„Die Energieversorgung wird viel näher an die einzelnen Menschen heranrücken.“

Sebastian Sladek ist Vorstand des Ökoenergieversorgers Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Die Genossenschaft setzt sich seit den 90er Jahren für eine nachhaltige Energieversorgung ein und versorgt ca. 220.000 Kunden in ganz Deutschland mit erneuerbarem Strom und Biogas.

 

Herr Sladek, Sie sind vor 15 Jahren bei der EWS eingestiegen, die eine bewegte Vergangenheit hat: Die Bürger der Gemeinde Schönau haben als „Stromrebellen“ in den 90er Jahren das örtliche Stromnetz übernommen. Was hat sie motiviert, der Genossenschaft beizutreten?

Sebastian Sladek: Die EWS sind aus einer Bürgerinitiative hervorgegangen, die meine Eltern 1986 mitgegründet hatten. Die EWS begleiten uns als Familie also seit meinem neunten Lebensjahr. Am heimischen Esstisch haben die Gründerinnen und Gründer Ideen entwickelt und Pläne geschmiedet, wie Bürgerinnen und Bürger ein Stromnetz übernehmen und betreiben können. Ich bin also seit meiner Kindheit mit den Ideen der Bürgerenergiewende „infiziert“. Was ich dadurch immer wieder erlebt habe, ist die ungeheure Kraft, die von Menschen ausgeht, die sich hinter einer Idee versammeln. Die genossenschaftliche Idee passt perfekt zur Bürgerenergie, weil sie den gemeinschaftlichen Nutzen höher bewertet als finanzielles, wirtschaftliches Wachstum um seiner selbst willen.  Weil ich das alles für richtig und dringlich geboten halte, bin ich bei der EWS eG dabei.

Welche Rolle spielen bürgernahe Energieversorger und dezentrale Energieerzeugung bei der Transformation und welche Rolle wird ihnen in Zukunft zukommen?

Das Erreichen der Klimaneutralität in Deutschland erfordert einen Transformationsprozess, der sich nicht auf die Umstellung des Energiesystems auf 100 Prozent erneuerbare Energien beschränkt. Die Klimaneutralität bedeutet, dass sich die gesamte Gesellschaft auf Veränderungen einstellen muss. Die Energieversorgung wird einen ganz neuen Stellenwert erhalten und viel näher an die einzelnen Menschen heranrücken, weil die Stromerzeugung sehr viel dezentraler erfolgen wird. Vor diesem Hintergrund ist eine möglichst bürgernah gestaltete Energieversorgung extrem bedeutsam, denn es braucht für das Gelingen der Energiewende die Akzeptanz und das Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger am neuen Stromsystem, zum Beispiel durch die Stromerzeugung auf dem eigenen Dach, durch Energy Sharing, Mieterstromanlagen und nicht zuletzt durch gemeinsames Besitzen und Betreiben von Erzeugungsanlagen in einer Genossenschaft. Ich bin ein großer Freund des genossenschaftlichen Prinzips der Subsidiarität, das heißt, dass lokale Probleme auch möglichst lokal gelöst werden. Eine erfolgreiche Transformation wird wesentlich auf dem fußen, was Carl Amery „kleine, fehlerfreundliche Gemeinschaften“ nennt, davon bin ich überzeugt.

Welche rechtlichen Veränderungen sehen Sie für notwendig an, vor allem im Bereich Bürgerenergie und Erneuerbare?

Die Bundesregierung hat mit Amtsantritt zweifellos erste, wichtige Schritte zur Beschleunigung des EE-Ausbaus eingeleitet. Hier sei beispielhaft nur die große EEG-Reform 2023 oder auch der kürzlich erschienene Kabinettsentwurf zum PV-Gesetz genannt. Dieser sieht neben Vereinfachungen bei Balkonsolar – der wohl niederschwelligsten Form der Bürger:innenenergie – ja auch Verbesserungen für Aufdach-PV und naturverträgliche Solarparks vor. Gleichwohl sehen wir gerade beim Ausbau der Windenergie an Land noch immer viele Hürden. Hier will ich nur auf die aktuelle Debatte über mögliche neue Mindestabstandsvorgaben seitens der militärischen Flugsicherung verweisen. Auch bei der Bürgerenergie sehen wir noch offene Baustellen. Noch immer ist es ein für Bürgerenergiegesellschaften in der Praxis sehr komplexes Unterfangen, den vor Ort produzierten erneuerbaren Strom tatsächlich auch gemeinsam vor Ort zu nutzen. Unserer Ansicht nach steht dies im Widerspruch zu den Vorgaben zum sogenannten Energy Sharing in der EE-Richtlinie. Diese hätte die Bundesregierung eigentlich bereits bis Mitte 2021 umsetzen müssen. Gemeinsam mit vielen anderen setzen wir uns dafür ein, dass dies nun bald erfolgt.

Was hat Sie davon überzeugt, die Forschungsarbeit der Stiftung Umweltenergierecht zu unterstützen?

Die Energiewende ist nicht nur ein technologisches und gesellschaftliches Transformationsprojekt, sondern auch ein juristisches: um das Ziel 100 Prozent erneuerbare Energien schnellstmöglich zu erreichen, bedarf es eines radikalen Umbaus des aktuellen Energierechts. Die Stiftung liefert in diesem Zusammenhang seit Jahren sowohl für die Praxis als auch für die Politik sehr wertvolle rechtswissenschaftliche Beiträge und Empfehlungen. Diese klare Agenda hat uns überzeugt, die wichtige Arbeit der Stiftung zu unterstützen.