20. Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht

Klimaschutz durch mehr erneuerbare Energien –
Was heißt das für die Rechtsentwicklung in der laufenden Legislaturperiode?

Datum: Mittwoch, 24. Oktober 2018, 9-17 Uhr

Ort: Congress Centrum Würzburg, Pleichertorstraße, 97070 Würzburg

Inhalt

130 Teilnehmer diskutierten in Würzburg über den Rechtsrahmen für erneuerbare Energien

Würzburg, 24. Oktober 2018

Über 130 Gäste kamen auf Einladung der Stiftung Umweltenergierecht Ende Oktober nach Würzburg, um sich über die aktuellen Rechtsentwicklungen in der Energie- und Klimapolitik zu informieren und mit den Referenten und Teilnehmern auszutauschen. Im Koalitionsvertrag hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen. Die Teilnehmer diskutierten im Rahmen der 20. Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht deshalb mit den Referenten aus Regierung, Unternehmen, Wissenschaft und Behörden über die zentralen Fragen regulatorischen Fragen beim Ausbau erneuerbarer Energien. Auf der Agenda standen dabei unter anderem die Flächenknappheit beim Ausbau erneuerbarer Energien, der Ausbau der Stromnetze und die Auswirkung von Teilhabemöglichkeiten auf die Akzeptanz von Windenergie.

Bereits im Eröffnungsvortrag stellte Dr. Hans-Joachim Ziesing, Mitglied der Experten-Kommission Monitoring der Energiewende, grundsätzlich in Frage, ob die bisherigen und neu geplanten Klimaschutzmaßnahmen genügten, um die energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen. Ziesing zeigte sich pessimistisch, solange die Energie- und Klimaschutzpolitik nicht grundlegend neu ausgerichtet würde. Insbesondere der Verkehrs- und Gebäudesektor blieben weit hinter den Zielen zurück, machte Ziesing deutlich.

Akzeptanz, Flächenverfügbarkeit und Genehmigungen sind entscheidend für Ausbau erneuerbaren Energien

Im Verlauf der Tagung wurden anschließend einzelne energie- und klimapolitischen Maßnahmen in den Blick genommen, die von der Regierung im Koalitionsvertrag vorgesehen sind, um das 65-Prozent-Ziel zu erreichen. Ein derzeit viel diskutiertes Beispiel ist die Forderung der Regierung, die Kommunen stärker am Ausbau der Windenergie finanziell zu beteiligen. Dr. Nils Wegner, Projektleiter der Stiftung Umweltenergierecht, stellte in diesem Kontext den Ansatz der Stiftung Umweltenergierecht für eine Außenbereichsabgabe vor. Als zentralen Aspekt hob Wegner dabei die Verfassungskonformität und Rechtssicherheit des Stiftungsansatzes hervor. Besonders deutlich wurde durch den Vortrag jedoch auch, dass die gesetzlich gestärkte Beteiligung von Kommunen vor dem Hintergrund der komplexen Akzeptanzdiskussion rund um die Windenergie zu verstehen ist. Die Diskussion geht dabei weit über das Instrument einer Außenbereichsabgabe hinaus und betrifft beispielsweise auch Fragen wie die räumliche Steuerung von EE-Anlagen oder die Herausforderung, wie in Deutschland genügend Flächen für den Ausbau der Windenergie bereitgestellt werden sollen und wie die Genehmigungssituation neuer EE-Anlagen verbessert werden kann. Dr. Nicolai Hermann aus der Berliner Wirtschaftsberatung enervis energy advisors zeigte, dass unter der Annahme eines gleichbleibenden Stromverbrauchs, die Flächen in Regionalplänen theoretisch ausreichen würden, um das Ausbauziel bis 2030 zu erreichen. Das Ziel bis 2030 sei jedoch nur unter der Annahme erreichbar, wenn die Projekte auf den Regionalplanflächen auch vollständig realisiert würden. Die Tatsache, dass die meisten Regionalpläne beklagt und häufig für ungültig erklärt werden sowie weiter Hemmnisse wie z. B. die 10H-Regelung in Bayern, geben wenig Anlass zur Hoffnung, das Ausbauziel bis 2030 zu erfüllen. Und selbst bei vollständiger Realisierungsquote würden die Flächen nicht für das Ausbauziel bis 2050 genügen, schlussfolgerte Hermann.

Wie viele Hindernisse sich darüber hinaus bei der Projektrealisierung stellen, machte Monika Agatz aus Sicht einer Genehmigungsbehörde deutlich. Auf Genehmigungsebene fehle insbesondere ein verlässlicher Rechtsrahmen, der für den Ausgleich verschiedener Schutzziele und -objekte sorge. Am Ende müssten deshalb Behörden und Gerichte sehr häufig Entscheidungen über strittige Genehmigungsfragen auf der Grundlage von unterschiedlichen Urteilen treffen, die keine eindeutige und verlässliche Orientierung gäben, betonte Agatz. Sie sah den Gesetzgeber in der Pflicht, die erforderlichen Grundsatzentscheidungen zu treffen und den Behörden damit ihre Aufgaben zu erleichtern.

Der Ausbau und Umbau der Stromnetze bleiben zentrale Stellschraube der Energiewende

Der zweite thematische Fokus der Veranstaltung richtete sich auf den Ausbau und Betrieb von Stromnetzen in Deutschland. Dazu erläuterte Maria von Bonin als Referentin des Bundeswirtschaftsministeriums, an welchen Stellen der Rechtsrahmen für Stromnetze angepasst werden soll. Die Regierung strebe sowohl eine bessere Auslastung der bestehenden Netze als auch ein schnellerer Netzausbau an und berücksichtige diese Ziele im Entwurf für die Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG). Der Entwurf – der mittlerweile veröffentlicht ist – sehe dazu eine ganze Reihe von technischen Einzelmaßnahmen zur Optimierung und Verstärkung von Bestandsnetzen vor, um so Netzengpässe aufzulösen und zu vermeiden.

Dr. Christoph Maurer, Geschäftsführer der Beratung Consentec, ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob eine gezielte räumliche Steuerung von Windenergieanlagen im EEG-Ausschreibungssystem die Netze entlasten könne. Mit Blick auf eine ökonomische Kosten-Nutzen-Abwägung fiel Maurers Antwort jedoch skeptisch aus. Er unterstrich aber, dass es verschiedene andere Gesichtspunkte gebe, warum eine regionale Steuerung sinnvoll sein könne. Daher plädierte er dafür, dass die politischen Argumente für eine regionale Steuerung von der gestellten Frage der Netzentlastung getrennt betrachtet werden müsste.

Aus juristischer Sicht gab Oliver Antoni als Projektleiter der Stiftung Umweltenergierecht einen Überblick über die komplexen Instrumente, mit denen der Gesetzgeber den Umgang mit Netzengpässen regelt. Er verdeutlichte dabei, dass der heutige Regulierungsrahmen sehr einseitig ist weil er die regulatorische Seite des Redispatches überbetont und wenig auf marktliche Maßnahmen setzt. Dabei stellt er auch die vom Bundeswirtschaftsministerium aktuell geplanten Änderungen des Engpassmanagements vor und zeigte auf, wie die erneuerbaren Energien in den Redispatch integriert werden sollen.

Neue Geschäftsmodelle hängen von Rechtsrahmen ab

Die aktuellen Rechtsentwicklungen wirken sich unmittelbar auf die unternehmerischen Spielräume und neuen Geschäftsmodelle aus. Deshalb diskutierten zum Abschluss der Veranstaltung unter Moderation des wissenschaftlichen Leiters der Stiftung Umweltenergierecht, Thorsten Müller, die Podiumsgäste Felix Dembski, Sonnen GmbH, Dr. Holger Krawinkel, MVV Energie AG, und Achim Zerres, Bundesnetzagentur, darüber, wie viel Markfreiheit bzw. welche gesetzliche Steuerung die Energiebranche für neue Geschäftsmodelle und für einen erfolgreichen Ausbau erneuerbarer Energien benötigt. Die Antwort war erwartungsgemäß nicht eindeutig. Einig waren sich aber alle, dass es nicht nachhaltig sei, Geschäftsmodelle auf gesetzliche Ausnahmen zu stützen. Vielmehr bräuchte es grundlegende Neuerungen und einen stabilen Rechtsrahmen.

24. Oktober 2018

08:15 Uhr

Eröffnung des Tagungsbüros und Begrüßungskaffee

09:00 Uhr

Begrüßung
Thorsten Müller
, Stiftung Umweltenergierecht

Anforderungen an das Recht zur Sicherung der Zubaumengen, Flächenverfügbarkeit und Akzeptanz

09:05 Uhr

Sind die Klimaschutzziele mit den Maßnahmen der neuen Bundesregierung erreichbar? – eine Einordnung aus wissenschaftlicher Sicht
Dr. Hans-Joachim Ziesing, Experten-Kommission Monitoring der Energiewende

09:30 Uhr

Rückfragen und Diskussion

09:45 Uhr

Wie steht es um die Flächenverfügbarkeit und Wirtschaftlichkeitsentwicklungen bei Wind und PV?
Dr. Nicolai Herrmann, enervis energy advisors GmbH

Moderation: Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht

10:10 Uhr

Kaffeepause

10:40 Uhr

Flächenbereitstellung durch Planungs- und Genehmigungsrecht – eine Einordnung aus Sicht der Genehmigungspraxis
Monika Agatz, Landkreis Borken

11:05 Uhr

Windenergie und Akzeptanz: Welche Erfahrungen und Ideen könnten Eingang ins Bundesrecht finden?
Dr. Nils Wegner, Stiftung Umweltenergierecht

11:30 Uhr

Rückfragen und Diskussion

Moderation: Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht

12:15 Uhr

Mittagspause

Anforderungen an das Recht für Netzausbau und Netzbetrieb

13:45 Uhr

Welchen Änderungsbedarf im Rechtsrahmen der Stromnetze gibt es aus Sicht der Bundesregierung?
Maria von Bonin, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

14:10 Uhr

Netzausbaugebiet, Verteilernetzkomponente und Südquote: Kann eine räumliche Steuerung im EEG-Ausschreibungsdesign die Netze entlasten?
Dr. Christoph Maurer, Consentec GmbH

Moderation: Frank Sailer, Stiftung Umweltenergierecht

14:35 Uhr

Rückfragen und Diskussion

14:45 Uhr

Kaffeepause

15:15 Uhr

Redispatch, EinsMan & Co.– Welche Instrumente enthält der Rechtsrahmen für Netzengpässe und wie könnte es weiter gehen?
Oliver Antoni, LL.M., Stiftung Umweltenergierecht

15:40 Uhr

Rückfragen und Diskussion

Moderation: Frank Sailer, Stiftung Umweltenergierecht

Neue Geschäftsmodelle: Ein Fall für den Regulierer?

15:45 Uhr

Freiheit oder Regulierung – Welche Steuerung brauchen wir für neue Geschäftsmodelle?

Impulse und Diskussion u.a. mit:

Felix Dembski, Sonnen GmbH

Dr. Holger Krawinkel, MVV Energie AG

Achim Zerres, Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen

Moderation: Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht

16:45 Uhr

Verabschiedung
Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht