Neuer Kurs: Brüssel nimmt neben Klimaschutz verstärkt Wettbewerbsfähigkeit in den Blick

Das Mitte Februar veröffentlichte Arbeitsprogramm der neuen Europäischen Kommission legt für die kommenden Jahre einen starken Fokus auf Wirtschaft und Industrie. Bereits der Ende Januar vorgelegte „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ skizziert das neue Schwerpunktthema der nächsten Jahre: Während die EU weiterhin ihre energie- und klimapolitischen Ziele verfolgen will, soll europäischen Unternehmen daraus kein Nachteil entstehen – im Gegenteil: Die Wettbewerbsfähigkeit soll ausdrücklich ohne Abstriche beim Klimaschutz angekurbelt werden. Die Stiftung Umweltenergierecht beobachtet die Pläne aus Brüssel genau – und gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen.

Mit dem EU Green Deal, der die erste Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen prägte, hat die EU wichtige Rechtsakte in der Energie- und Klimapolitik beschlossen. Das EU-Klimagesetz legt fest, dass die EU bis spätestens 2050 klimaneutral werden soll. Bis 2030 gilt das Ziel von mindestens 55 Prozent Treibhausgas-Minderung und auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und die Verbesserung des Stromverbundes hat sich die EU Ziele gesetzt.

Um diese Ziele zu erreichen, hat der EU-Gesetzgeber einen umfassenden neuen Rechtsrahmen geschaffen. So wurde das bereits für die Industrie und den Energiesektor geltende Emissionshandelssystem für die Luftfahrt verschärft und auf die Seeschifffahrt erweitert. Aufbauend auf dessen Erfolg wurde nun ein neues zweites Emissionshandelssystem (ETS 2) für den Gebäudesektor und den Straßenverkehr eingeführt, das ab 2027 greifen soll. Außerdem wurde ein Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) konzipiert, um auch Importe in die EU einem CO₂-Preis auszusetzen und etwaige Nachteile für heimische Unternehmen im globalen Wettbewerb auszuräumen. Für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz sollen die Mitgliedstaaten Beiträge leisten, die sie primär durch nationale Maßnahmen erreichen.

Mit dem EU Green Deal wurden weitreichende Reformen und Regelungen angestoßen. (Foto: Jai79/Pixabay)

Wir als Stiftung haben diese Entwicklung eng begleitet, mit zahlreichen Publikationen und Online-Seminaren. „Der EU Green Deal war ein Kraftakt. Der EU-Gesetzgeber hat eine Vielzahl an zum Teil recht detaillierten Regelungen vorgelegt. Dennoch muss sich vor allem in der Umsetzung in nationales Recht zeigen, ob die Regelungen auch wirklich zur Erreichung der Energie- und Klimaziele reichen“, so die Einschätzung von Fabian Pause, Co-Forschungsgebietsleiter bei der Stiftung Umweltenergierecht.

Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz zusammen gedacht

Mit dem neuen Arbeitsprogramm greift die EU-Kommission zahlreiche Stränge aus dem EU Green Deal auf. In der kommenden Legislaturperiode soll dabei vor allem dafür gesorgt werden, dass die EU durch ihre Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbestrebungen im internationalen Wettbewerb nicht zurückfällt. Im Mittelpunkt steht dabei der Clean Industrial Deal, den die Kommission am 26. Februar 2025 vorgelegt hat.

Dieser Deal für eine saubere Industrie stellt einen gemeinsamen Fahrplan für die Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung im Rahmen einer übergreifenden Wachstumsstrategie dar. Dafür enthält er Vorschläge in verschiedenen Themenfeldern, die für die weitere Forschungsarbeit der Stiftung zum Teil von großer Bedeutung sind. So ist der Zugang zu erschwinglicher Energie einer der zentralen Aspekte des Clean Industrial Deals. Um diesen zu ermöglichen, sollen unter anderem die Energiekosten gesenkt sowie der Ausbau sauberer Energien und der Elektrifizierung beschleunigt werden.

Für die Einzelheiten hat die Kommission parallel zum Clean Industrial Deal den Action Plan on Affordable Energy vorgelegt. Dieser enthält vielfältige Überlegungen und Ansätze, insbesondere zur Reform von Steuern und Abgaben sowie des Netzentgeltsystems. Ferner bleibt die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Netzinfrastruktur ein zentrales Thema.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Finanzierung: Hier sollen öffentliche und private Investitionen für die Umstellung der Wirtschaft auf saubere Energie gefördert werden. Dies soll durch eine Aufstockung der Finanzierung auf EU-Ebene wie auch durch eine Mobilisierung privater Investitionen erfolgen. Hier spielen auch finanzielle Anreize der öffentlichen Hand eine wichtige Rolle und damit auch das EU-Beihilferecht, dessen rechtswissenschaftliche Untersuchung die Arbeit der Stiftung schon seit vielen Jahren prägt. Die Europäische Kommission hat hier neue Vorschläge zur beihilferechtlichen Zulässigkeit von Finanzierungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten unterbreitet, die ab Mitte des Jahres Anwendung finden könnten.

Die Kommission will dafür sorgen, dass die EU durch ihre Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbestrebungen im internationalen Wettbewerb wirtschaftlich nicht zurückfällt. (Foto: Jonathan/Pixabay)

Vereinfachung und Entbürokratisierung als Ziel

Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Ankurbelung des Wachstums hat die Kommission erkannt, dass die EU ein günstiges Geschäftsumfeld schaffen und dafür sorgen muss, dass Unternehmen nicht mit Regelungen überfrachtet werden. So sollen Vorschriften drastisch vereinfacht und der Verwaltungsaufwand für Unternehmen verringert werden.

Zu diesem Zweck hat die Kommission ebenfalls am 26. Februar 2025 sogenannte „Omnibus“-Pakete vorgelegt. Damit werden zunächst Vereinfachungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung ins Spiel gebracht. Außerdem wird ein Vorschlag für die Änderung der Verordnung für den CBAM des Green Deal vorgeschlagen. Im Mittelpunkt steht dabei eine Befreiung kleiner Importeure vom Anwendungsbereich des CBAM. Zudem sollen Berichterstattungspflichten vereinfacht werden und eine zeitliche Erleichterung durch spätere Fristen geschaffen werden.

Bisherige Linie wird mit neuen Akzenten fortgesetzt

Mit dem neuen Arbeitsprogramm will die EU-Kommission also augenscheinlich die Linie, die mit dem EU Green Deal eingeschlagen wurde, weiterverfolgen: Die EU soll langfristig klimaneutral werden. Ein Fokus in den kommenden Jahren liegt dabei auf der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. „Die EU-Kommission hat die Auswirkungen ihrer Energie- und Klimapolitik auf die Industrie untersucht: Gerade in den Punkten Innovation, Dekarbonisierung und bei der Schaffung der notwendigen Infrastruktur gibt es noch einiges zu tun“, so Dr. Markus Ehrmann, Co-Forschungsgebietsleiter bei der Stiftung Umweltenergierecht.

Die vorgelegten Papiere umfassen eine Vielzahl von Initiativen und Legislativvorschlägen. Maßgeblich für deren Wirkung ist nun ihre Überführung in EU-Rechtsakte in den nächsten Monaten und Jahren sowie schließlich deren Umsetzung in nationales Recht. Beides wird die Stiftung genau beobachten und analysieren.