Gas, Kraftstoff, Brennstoff & Co.: In der EU wächst mit dem neuen Recht der Wasserstoffwirtschaft auch die Vielzahl der rechtlichen Begriffe. Wir haben uns auf die Suche gemacht– und haben eine Reihe von Vorschlägen, wie sich die Rechtslage vereinfachen lässt.
Wasserstoff, insbesondere aus erneuerbaren Quellen, gilt als Schlüsselelement für das Erreichen der Klimaneutralität – gerade in Sektoren, die nicht ohne weiteres elektrifiziert und auf Grünstrom umgestellt werden können. Geht es nach dem Willen der EU, sollen bis 2030 Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff mit einer Leistung von mindestens 40 Gigawatt installiert und zehn Millionen Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt werden. Dafür ist die EU gerade dabei, eine Vielzahl von rechtlichen Regelungen zu schaffen, die in Summe dafür sorgen sollen, dass diese Ziele auch tatsächlich erreicht werden.
Wasserstoff – manchmal so und manchmal so
Allerdings gibt es verstreut über mehrere Rechtsakte der EU auch eine Fülle an unterschiedlichen Begriffen, die Wasserstoff und seine Eigenschaften be- oder umschreiben. Da ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Geschweige denn, alle wichtigen Vorschriften für neue Geschäftsmodelle zu erfassen. Ein zentraler Aspekt, um Wasserstoff als Schlüsselelement der Klimaneutralität zu etablieren.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMKW) geförderten Projektes „Trans4Real – Wissenschaftliche Transferforschung für Reallabore zu Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien“ haben wir uns deshalb auf die Suche nach allen wasserstoffrelevanten Begriffen im EU-Recht gemacht und diese in ihrem jeweiligen Kontext untersucht. Die Ergebnisse gibt es im neusten Würzburger Bericht zum Umweltenergierecht: „Unionsrechtliche Begriffe mit Wasserstoffbezug – eine Übersicht mit Vereinfachungsvorschlägen“.
Neben einer nutzerfreundlichen Übersicht für alle interessierten Wasserstoffakteure, wollten wir auch Vereinfachungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Damit der neue Rechtsrahmen für Wasserstoff nicht noch unübersichtlicher wird.
Definitionen haben wichtige Rechtsfolgen
Unsere Zusammenschau der EU-Begriffe mit Wasserstoffbezug zeigt eine stark ausgeprägte Vielfalt des Rechtsrahmens der Wasserstoffwirtschaft: So bestehen neben expliziten „Wasserstoff“-Begriffen die Bezeichnungen „Kraft- und Brennstoffe“ sowie „Gase“, welche ebenfalls einen Wasserstoffbezug aufweisen (können) .
Mit Blick auf die sogenannten Legaldefinitionen dieser Begriffe zeigt sich, dass einige zueinander im Verhältnis stehen und durch Verweise aufeinander Bezug nehmen. Auch wird durch unsere Gegenüberstellung deutlich, dass einige gleichlautende Begriffe ohne erkennbaren Grund einer unterschiedlichen Definition unterworfen werden. So soll zum Beispiel CO2-armer Wasserstoff nach dem Entwurf der „Gas-Wasserstoff-Richtlinie“ eine Treibhausgasminderung von 70 Prozent aufweisen, nach dem Entwurf der „Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung“ (AGVO) hingegen punktgenau 73,4 Prozent.
Dabei sind die Begriffe und ihre Definitionen kein Selbstzweck: An die unterschiedlichen Begriffe mit Wasserstoffbezug knüpft der EU-Gesetzgeber jeweils spezifische Rechtsfolgen an, wie beispielsweise die Besteuerung des Energieträgers Wasserstoff oder bestimmte Beihilfevoraussetzungen. Insofern kommt jedem Begriff eine eigene Bedeutung zu.
Eine Gelegenheit für den EU-Gesetzgeber
Trotz dieser je eigenen Bedeutung sind gewisse begriffliche Parallelen und Verweise auf andere Rechtsakte möglich – und teilweise bereits auch vom EU-Gesetzgeber umgesetzt. Zur Verwirklichung eines einheitlichen und anwenderfreundlichen Rechtsrahmens sind allerdings noch viele weitere Anpassungen erforderlich.
„Aktuell befinden sich noch viele der aufgeführten Begriffe und die entsprechenden Definitionen in der Entwurfsfassung. Der europäische Gesetzgeber ist gefordert, die Begriffe definitorisch anzugleichen und einen kohärenten Rechtsrahmen zu schaffen.“
Dr. Anna Halbig
Unsere Auswertung arbeitet deshalb all diejenigen Vereinfachungsmöglichkeiten heraus, die sich noch anbieten – etwa bei „erneuerbarem Wasserstoff“ oder „CO2-armem Wasserstoff“. Bei letzterem schlagen wir zum Beispiel vor, dass die AGVO einfach auf die Definition in der Gas-Wasserstoff-Richtlinie verweist, sodass die Kriterien in beiden Regelwerken identisch werden.
Da passt es gut, dass sich aktuell noch viele der Begriffe und ihre entsprechenden Definitionen in der Entwurfsfassung befinden. Der EU-Gesetzgeber hat deshalb gerade eine gute Gelegenheit, die Begriffe definitorisch anzugleichen und einen in sich schlüssigen Rechtsrahmen für Europas Wasserstoffzukunft zu schaffen. Wir werden den weiteren Gesetzgebungsprozess dazu weiter beobachten und analytisch begleiten.
Ihre Ansprechpartner: Anna Halbig, Burkhard Hoffmann und Oliver Antoni
Publikation
Dr. Anna Halbig: Unionsrechtliche Begriffe mit Wasserstoffbezug – eine Übersicht mit Vereinfachungsvorschlägen, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 57, 27. Februar 2023