22. Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht

Rückenwind aus Europa für die Energiewende?
Hausaufgaben und Visionen

Datum: Mittwoch, 18. September 2019, 9-17 Uhr

Ort: NOVUM Businesscenter, Schweinfurter Str. 11,  97080 Würzburg

Inhalt

Am 18. September 2019 diskutierten über 100 Teilnehmer der 22. Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht über den Einfluss europäischer Energie- und Klimapolitik auf die Energiewende in Deutschland. Zwei Tage vor dem Verhandlungsmarathon für die Beschlüsse im Klimakabinett wurde dabei intensiv auch über rechtliche und politische Spielräume einer CO2-Bepreisung debattiert.

Auf dem Podium setzten sich Dr. Anja Weisberger, Beauftragte für Klimaschutz in der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Barbara Minderjahn vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), Ernst-Christoph Stolper vom BUND sowie die Politologin Prof. Dr. Michèle Knodt von der Technischen Hochschule Darmstadt kontrovers über die Chancen der EU-Governance für die Energiewende und für den Klimaschutz auseinander. Schnell spitzte sich die Diskussion auf das Thema CO2-Bepreisung zu. Dabei wurden neben den politischen und wirtschaftlichen Aspekten einer CO2-Bepreisung auch deren rechtliche Umsetzungsmöglichkeiten auf europäischer und deutscher Ebene in den Blick genommen. Bereits vor der Podiumsdiskussion gab Prof.  Knodt einen Überblick über die komplexen Aushandlungsprozesse der EU-Governance-Verordnung. Außerdem machte sie deutlich, dass die sehr weiche Steuerung auf EU-Ebene wenig effektive Sanktionsmöglichkeiten vorsehe, wenn Mitgliedstaaten ihre Klimaziele verfehlen. Auf nationaler Ebene seien somit wirksame Steuerungsmaßnahmen als Ergänzung zu den EU-Vorgaben dringend nötig, so Knodt. Vor diesem Hintergrund analysierte Prof. Dr. Roland Ismer von der Universität Erlangen-Nürnberg, welches Instrument zur CO2-Bepreisung wirksam und rechtssicher dazu beitrage, die Klimaschutzziele zu erreichen. Seine Schlussfolgerung fiel dabei deutlich aus: Aus seiner Sicht sei eine CO2-Steuer nicht nur rechtssicher, sondern auch schneller, günstiger und effektiver als ein CO2-Zertifikatehandel. Dr. Markus Kahles, Beihilferechtsexperte der Stiftung Umweltenergierecht, beendete mit seinem Vortrag den ersten Themenblock des Tages. Er ging darauf ein, welche neuen Spielräume für den deutschen Gesetzgeber durch das Urteil des EuGH aus diesem Frühjahr entstehen, in dem geurteilt wurde, dass das EEG 2012 keine Beihilfe ist. Er machte deutlich, dass bislang noch keine Einigung mit der EU-Kommission darüber erzielt worden sei, ob die EuGH-Entscheidung auch auf das EEG 2017 übertragbar ist, obwohl es dafür sehr gute Argumente gibt. Neben der Frage der Beihilfekontrolle seien zudem die Vorgaben der neuen Erneuerbaren-Richtlinie zu beachten, die die Spielräume für die Weiterentwicklung des EEG zukünftig bestimmen.

Im zweiten Themenblock des Tages wurden die Rolle von Netzbetreibern, Flexibilitätsinstrumente, Sektorenkopplung und Power-to-X-Technologien im Transformationsprozess des Energiesystems diskutiert. Dr. Wolfgang Zander von der Aachener BET zeigte zunächst auf, dass der Einsatz von dezentralen, flexiblen Lasten auf Netzebene sehr gut von Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern koordiniert werden müsse. Dabei wurde deutlich, welche grundlegend anderen Anforderungen durch flexible Lasten an Netzbetreiber entstehen. Dr. Johannes Hilpert von der Stiftung Umweltenergierecht hob in seinem anschließenden Vortrag hervor, dass die Begriffe Flexibilität, Sektorenkopplung und Power-to-X zunächst klar definiert und voneinander abgegrenzt werden müssen. Hinter jedem der Begriffe verberge sich nicht nur eine jeweils festzulegende energiewirtschaftliche Zielstellung, sondern auch eine eigene juristische Regelungswelt, die man zunächst eindeutig identifizieren müsse, wenn man Hemmnisse in den einzelnen Bereichen angehen wolle. Mit dem Thema Netzstabilität und Strommarktdesign befassten sich  die beiden folgenden Vorträge. Dr. Christoph Maurer von Consentec referierte über die neuen EU-Vorgaben zum Zuschnitt von Stromgebotszonen und ökonomischen Fragen rund um das Thema Redispatch. Dabei gab er einen Überblick über das Spannungsfeld zwischen dem Gebotszonenanforderungen im Clean Energy Package der EU und dem einheitlichen Gebotszonenzuschnitt in Deutschland. Maurer diskutierte dabei kritisch den Ansatz, Gebotszonen beizubehalten und gleichzeitig lokale Zusatzmärkte und einen marktbasierten Redispatch einzuführen. Zum Abschluss der Veranstaltung wechselte Fabian Pause, langjähriger Kopf der Europarechtler bei der Stiftung Umweltenergierecht, die Perspektive und betrachtete die neuen Handlungsfelder für Verbraucher. Dabei gab er einen Überblick, welche neuen Möglichkeiten das Winterpaket für die Eigenerzeugung und flexiblen Stromverbrauch den EU-Bürgern bietet. Wichtig sei nunmehr, wie er betonte, nicht nur eine genaue Analyse des nationalen Rechtsbestandes, sondern auch politische Kreativität. Denn es gehe nicht allein um die Umsetzung europarechtlicher Detailvorgaben, vielmehr biete der durch den EU-Gesetzgeber angestrebte „Spirit“ für mehr Verbraucher- und Bürgerbeteiligung die Möglichkeit für eine Neuausrichtung des Energiesystems.

Im Ganzen zeigten die Vorträge und Diskussionen, dass Deutschland eine Reihe von Hausaufgaben zu erledigen hat, um die Vorgaben des EU-Winterpakets umzusetzen. Das erforderliche Ambitionsniveau dürfte allein damit aber nicht abgebildet sein.

Mittwoch, 18. September 2019

08:15 Uhr

Eröffnung des Tagungsbüros und Begrüßungskaffee

09:00 Uhr

Begrüßung und Einführung ins Thema
Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht

09:20 Uhr

Politische Steuerung der Energiewende zwischen Klimaschutzgesetz und EU-Governance
Prof. Dr. Michèle Knodt, Technische Universität Darmstadt

09:45 Uhr

Podiumsdiskussion mit
Prof. Dr. Michèle Knodt, Technische Universität Darmstadt
Dr. Anja Weisgerber, Mitglied des Deutschen Bundestages
Barbara Minderjahn, VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft
Ernst-Christoph Stolper, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

10:45 Uhr

Kaffeepause

11:15 Uhr

Nationale CO2-Bepreisung und Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie: Gefangen zwischen Emissionshandel und Einstimmigkeit?
Prof. Dr. Roland Ismer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Rückfragen und Diskussion

11:55 Uhr

Stromerzeugung aus Erneuerbaren: Neu gewonnene Spielräume zwischen Beihilfefreiheit und neuer Erneuerbare-Energien-Richtlinie?
Dr. Markus Kahles, Stiftung Umweltenergierecht

Rückfragen und Diskussion

12:30 Uhr

Mittagspause

13:45 Uhr

Übertragung und Verteilung: Die neue Rolle der VNB im System
Dr. Wolfgang Zander, BET

14:10 Uhr

Was ist was? Flexibilitäten, Sektorenkopplung und Power-to-X
Dr. Johannes Hilpert, Stiftung Umweltenergierecht

14:35 Uhr

Rückfragen und Diskussion mit den Referenten

15:00 Uhr

Kaffeepause

15:30 Uhr

Neues Strommarktdesign: Justierung zwischen einheitlicher Stromgebotszone und Marktfragen des Redispatch
Dr. Christoph Maurer, Consentec GmbH

15:55 Uhr

Verbraucher: Neue Möglichkeiten zwischen Eigenerzeugung und flexiblem Verbrauch
Fabian Pause, Stiftung Umweltenergierecht

16:20 Uhr

Rückfragen und Diskussion mit den Referenten

16:45 Uhr

Verabschiedung
Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht