Mit dem befristeten Krisenrahmen im EU-Beihilfenrecht können Mitgliedstaaten Unternehmen in der Energiekrise finanziell unterstützen. Für die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien waren die ersten Versionen des Krisenrahmens jedoch ungeeignet. Hat sich die Situation mit der neuesten Änderung des Krisenrahmens durch die Kommission verbessert?
Bislang konnte das EU-Beihilfenrecht kaum eine positiv steuernde Wirkung für den EE-Ausbau in Deutschland entfalten. Allzu oft hatten die Vorgaben hier gar eine hemmende und verzögernde Wirkung. Diese Problematik haben wir in unserem Würzburger Bericht Nr. 54, „Wege zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien im EU-Beihilfenrecht“, am Beispiel des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) detailliert analysiert und darin Wege zur Beschleunigung des EE-Ausbaus aufgezeigt.
Unsere Analyse anhand des EEG hat gezeigt, dass das Ergebnis der Genehmigungsverfahren für Gesetz- und Fördermittelgeber sowie betroffene Unternehmen bislang aufgrund der Detailtiefe der beihilfenrechtlichen Vorgaben oft schwer vorhersehbar war. Zudem dauerten die Verfahren oftmals lange. Die zu genehmigenden Regelungen standen dementsprechend lange unter Anwendungsvorbehalt und konnten daher noch nicht genutzt werden. Teilweise wurden nachträgliche Änderungen erforderlich. Solche Situationen können Rechtsunsicherheit kreieren und in der Folge dazu führen, dass Investitionen aufgeschoben oder gar nicht getätigt werden. Denn es stellte sich immer wieder die Frage, ob die Förderregelungen, so wie sie vom Bundestag beschlossen wurden, überhaupt zur Anwendung kommen durften.
EU-Beihilfenrecht im aktuellen Krisenmodus
Seitdem ist viel passiert. Die lang verschleppte Reform der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO), für die schon 2021 konsultiert wurde, wird nun doch vollzogen. Zudem wurde ein befristeter Krisenrahmen erlassen und in den letzten Monaten mosaiksteinartig erweitert und geändert.
Der befristete Krisenrahmen fokussierte sich zu Beginn allein auf kurzfristige Maßnahmen, um die durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern, wie die gestiegenen Strom- und Gaspreise. Mit der ersten Änderung des befristeten Krisenrahmens im Juli 2022 wurde auch ein Kapitel für die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien eingefügt. Die dort festgelegten Sonderregeln zur Dauer der Regelungen und den Realisierungsfristen wurden mit der zweiten Änderung im Oktober 2022 nochmals gelockert.
Bislang keine Planungssicherheit im Krisenrahmen
Allerdings wurde von den Möglichkeiten, die der befristete Krisenrahmen zur Förderung von erneuerbaren Energien bietet, kaum Gebrauch gemacht. Die erweiterten Möglichkeiten wurden in Deutschland – wie auch in anderen Mitgliedstaaten — vor allem für preisdämpfende Instrumente wie die Strom- und Gaspreisbremse genutzt.
Das Problem: Kurzfristig geschaffene, ständig der Änderung unterworfene und befristete Regelungen können bei Projekten mit mehreren Jahren Planung kaum Anreize schaffen. Sie kommen nur für Projekte in fortgeschrittenem Stadium in Frage – zum Beispiel durch eine einmalige Sonderausschreibung. Daher dürfte auch auf mitgliedstaatlicher Seite wenig Motivation bestehen, Förderprogramme zu konzipieren, die bestenfalls ein Strohfeuer erwirken könnten, aber keinen dauerhaften zusätzlichen EE-Ausbau ermöglichen.
Verbesserungen für den EE-Ausbau in Sicht?
Die Notwendigkeit, einen neuen Beihilfenrahmen zu schaffen, der dauerhaft einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien ermöglicht, sieht die EU-Kommission aber bislang nicht. Am 9. März 2023 hat sie zwar die dritte Änderung des Krisenrahmens vorgestellt, der nunmehr „Befristeter Rahmen zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels“ (Temporary Crisis and Transition Framework bzw. TCTF) heißt. Es geht also zu Recht nicht mehr nur um die Energiekrise, sondern auch um eine längerfristige Perspektive. Allerdings wurden nur marginale Verbesserungen bei den Betriebsbeihilfen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vorgenommen, die die grundlegenden Probleme nicht beheben dürften.
So wurden die zunächst nur eng befristeten günstigeren Regeln des Krisenrahmens zur Förderung von erneuerbaren Energien durch die jüngste Anpassung in ihrem Anwendungsbereich deutlich verlängert – mindestens bis Ende 2025. Damit sollen nach Darstellung der EU-Kommission gewisse Vereinfachungen bei der Durchführung von Fördermaßnahmen vorübergehend ermöglicht werden, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Erst danach sollen wieder nur die „normalen“ Anforderungen der Leitlinien für Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfen (KUEBLL) mit ihren höheren Anforderungen gelten. Aktuell besteht ein Wahlrecht, ob eine Notifizierung nach den KUEBLL oder dem TCTF erfolgen soll.
Mehr neue Hürden als Erleichterungen?
Sieht man sich die Genehmigungsdauern des Krisenrahmens im Vergleich zu Verfahren nach den KUEBLL an, zeigt sich, dass der Hauptvorteil in deutlich kürzeren Genehmigungsdauern liegt (im Schnitt neunzehn Tage). Das ist sehr erfreulich. Allerdings ist bei genauem Hinsehen kaum auszumachen, worin die inhaltlichen Erleichterungen bei den Vorgaben des Förderdesigns eigentlich bestehen sollen – teilweise werden hier sogar neue Hürden aufgebaut. Hier drei Beispiele:
Erstens werden zweiseitige Differenzverträge (sog. „Contracts for Difference“ – kurz: CfD) verpflichtend als Förderinstrument für Betriebsbeihilfen festgelegt. Das ist keine Erleichterung, sondern eine materielle Einengung gegenüber dem allgemeinen Beihilfenrahmen der KUEBLL. Zudem ist diese Vorgabe für Mitgliedstaaten wie Deutschland, die bislang kein CfD-Fördersystem haben, eine Hürde. Da man hierzulande nicht auf bestehende Strukturen aufsetzen kann, wird es schwerfallen, kurzfristig ein Förderprogramm für den zusätzlich beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien umzusetzen.
Zweitens lockert die EU-Kommission zwar in der neuen Fassung des TCTF die Inbetriebnahmefristen und Rückforderungsregeln. Anfangs sah der Krisenrahmen noch vor, dass Anlagen, die nicht binnen 30 Monaten ans Netz gehen, Teile der Beihilfe zurückzahlen müssten – und zwar auch, wenn der Betreiber gar nichts dafür konnte, etwa wenn das Genehmigungsverfahren länger dauert. Da jetzt aber nur noch „wirksame Sanktionen“ gefordert werden, könnte auch das geltende deutsche Pönalensystem nach § 55 EEG ausreichend sein. Dennoch sind auch diese Anforderungen gegenüber den normalen Bedingungen der KUEBLL sogar verschärft anstatt erleichtert worden, da letztere hierzu überhaupt keine konkreten Fristvorgaben und Aussagen zu Rückforderungen enthalten.
Drittens wurden mögliche Fördervolumen für Kleinanlagen, bei denen keine Ausschreibung durchgeführt wird, um 10 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro je Unternehmen angehoben. Dies ist allerdings nach der neuen AGVO für Förderprogramme bis zu 300 Millionen Euro für Kleinanlagen ohnehin die Schwelle, für die eine Einzelbeihilfe pro Vorhaben gänzlich ohne vorheriges Notifizierungsverfahren gewährt werden kann. Auch hier ist also keine wesentliche Verbesserung ersichtlich.
Eine detaillierte Übersicht über die Änderungen haben wir in unserer Online-Seminarreihe „Green Deal erklärt“ vom 28. März 2023 vorgestellt. Sie kann hier im Detail nachgelesen werden.
Eine grundlegende Neuausrichtung der KUEBLL wäre wünschenswert
Daher können wir festhalten: Der Beihilfenrahmen bewegt sich zwar dank der erfreulich kurzen Dauer der Beihilfenverfahren in die richtige Richtung. Aber kaum in inhaltlicher Hinsicht und wenn, dann nur in sehr kleinen Schritten. Die Regelungen haben weiterhin einen hohen Steuerungsanspruch im Detail. Dieser Steuerungsanspruch geht zudem deutlich über die grundsätzlichen Vorgaben aus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie hinaus, etwa bei der Förderung in Zeiten negativer Preise und den (immerhin gelockerten) Nachweispflichten zur endogenen Mengensteuerung. Letztere beschreibt das Problem, dass aus wettbewerblichen Gründen bei unterzeichneten Ausschreibungen das Ausschreibungsvolumen reduziert werden soll. Dies befindet sich im Zielkonflikt mit dem notwendigen beschleunigten EE-Ausbau. Auch gibt es keine konkreten Fristvorgaben für die Beihilfengenehmigung durch die EU-Kommission, so dass auch in Zukunft eine Hängepartie zwischen Verabschiedung und Genehmigung zu erwarten ist.
Zudem ist zu beachten: Selbst wenn der Krisenrahmen nun bis Ende 2025 verlängert wurde, stellt er weiterhin eine Ausnahmeregelung dar. Dabei ist die Beschleunigung des EE-Ausbaus keinesfalls nur eine kriegsbedingte, sondern eine grundlegende klima- und wirtschaftspolitische Notwendigkeit. Folglich sollte die EU-Kommission nicht nur temporäre Sonderregelungen erlassen. Zielführender wäre es, das EU-Beihilfenrecht dauerhaft und viel grundlegender in den eigentlich hierfür vorgesehenen KUEBLL auf die aktuellen Herausforderungen auszurichten.
Ihre Ansprechpartner: Dr. Markus Kahles, Johanna Kamm und Fabian Pause