„Gäbe es die Stiftung nicht, müsste man sie erfinden.“

Dr. Henning von Stechow (Foto: Prokon)

Die Prokon eG ist eine der größten deutschen Energiegenossenschaften und Anbieterin von Ökostrom aus eigenen Energieparks. In rund drei Jahrzehnten ist die Genossenschaft auf 40.284 Mitglieder und 74 Windparks in Europa gewachsen. Dr. Henning von Stechow ist seit 2016 Vorstand bei Prokon und seit 2021 Vorstandsvorsitzender.

 

Frage: Herr Dr. von Stechow, Sie haben vor Ihrem Jurastudium eine Bankausbildung absolviert. Wie haben Sie den Weg zu den Erneuerbaren gefunden?

Dr. Henning von Stechow: Ich habe bei einer Bank angefangen im Bereich Mergers & Acquisitions. Dort wurde ich als junger Kollege im Energieteam eingesetzt. Das hat mir von Anfang an gut gefallen, vor zwanzig Jahren kamen die ersten Erneuerbare-Energien-Themen dazu. Seitdem hat mich das Thema in unterschiedlichen Rollen nicht mehr losgelassen. Heute sehe ich es als meine Verantwortung und mein Ziel, mit Prokon Deutschlands Pfad zur Klimaneutralität mitzugestalten.

In welchen Bereichen sehen Sie rechtlichen Anpassungsbedarf, um die Ziele zur Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen?

Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist eine langfristige Planungssicherheit für Investitionen essenziell. Erstens brauchen wir noch stärkere Anstrengungen beim Netzausbau. Netzausbau und EE-Ausbau müssen synchronisiert werden, ohne den Ausbaupfad zu verlassen. Das heißt, wir brauchen einen Ausbaupfad für die Erneuerbaren, der im Wesentlichen dem entspricht, was die bisherige Bundesregierung vorgeschlagen hat. Jede neue Bundesregierung sollte daran nicht rütteln, wenn wir das Ziel Klimaneutralität bis 2045 erreichen wollen.

Konkret könnte beim Netzausbau darüber nachgedacht werden, Investitionen von dritter Seite in Netze, also jenseits der derzeitigen Netzbetreiber, zu ermöglichen. Warum sollten sie die einzigen bleiben, die dies Last schultern müssen? Gleichzeitig braucht es den Bau von Back-up-Kraftwerken, die zunächst mit Erdgas und später mit Wasserstoff betrieben werden. Dafür ist ein Kraftwerkssicherheitsgesetz nötig, das gezielt Anreize schafft und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft pragmatisch vorantreibt.

Ein dritter Punkt ist mehr Transparenz beim Thema Greenwashing. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen klar erkennen können, woher ihr Strom stammt, statt durch Herkunftsnachweise in die Irre geführt zu werden. Ohne echte Transparenz verliert die soziale Marktwirtschaft eines ihrer stärksten Instrumente: die bewusste Verbraucherentscheidung

Welchen Einfluss können Energiegenossenschaften auf die Energiewende haben?

Energiegenossenschaften wie Prokon haben das Potenzial, entscheidende Akzente für die Energiewende zu setzen. Zum einen fördern sie die Akzeptanz von Projekten, da sie durch ihre basisdemokratische Struktur Transparenz schaffen und Bürgerinnen und Bürgern echte Mitbestimmung ermöglichen. Zum anderen können Genossenschaften mit maßvollen Renditeansprüchen nachhaltiger wirtschaften und weitere gesellschaftliche Ziele, wie die Weiterentwicklung der Energiewende, verfolgen. Durch die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Verpächtern und anderen Stakeholdern wird eine breite Beteiligung und Unterstützung erreicht. So wird die Energiewende bürgernah und sozial gerecht gestaltet.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, die Forschungsarbeit der Stiftung Umweltenergierecht zu unterstützen?

Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt, das niemand allein bewältigen kann – weder Einzelpersonen noch Unternehmen. Gerade angesichts der Komplexität des rechtlichen Rahmens sind unabhängige Institutionen wie die Stiftung Umweltenergie-recht essenziell. Sie schafft wissenschaftlich fundierte Grundlagen, die für politische Entscheidungen und die Weiterentwicklung unserer Branche unverzichtbar sind. Der genossenschaftliche Gedanke ‚Was einer allein nicht schafft, schaffen viele gemeinsam‘ passt perfekt zur Arbeit der Stiftung. Ihre sachorientierte Expertise ohne parteipolitische Prägung hilft, die Energiewende effektiv und gerecht voranzubringen. Gäbe es die Stiftung nicht, müsste man sie erfinden.