paket sieht wieder weitreichende Privilegien bei der Einspeisung grüner Gase in das Gasnetz vor. Für das Wasserstoffnetz finden sich aber keine vergleichbaren Regelungen.
Dabei hätten sie sich gut angeboten: Wenn das politische und rechtliche Ziel die möglichst breite Nutzung von blauem und grünen gegenüber grauem Wasserstoff ist, hätte eine solche Unterscheidung im Zugangsregime Niederschlag finden können. Jedenfalls hätte den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit dazu explizit eingeräumt werden können. Es wird noch näher zu untersuchen sein, ob und welchen Spielraum die Mitgliedsstaaten haben, selbst tätig zu werden. Gerade diesen Punkt werden wir in Zukunft genau beobachten müssen.
Ein gemischtes Fazit
Das Fazit fällt daher gemischt aus. Grüner Wasserstoff kann nach dem Gas-Wasserstoff-Paket priorisiert in das Gasnetz eingespeist werden. Dabei ist er vom Netzentgelt befreit und mit weiteren Privilegierungen, vor allem einem vereinfachten Netzanschluss, versehen.
Gleichzeitig muss er jedoch im Wasserstoffnetz mit grauem Wasserstoff um die knappe Kapazität konkurrieren. Zudem fallen dort potenziell anfänglich hohe Netzentgelte an. Ob die Regulierung so den gewollten Hochlauf auch aktiv unterstützt, ist unklar. Die Entwicklung werden wir auch künftig genau im Auge behalten.