Fast jede Windenergieanlage von Abschaltauflagen betroffen

Nicht alle Windenergieanlagen laufen die ganze Zeit mit maximaler Leistung, auch wenn der Wind weht. In der Praxis ist das kein Geheimnis. Die Stiftung Umweltenergierecht hat sich die Genehmigungen aller Windenergieanlagen in Deutschland zwischen 2014 und 2019 jedoch näher angesehen und festgestellt, dass tatsächlich fast jede Windenergieanlage von Abschaltauflagen betroffen ist.

Bei der Genehmigung von Windenergieanlagen müssen auch die Auswirkungen auf Mensch und Tier beachtet werden. Um die Genehmigungsfähigkeit sicherzustellen und diese Auswirkungen zu minimieren, sind zeitliche Betriebsbeschränkungen ein gängiges Mittel. Konkret bedeutet das, dass den Anlagenbetreibern vorgeschrieben wird, zu bestimmten Zeiten oder Anlässen die Anlagen vollständig abzuschalten oder den Betrieb zu drosseln.

In der Praxis sind solche sogenannten Abschaltauflagen keine Seltenheit. Ein Forschungsteam der Stiftung Umweltenergierecht hat nun in der neusten Würzburger Studie zum Umweltenergierecht Nr. 36, „Betriebsbeschränkende Nebenbestimmungen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen“, erstmals untersucht, wie viele Windenergieanlagen in Deutschland zwischen 2014 und 2019 tatsächlich von solchen Beschränkungen betroffen sind. Das Ergebnis bestätigt den Eindruck aus der Praxis: Fast jede Windenergieanlage in Deutschland aus diesem Zeitraum ist von Abschaltauflagen betroffen.

94 Prozent der Anlagen mit Betriebsbeschränkungen

Insgesamt hat das Forschungsteam der Stiftung die Genehmigungen für 1.607 Windenergieanlagen mit 4.777,5 MW installierter Leistung ausgewertet: 94 Prozent aller erfassten Windenergieanlagen waren dabei von Abschaltauflagen betroffen. Ein zentraler Faktor sind dabei artenschutzbedingte Auflagen. Diese betrafen rund 75 Prozent der Anlagen. Überwiegend diente dies dem Schutz von Fledermäusen (71 Prozent), bei lediglich 33 Prozent der Anlagen dem Schutz von Vögeln, wobei sich hiervon rund die Hälfte auf den Schutz von Rotmilanen bezog (17 Prozent).

Die Stiftung Umweltenergierecht hat die Genehmigungen von rund 1.600 Windenergieanlagen untersucht. Das Ergebnis war eindeutig. (© Pixabay)

Weitere Gründe für Abschaltauflagen waren die Begrenzung von Schattenwurf (68 Prozent), Eiswurf (53 Prozent), Lärm (39 Prozent) und Turbulenzwirkungen (9 Prozent). Beschränkungen zum Schutz bedrohter Vogel- und Fledermausarten sowie vor Lärm und Turbulenzwirkungen nahmen im betrachteten Zeitraum tendenziell zu. Nur für Beschränkungen gegen Eiswurf konnte ein Rückgang festgestellt werden. Das Team vermutet hier technische Anpassungen.

Weitere Untersuchungen empfohlen

Das Forschungsteam stellt in der Studie klar, dass durch die Untersuchung nicht abgeleitet werden kann, welche Mengen an Windenergie durch die Abschaltauflagen verloren gehen. „Anhand der großen Zahl an Beschränkungen für Windenergieanlagen wäre eine tiefergehende Untersuchung auf der Grundlage von Betreiberdaten als nächster Schritt nötig“, erklärt Dr. Nils Wegner. Zumal das Team prognostiziert, dass die Zahl an Abschaltauflagen in Zukunft zunehmen wird, da die Standorte des Ausbaus tendenziell konfliktreicher werden.

Das Forschungsteam zieht dabei die Berechtigung von Abschaltauflagen nicht in Zweifel: „Durch die Abschaltauflagen sind viele Windenergieanlagen in konfliktreichen Gebieten überhaupt erst möglich“, sagt Nils Wegner. Nichtsdestotrotz sind die Konsequenzen solcher Auflagen unter verschiedenem Blickwinkel sowohl für die Anlagenbetreiber im Einzelfall als auch für den Gesetzgeber ganz allgemein von Interesse. Zwar werden Auflagen bei der Ermittlung der Standortgüte und damit auch im Rahmen der Förderung der Anlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz schon heute berücksichtigt. Trotzdem schlagen sie sich nachteilig in der wirtschaftlichen Bilanz der Vorhaben nieder, da die Förderung die Nachteile nicht vollständig ausgleicht.

Außerdem gilt: Je größer die Strommengen sind, die über solche Betriebsbeschränkungen verloren gehen, umso mehr Leistung muss durch weitere Anlagen an anderer Stelle zugebaut werden, damit die Ausbauziele für Windenergie insgesamt erreicht werden. Damit sind Abschaltauflagen aber nicht nur für die Wirtschaftlichkeit von Einzelvorhaben von Bedeutung, sondern sie betreffen die Steuerung des Windenergieausbaus insgesamt. „Hier braucht es eine noch tiefergehende Analyse, um die Frage zu klären, ob durch Abschaltauflagen eine zu große Menge an erneuerbarer Energie verloren geht und ob hier Handlungsbedarf besteht“, macht Nils Wegner deutlich.