In unserem Online-Seminar „Doch keine Erleichterung im Artenschutzrecht? – Erste Einordnung zum Urteil des EuGH vom 4. März 2021“ haben wir uns heute mit der Entscheidung des EuGH vom 4. März 2021 zur Reichweite der Zugriffsverbote auseinandergesetzt. In seinem Urteil bestätigt der Gerichtshof seine strenge Linie beim Artenschutz. Im Rahmen der Zugriffsverbote des Art. 12 Abs. 1 FFH-RL sei jeweils das Individuum maßgeblich; der Erhaltungszustand betroffener Arten spiele für die Erfüllung der Verbote dagegen keine Rolle. Das wird in Deutschland auch bisher schon weitgehend so gehandhabt. Allenfalls beim Störungsverbot, das sich in Deutschland stärker an der Vogelschutz-Richtlinie orientiert und damit populationsbezogen ausgestaltet ist, könnten sich Auswirkungen zumindest bezüglich FFH-Arten ergeben.
Der EuGH wurde in dem Verfahren nicht nur nach der Rolle des Erhaltungszustands im Rahmen der Zugriffsverbote der FFH-RL, sondern auch im Rahmen der Zugriffsverbote der VS-RL gefragt. Hierzu hat sich der Gerichtshof allerdings nicht geäußert. Ob er die Relevanz des Erhaltungszustands auch bei den Zugriffsverboten der Art. 5 Buchst. a bis d VS-RL verneinen würde, ist damit weiterhin offen. Die zur FFH-RL erfolgte, stark am Wortlaut ansetzende Argumentation, lässt sich auch nicht ohne Weiteres auf die Verbote der VS-RL übertragen. Deren Wortlaut weist an den entscheidenden Stellen Unterschiede auf. Das bedeutet zugleich, dass dem Vorschlag der Generalanwältin Kokott bei lediglich in Kauf genommenen Tötungen von Vögeln vom EuGH keine Absage erteilt wurde. Die Generalanwältin hatte eine Beschränkung der Verbote des Art. 5 Buchst. a, b VS-RL dadurch vorgeschlagen, dass der Erhaltungszustand zu berücksichtigen sei. Auch diese Entscheidung gibt Anlass zu der generellen Überlegung, die Vorgaben der FFH-RL und der Vogelschutz-Richtlinie stärker getrennt umzusetzen. Auf diese Weise könnte den Unterschieden zwischen den beiden Richtlinien besser Rechnung getragen werden.
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