Unnützes Übel oder wichtiger Schritt nach vorne? Die Meinungen über die Außenbereichsprivilegierung für PV-Freiflächenanlagen gehen auseinander. In einem neuen Diskussionspapier zeigen wir, wie die Privilegierung weiterentwickelt werden könnte, damit sie zu einem Baustein für mehr Fläche und bessere Steuerung des Freiflächenausbaus wird.
Photovoltaik ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Doch noch bis vor Kurzem setzte der Bau jeder PV-Freiflächenanlage einen gemeindlichen Bebauungsplan voraus. Wollte eine Kommune nicht, konnte sie kaum zur Planaufstellung gezwungen werden. Waren die bisherigen Ausbauziele für Photovoltaik auf dieser Grundlage gerade noch zu erreichen, scheint dies für die ausgeweiteten Ziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2023 aber ausgeschlossen.
Um auf die aktuelle Versorgungskrise zu reagieren, regelte der Gesetzgeber noch 2022 eine punktuelle Außenbereichsprivilegierung von PV-Freiflächenanlagen entlang von Autobahnen und bestimmten Schienenwegen, sozusagen als Notfallmaßnahme. Anlagen auf diesen Flächen werden so vom Erfordernis eines Bebauungsplans befreit. Wir haben uns gefragt, ob dies ein generelles Modell für den mittel- und langfristig erforderlichen PV-Zubau sein kann – und diese Möglichkeiten in unserem neuen Würzburger Bericht zum Umweltenergierecht untersucht und aufgeschlüsselt.
Privilegierung ist nicht gleich Privilegierung
Spricht man mit Vertretern aus der PV-Branche über die Außenbereichsprivilegierung für die Freifläche, sind die Reaktionen verhalten. Bestenfalls. Die Befürchtungen sind groß, dass die Akzeptanz für den Ausbau vor Ort verloren geht und dem weiteren Ausbau seine Grundlage entzogen wird, wenn die Kommunen wegen einer Privilegierung nicht länger über Bebauungsplanverfahren Einfluss nehmen können. Angesichts der Erfahrungen beim Windenergieausbau ist das verständlich. Aber: Privilegierung ist nicht gleich Privilegierung.
„Eine Privilegierung kann zu einem Baustein bei der Flächenbereitstellung entwickelt werden, der Anreize für einen umweltgerechten Ausbau der Freifläche setzt, gemeindliche Gestaltungsmöglichkeiten in konstruktive Bahnen lenkt und dabei hilft, kostbare Planungsressourcen zu schonen.“
Dr. Nils Wegner
Dass und wie eine Privilegierung für die PV-Freifläche auf vielfältige Weise konzipiert werden kann, zeigen wir in unserem neuen Würzburger Bericht. Die Privilegierung muss nicht dazu führen, dass den Gemeinden sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten genommen werden. Eine Privilegierung kann vielmehr zu einem Baustein bei der Flächenbereitstellung entwickelt werden, der Anreize für einen umweltgerechten Ausbau der Freifläche setzt, gemeindliche Gestaltungsmöglichkeiten in konstruktive Bahnen lenkt und dabei hilft, kostbare Planungsressourcen zu schonen.
Typen, Flächen und Begrenzungen privilegierter PV-Freiflächenanlagen
Zentral für die inhaltliche Ausrichtung durch den Gesetzgeber ist zunächst die Stellschraube, ob sämtliche PV-Freiflächenanlagen oder nur bestimmte Typen wie Biodiversitäts-PV- oder Agri-PV-Anlagen privilegiert werden. Zudem ist zu klären, ob die Privilegierung auf sämtlichen oder nur bestimmten Flächen greift und ob die Privilegierung eine Begrenzung pro Gemeindegebiet und Anlage erfährt. Je nach Kombination dieser Möglichkeiten können die verschiedenen Steuerungsziele wie die Flächenbereitstellung oder die umweltverträgliche Steuerung unterschiedlich gewichtet werden.
Soll die gemeindliche Planungshoheit nicht nur jenseits der Privilegierung zur Geltung kommen, kann diese zudem als subsidiär gegenüber gemeindlicher Bebauungsplanung ausgestaltet werden. Einen Zubau auf der gesetzlichen Grundlage der Privilegierung erlaubt sie so nur dort, wo Gemeinden planerisch untätig bleiben. Wo sie dagegen Initiative zeigen, behalten sie die Zügel in der Hand.
Nur ein Baustein eines Gesamtsystems
Welche Wirkung der Baustein einer weiterentwickelten Privilegierung für PV-Freiflächenanlagen in einem künftigen System der planerischen Steuerung entfaltet, hängt aber von der Raumordnung ab. Diese beschränkt die Möglichkeiten von Gemeinden, Flächen auszuweisen, schon heute in einzelnen Bundesländern stark. Die aktuelle Novelle des Raumordnungsgesetzes könnte dies noch verstärken, indem sie das Instrument einer Ausschlussplanung, das bislang vor allem von der Windenergie bekannt war, auch für die Freifläche ins Schaufenster stellt. Eine solche Steuerung könnte die gerade durch den Bund geschaffene Privilegierung für PV-Freiflächenanlagen genauso unterlaufen wie deren Weiterentwicklung.
Eine weitreichende Verschiebung der Steuerung des Freiflächenausbaus auf die Ebene der Raumordnung scheint nach dem aktuellen Entwurf des ROG also möglich. Sollte die Novelle kommen wie derzeit beabsichtigt, werden wir das veränderte Gesamtsystem erneut in den Blick nehmen. Soll eine weiterentwickelte Privilegierung voll zur Geltung kommen, müsste nachjustiert werden.
Ihre Ansprechpartner: Jonas Otto und Nils Wegner
Publikation
Jonas Otto, Dr. Nils Wegner: „Diskussionspapier: Weiterentwicklung der Außenbereichsprivilegierung von PV-Freiflächenanlagen – Konzeptionelle Möglichkeiten zur Stärkung der Flächenbereitstellung und weiterer Steuerungsziele bei Erhalt kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten“, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 56, 16. Februar 2023