Windenergieplanung: Gemeindeöffnungsklausel unter Druck

29. April 2025 / 4 Minuten Lesedauer

Mit der Gemeindeöffnungsklausel haben Gemeinden mehr Spielräume bei der Windenergieplanung. Doch die Handhabung dieses Instruments wurde kürzlich durch das Bundesverwaltungsgericht einge-schränkt. (Foto: Talkrixel/iStock)

Durch die sogenannte Gemeindeöffnungsklausel (§ 245e Abs. 5 Baugesetzbuch [BauGB]) sollen die Gemeinden unabhängig von fortgeltenden Konzentrationszonenplanungen und den Zuständigkeiten für die Umsetzung des „Zwei-Prozent-Ziels“ zusätzliche Flächen für die Windenergie bereitstellen können. Aus unionsrechtlichen Gründen schränkt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 4 C 6/21 vom 28.09.2023) den Anwendungsbereich des Zielabweichungsverfahrens, auf dem die Gemeindeöffnungsklausel beruht, jedoch stark ein. Welche Handlungsoptionen bestehen nun für den Gesetzgeber, um die planerischen Spielräume für die Gemeinden aufrechtzuerhalten?

Die Gemeindeöffnungsklausel erweitert im Übergang zum neuen Planungsregime nach dem „Wind-an-Land-Gesetz“ die Möglichkeiten für Gemeinden in der Windenergieplanung. Sie können so Flächen für die Windenergie außerhalb fortbestehender raumordnerischer Konzentrationszonen und unabhängig von den Zuständigkeiten für die Umsetzung des „Zwei-Prozent-Ziels“ ausweisen. Rechtstechnisch „dockt“ sie dafür an das Zielabweichungsverfahren nach § 6 Abs. 2 Raumordnungsgesetz (ROG) an. Allerdings werden durch diesen Konnex nunmehr weitreichende Einschränkungen, die das BVerwG jüngst für das Zielabweichungsverfahren selbst formuliert hat, auch für die Gemeindeöffnungsklausel relevant.

Nach dem BVerwG sind Zielabweichungen aus unionsrechtlichen Gründen nur dann zulässig, wenn sie keine voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen haben. Da derartige Umweltauswirkungen aber jedenfalls mit größeren Windparks häufig einhergehen, kann die Gemeindeöffnungsklausel nach jetzigem Stand kaum mehr effektiv zum Einsatz kommen – jedenfalls besteht hierüber eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Die Gemeindeöffnungsklausel rechtssicher erhalten

Abhilfe könnte der Gesetzgeber auf zwei Wegen schaffen. Er könnte für das Zielabweichungsverfahren – allgemein oder speziell im Kontext der Gemeindeöffnungsklausel – eine Pflicht zur Vornahme einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) vorsehen. Die Beschränkung der Zielabweichung durch das BVerwG auf Fälle ohne voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen würde dadurch obsolet. Sie stellt lediglich eine Reaktion darauf dar, dass das Unionsrecht eine SUP für die Zielabweichung fordert, das deutsche Recht jedoch keine dementsprechende SUP-Pflicht enthält.

In der Konsequenz könnten Zielabweichungen bei der Durchführung einer SUP auch wieder bei voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen durch die geplanten Windenergieanlagen bewilligt werden. Wesentlicher Nachteil eines solchen Vorgehens wäre jedoch, dass die SUP einen zusätzlichen Verfahrensschritt und damit ein Mehr an Aufwand bedeuten würde. Im ohnehin schon engen Zeitraum der Anwendung der Gemeindeöffnungsklausel bis spätestens Ende 2027 würden die Planungszeiträume zusätzlich verlängert.

Ist eine Neufassung eine Alternative?

Alternativ könnte der Gesetzgeber die Gemeindeöffnungsklausel so neu fassen, dass sie nicht mehr auf das Zielabweichungsverfahren verweist, sondern eine Abweichung von den relevanten Konzentrationszonenplanungen unmittelbar selbst – also gesetzlich – herbeiführt. Ein behördliches Zielabweichungsverfahren wäre dann nicht mehr erforderlich. Dadurch könnte auch der zusätzliche Verfahrensschritt einer SUP unterbleiben. Ein solches Regelungskonzept wird etwa bereits in Bezug auf das Repowering mit § 245e Abs. 3 BauGB verfolgt.

Genau zu beobachten wäre bei diesem Vorgehen allerdings die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Umfang der SUP-Pflicht nach der SUP-Richtlinie, die sich bislang nicht auf solche Fälle erstreckt, in der Vergangenheit aber dynamisch immer weiter ausgedehnt wurde. Sicherheitshalber könnte insofern der Gesetzentwurf zur Novellierung der Gemeindeöffnungsklausel selbst einer SUP unterzogen werden (nach Rechtsprechung des EuGH kann nicht klar ausgeschlossen werden, dass nicht auch Gesetze oder Gesetzesänderungen „Pläne“ im Sinne der SUP-Richtlinie sind). Zudem sollte geprüft werden, ob auch Regelungen erforderlich sind, die verhindern, dass die Raumordnungspläne mit den Konzentrationszonen funktionslos werden, wenn die neugefasste Gemeindeöffnungsklausel den Gemeinden abweichende Planungen für die Windenergie ermöglicht. Angesichts des kurzen zeitlichen Anwendungsbereichs der Regelung bis Ende 2027 könnten sich solche Vorkehrungen jedoch erübrigen.

In der Würzburger Studie „Strategische Umweltprüfung bei Abweichungen von Zielen der Raumordnung“ haben wir die geschilderten Zusammenhänge in Bezug auf die Gemeindeöffnungsklausel detailliert untersucht. Darüber hinaus werden dort auch die weiteren Auswirkungen eines verengten Zielabweichungsverfahrens nicht nur für den Windenergie-, sondern auch den Photovoltaikausbau aufgezeigt und die gesetzgeberischen Handlungsoptionen analysiert.

Ihre Ansprechpartner: Steffen Benz, Jonas Otto und Dr. Nils Wegner